Bundesnetzagentur: Umstrittener Kompromiss für den Vectoring-Streit
Im Streit um den Vectoring-II-Antrag der Deutschen Telekom hat die Bundesnetzagentur heute einen Kompromiss vorgestellt, mit dem praktisch niemand zufrieden ist. Während die Telekom zu viel Regulierung beklagt, befürchten die Konkurrenten weiterhin eine erneute Monopolisierung des Breitbandmarktes.
Kompromiss-Entwurf von der Bundesnetzagentur
Grundsätzlich sieht der Entscheidungsentwurf der Bundesnetzagentur vor, dass die Telekom den Nahbereich (550 Meter) um die rund 8.000 Hauptverteiler exklusiv mit der VDSL2-Vectoring-Technologie ausrüsten kann. Den entsprechenden Antrag hatte der Bonner Konzern Anfang dieses Jahres gestellt. Das Ziel: Die 5,9 Millionen Haushalte in den Gebieten um die Hauptverteiler sollen bis 2018 die Möglichkeit erhalten, Anschlüsse mit Geschwindigkeiten von bis 100 Mbit/s über das Festnetz der Telekom buchen zu können. Den Exklusivanspruch für den Breitbandausbau in den lukrativen Gebieten rechtfertigt die Telekom mit einer Investitionszusage.
Im Prinzip hat dieser Plan nun auch grünes Licht erhalten. Wenn der Kompromiss der Bundesnetzagentur tatsächlich umgesetzt wird, ist die Telekom nicht mehr verpflichtet, den Konkurrenten im Nahbereich um die Hauptverteiler einen Zugang zur „letzten Meile“ – also der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) – zu gewähren.
Deal mit Ausnahmen
Allerdings existiert eine Ausnahme: Wenn ein Konkurrent in einem bestimmten Gebiet bereits mehr Kabelverzweiger mit Vectoring-Technologie ausgestattet hat als die Telekom, kann jener auch den Nahbereich um die Hauptverteiler ausbauen um das Gebiet zu vervollständigen. Verbindliche Ausbauzusagen müssen die Konkurrenten bis Ende Mai 2016 vorlegen. Für die Bundesnetzagentur steht der aktuelle Entscheidungsentwurf damit in der Tradition der Vectoring-Liste, bei der das „Windhundprinzip“ eingeführt wurde – wer zuerst kommt, erhält den Zuschlag.
Darüber hinaus soll die Telekom zu weiteren Zugeständnissen verpflichtet werden: Da die Konkurrenten in Nahbereichen künftig nicht mehr auf die Leitungen der Telekom zugreifen können, muss der Konzern als Ersatz ein VULA-Vorleistungsprodukt anbieten. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt: Der Wettbewerber bucht bei der Telekom nicht mehr den „blanken Draht“, um Kunden einen Anschluss bereitzustellen. Stattdessen wird vielmehr der Datenstrom gekauft. Innerhalb eines Kabelverzweigers werden die Leistungen also nicht mehr physikalisch, sondern virtuell entbündelt, was vor allem beim Einsatz der Vectoring-Technologie notwendig ist.
Reaktion: Keiner ist zufrieden
„Ein fairer Kompromiss.“ Bundesnetzagentur-Präsident Homann
Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, hält diese Lösung für „einen fairen Kompromiss“. Denn auf diese Weise werde sichergestellt, dass der Breitbandausbau vorangetrieben wird, ein chancengleicher Wettbewerb erhalten bleibt und auch künftig alle Unternehmen faire und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen haben. Doch mit dieser Ansicht steht die Bundesnetzagentur bis dato weitestgehend allein dar.
Telekom beklagt zu viele Regulierung
So kritisiert etwa ein Telekom-Sprecher auf Anfrage von Teltarif, dass der Konzern keine exklusive Ausbauzusage für sämtliche Hauptverteiler erhalten hat. Damit sei nicht mehr sicher, dass die Mischkalkulation aus rentablen und unrentablen Gebieten aufgehe. Hinzu komme, dass die Telekom mit VULA ein neues Vorleistungsprodukt anbieten müsse. „Das bedeutet mehr Regulierung, mehr Aufwand und beeinflusst ebenfalls Investitionsentscheidungen“, so der Sprecher. Daher will der Konzern nun erst einmal prüfen, ob die Investitionszusagen im Rahmen des Vectoring-II-Antrags angesichts dieser Umstände überhaupt noch sinnvoll sind.
Konkurrenten beklagen eine Re-Monopolisierung
„Kein fairer Kompromiss.“ VATM-Geschäftsführer Grützner
Noch kritischer bewerten die Konkurrenten die Entscheidung der Bundesnetzagentur – allerdings mit einer anderen Perspektive. Der aktuelle Entwurf sei „kein fairer Kompromiss“, erklärt erklärt Jürgen Grützner, Geschäftsführer vom Provider-Verband VATM. Demnach soll die Telekom „mit der Entscheidung grundsätzlich die Möglichkeit erhalten, Vectoring im Nahbereich im Monopol einzusetzen“. Das für den Wettbewerb zentrale Recht auf Entbündelung werde erstmals zugunsten einer Investitionszusage aufgegeben, obwohl sich der Bonner Konzern „weder rechtsverbindlich zu einem Ausbau von 50 Mbit/s noch zu einem auch nur annähernd flächendeckenden Ausbau bis 2018 verpflichtet hat“.
Ein weiteres Problem: „Allein der heutige Tag und die Mehrheit der heute mit VDSL ausgebauten Kabelverzweiger (KVz) [soll] ausschlaggebend sein für die Frage, wer bis 2018 den Nahbereich mit Vectoring-Technologie erschließen darf“, so Grützner. Bereits geplante Investitionen der Wettbewerber würden dadurch aber nicht mehr berücksichtigt, während das „Technologiemonopol der Telekom sehr weitgehend“ geschützt werde.
Ähnlich äußert sich auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der den Entscheidungsentwurf der Bundesnetzagentur als Rückschlag für den Glasfaserausbau einstuft. „Werden jetzt vor allem kurzfristig günstigere, kupferbasierte Übergangslösungen gefördert, wird schon in wenigen Jahren ein weiterer, kostspieliger Netzausbau notwendig und Deutschland in der Zwischenzeit im internationalen Vergleich abgehängt“, so Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. Zumal sich ein flächendeckender Glasfaserausbau ohne Einbezug der Nahbereiche nicht rechnen würde.
Kritisiert wird zudem die geplante Einführung eines virtuellen Vorleistungsproduktes. „Auf diese Weise werden die deutschen Wettbewerber immer mehr zu infrastrukturlosen Vorleistungsempfängern, die vom Ex-Monopolisten verdrängt werden“, erklärt Albers. Doch die Monopole würden langfristig zu höheren Preisen und schlechterer Qualität führen.
Noch keine finale Entscheidung
Noch handelt es sich bei dem Kompromiss der Bundesnetzagentur aber um keine finale Entscheidung. Interessierte Parteien haben bis zum 18. Januar 2016 Gelegenheit, schriftlich Stellung zu nehmen. Am 10. Dezember 2015 findet zudem eine öffentliche mündliche Anhörung vor der zuständigen Beschlusskammer statt.