Assassin's Creed Syndicate im Test: Der einzige Star ist die Stadt
2/2London wie es leibt und lebt
So richtig begeistert klingt unser Bericht bisher nicht. Daher sei an dieser Stelle ganz deutlich gesagt: Ein großer Teil unserer Enttäuschung bei Charakteren, Story und Gameplay wird durch die erneut exzellente Spielwelt eingefangen. Zwar erinnert Syndicate-London an manchen Stellen an das Paris aus Unity, doch wird man auch dieses Mal wieder sofort in den Bann der Umgebung gezogen.
Höchstwahrscheinlich gilt dabei auch für Syndicate-London, was im vergangenen Jahr für Unity-Paris galt: Noch nie wurde die Metropole derart fantastisch virtuell in Szene gesetzt. Wenn wir uns etwa durch eine Fabrikhalle, heruntergekommene Gassen und schmierige Abschnitte der Themse schleichen, wird spürbar, welche Verwerfungen die Dampfmaschinen und der Kapitalismus für die Arbeit und den Alltag der Menschen haben. „Menschen“ ist ohnehin ein wichtiges Stichwort: Auch dieses Mal punktet AC wieder mit einer wunderbar belebten Umgebung. Wir streifen über volle Marktplätze, belauschen die Alltagsgespräche der Bevölkerung und werden immer wieder Zeuge von kleinen Details wie einer Schlägerei oder eines Diebstahls.
Weiter verstärkt wird der positive Eindruck durch die vielen unterschiedlichen Viertel, die von heruntergekommenen, windschiefen Häusern bis hinauf zu prunkvollen Alleen voller hoher Bürger reichen. Zudem trifft man im Verlauf der Geschichte immer wieder auf die großen Namen der Stadt wie etwa Charls Dickens oder Karl Marx. Gekrönt wird die Präsentation auch in diesem Fall wieder von den Wahrzeichen der Stadt wie etwa dem Big Ben oder dem Parlament.
Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass im Syndicate-London längst nicht die Menschenmassen vorkommen wie in Unity-Paris. Das ist nicht nur historisch unzulänglich, sondern auch schade für die Atmosphäre. Es wurde viel belächelt, aber ein Teil des Charmes von Unity rührte ja daher, dass die Stadt wegen der vielen, vielen Menschen so besonders pulsierend und lebendig wirkte. Zugleich fand sich hier aber auch der Ursprung der Performance-Probleme, sodass die Entwickler hier vermutlich zugunsten von weniger Rucklern Einschnitte in Kauf genommen haben. Womit wir bei der Technik wären.
Solide Technik
Technisch bewegt sich die Konsolenversion von Syndicate auf einem guten Niveau. Eine optische Verbesserung können wir im Vergleich zum Vorjahr allerdings nicht erkennen. Im Gegenteil: In manchen Momenten sieht London fast weniger gut aus als Paris.
Frei von Fehlern ist aber auch dieses Assassin’s Creed nicht. Aufmerksame Spieler werden immer wieder über Clippingfehler, plötzlich spawnende Passanten und den ein oder anderen KI-Aussetzer stolpern.
Dafür geht die Performance dieses Mal in Ordnung. Aufpoppende Texturen und Ruckler sind kein auffälliges Problem. Durchaus auffällig sind die langen Ladezeiten. Mit den genannten Bugs können wir leben, etwas kürzere Pausen wären aber schon schön. Trotzdem: Im Vergleich zum technisch vermurksten Unity ist Syndicate ein Vorzeige-Release.
Fazit
Syndicate ist ein Assassin’s Creed, wie man es erwartet hat, wenn man damit gerechnet hat, dass sich nichts ändert. Das Storymuster folgt im Großen und Ganzen dem AC-Standard, die Spielwelt liefert auf höchstem Niveau und das Gameplay bleibt bis auf kleine Ausnahmen das alte.
Für sich genommen ist all das nicht problematisch. Es wäre töricht zu erwarten, dass Ubisoft Quebec gleich zum Einstand das AC-Rad neu erfindet. Natürlich haben sich die Entwickler eng an das gehalten, was AC ausmacht. Insofern schließt die wenig innovative Umsetzung eine Empfehlung nicht grundsätzlich aus, zumal uns der vielleicht wichtigste Aspekt – die Spielwelt – auch dieses Mal wieder maximal überzeugt.
Was uns in diesem Jahr aber wirklich skeptisch stimmt, ist die Güte der Erzählung. Unity wurde vielerorts abgestraft. Was es aber in unseren Augen ausmachte, war die Verbindung einer sehr guten, offenen Spielwelt mit einer zumindest guten Geschichte. Das Problem von Syndicate aber ist: Es hat nur eine tolle Spielwelt, aber keinen packenden Plot. Auch die beiden Geschwister bleiben blass.
Wer darauf keinen Wert legt und Spiele wie Assassin’s Creed vor allem als große Sandbox ansieht, wird mit Syndicate trotzdem sehr viel Spaß haben. Allen anderen sei gesagt: Vorsicht ist geboten, denn so richtig warm sind wir – Streifzüge durch London hin oder her – mit AC in diesem Jahr nicht geworden.
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