Alte Spiele unter Windows 10: Vom Versuch, 150 Klassiker auf HDD zu archivieren
Und sie laufen doch?
Was macht man mit 1.700 Gigabyte freier Speicherkapazität? Wenn die Kompatibilität von Klassikern zu Windows 10 fraglich geworden ist, kann die Antwort lauten: Einen großen Teil der eigenen Spielesammlung im Selbstversuch auf genau diesem Betriebssystem archivieren. Das Ziel: 150 Titel aufzuspielen und spielbar zu machen. Ein Selbstversuch mit interessanten Ergebnissen.
150 Installationen inklusive Updates
Die Anforderungen für diese Aktion sind denkbar analog. Im Prinzip wird lediglich ein im Jahr 2015 hoffnungslos veraltetes DVD-Laufwerk benötigt, um Daten von Silberlingen auf Festspeicher transferieren zu können – rund 150 Exemplare von etwa 1998 bis 2010 stehen dafür als Rohmaterial bereit.
Steam ist oft Fluch, hier wäre es Segen
Das erste Ergebnis der mehrtägigen Installationsorgie ist zunächst denkbar simpel: Eine gewisse Dankbarkeit für die Segnungen der digitalen Moderne. Steam mag als marktbeherrschende Plattform durchaus problematisch sein, hat in der Kategorie Komfort aber Maßstäbe gesetzt.
Bereits der Beginn einer Installation ruft mit vielerlei längst vergessenen Grausamkeiten ins Gedächtnis, warum dem so ist. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass sich Updates für Peter Molyneux' Göttersimulation Black & White nur dann aufspielen lassen, wenn der Installationspfad keine Leerzeichen enthält – worauf sich die hartnäckige Fehlermeldung allerdings nicht im Mindesten hinzuweisen bemüßigt fühlt. Ein anderes Beispiel: Die Option einer „Custom Installation“ bedeutet bisweilen nur, den Installationspfad manuell angeben zu können – gelegentlich ergänzt um die Option, eine Verknüpfung auf dem Desktop anlegen zu lassen.
Ursprünglich nötig war diese Auswahl nur im vergangenen Jahrtausend, als die Kapazität von Festplatten im bestenfalls einstelligen Gigabyte-Bereich die Option einer nur teilweisen Übertragung von Spieledaten dringend nötig machte. Schon kurz nach der Jahrtausendwende verschwanden die Teilinstallationen allerdings endgültig aus der Auswahl der Setup-Routinen, wobei nicht jedes Spiel mit Vollinstallation auch zwingend eine solche meinen muss. GTA III etwa verzichtet auf das Kopieren der Audio-Dateien, die sich allerdings manuell im Installationsverzeichnis ablegen und danach von der Festplatte laden lassen.
Nur der Autostart hakt häufig
Aus heutiger Perspektive sind dies lediglich aus der Zeit gefallene Absurditäten, die zum Glück keine Auswirkungen auf die Funktion der Software haben. Das Aufspielen selbst war bei nahezu allen Spielen möglich. Nur bei Autostart-Routinen sind über die Jahre starke Ausfälle zu verzeichnen. Der Aufruf von Setup.exe oder Install.exe auf dem Datenträger schafft in (fast) jedem Fall Abhilfe. War dies nicht der Fall, lässt sich das Spiel – etwa Mech Commander – durch manuelles Kopieren der nicht in Archiven verpackten Dateien von CD auf HDD „installieren“. Gelegentlich lässt sich anstelle einer .exe- auch eine .msi-Datei ausführen, welche die eigentliche Setup-Arbeit übernimmt, wie im Falle des Strategiespiels Dragonshard.
Lediglich ein Spiel aus der herangezogenen Auswahl konnte nicht überspielt werden: Die Setup-Datei des Ubisoft-Klassiker Beyond Good & Evil funktioniert nur auf 32-Bit-Betriebssystemen; das Kopieren des auf einem alten Betriebssystem aufgespielten Verzeichnisses verhindert der fehlende Registry-Eintrag.
Wie ein Abstieg ins finstere Mittelalter der Branche
Nach einer dreistelligen Anzahl aufgespielter Titel lässt sich außerdem festhalten: Eine solche Aktion ist ein Abstieg in das finsterste Mittelalter der Branche. Spiele, die wie Dungeon Siege 2 auf bis zu vier CDs ausgeliefert werden und alle paar Minuten nach Aufmerksamkeit verlangen, sind vor allem in der Masse ein Alptraum, der zum Abschluss der Installation gerne den ersten Datenträger ein zweites Mal verlangt. Dass der Siegeszug der DVD solcherlei Discjockey-Tätigkeit beendet, stimmt nur für einen kurzen Zeitraum heiter und bringt neue Störfaktoren mit sich: Einlegen und bis zum Ende des Setups vergessen, das kann aufgrund der explodierenden Installationszeit wörtlich genommen werden; Zumal auch hier Spitzenwerte von vier Datenträgern erreicht werden (Max Payne 3). In diesem Fall zieht sich die Installation allerdings über mehrere Stunden.
Gesteigert wird die Mühsal mit CD-Schlüsseln: Nicht jedes Studio kommt auf die segensreiche Idee, eine solche Zeichenfolge in einem klar lesbaren Format mit annehmbarer Schriftgröße oder gar mit hilfreichen Bindestrichen abzudrucken. Dass ein Spiel bei der oft unvermeidlichen Falscheingabe sämtliche Felder löscht, blieb die (unrühmliche) Ausnahme.
Auf der Suche nach dem richtigen Patch
Im Anschluss des Installationsprozesses empfiehlt es sich grundlegend, das Spiel auf die aktuelle Version zu patchen – ein weiteres Thema, mit dem sich Nutzer im Zeitalter digitaler Distribution nicht herumschlagen müssen. Die manuelle Suche von Updates kann, muss aber nicht zu weiteren Problemen führen: Idealerweise lässt sich einfach der letzte Patch installieren, um den Klassiker auf den aktuellen Stand zu bringen. Im schlimmsten Fall gibt es für Regional- oder geschnittene Spieleversionen verschiedene, nicht miteinander kompatible Fassungen eines Updates, die zudem in einer festen Reihenfolge nacheinander aufgespielt werden müssen.
Insbesondere Aktualisierungen für geschnittene deutsche Versionen sind mitunter erst nach einiger Suche aufzutreiben. Kein Wunder: Es handelt sich um die unpopulärsten Ausgaben eines Spiels, die oft nur in einer schlecht synchronisierten Sprache vorliegen. Kaum besser sind erste Versuche mit Update-Routinen, die gezielt von Publisher-Servern laden. Im Falle von Ubisoft funktioniert dies weiterhin ohne Schwierigkeiten, bei aufgelösten Studios und damit unter anderem Rise of Legends und World in Conflict hilft nur die manuelle Suche nach glücklicherweise gespiegelten Dateien. Zentrale und gut bestückte Anlaufstellen finden sich in der „Tipps“-Sektion des Artikels.
Communitys helfen bei der Restauration
Neben den offiziellen Updates lohnt sich in jedem Fall ein Blick auf die Erzeugnisse der Modding-Community. Oft haben Fans bei der Suche nach Lösungen zur Auswahl von Widescreen-Auflösungen sogar angepasste .exe-Dateien und allerlei aufwändige Hacks bemüht und ihre Favoriten darüber hinaus mit weiteren Patches und Updates gepflegt. Der Rockstar-Klassiker Oni wird so nicht nur auf neuzeitlichen Betriebssystemen lauffähig, sondern auch mit einem Mod-Manager erweitert.
Viele Klassiker haben selbst in diesem Jahr noch Updates erhalten: Der Community Patch für Red Faction 1 (2001) datiert etwa auf den Mai 2015; selbst Mehrspieler-Anteile werden auch nach Ende offizieller Server-Unterstützung und dem Aus von Gamespy gepflegt, so unter anderem im Falle von No One Lives Forever oder James Bond 007: Nightfire. In die Sammlung hervorragender Verbesserungen gehört außerdem die Unterstützung für Xbox-Gamepads in GTA 3, Vice City und San Andreas (Xinput-Mod) oder zahlreiche aus dem von Microsoft freigegebenen (!) MechCommander-2-Quellcode entstandene Standalone-Mods.