Nexus 6P im Test: Google und Huawei auf doppeltem Höhenflug
2/5Performance
Im Nexus 6P verbaut Huawei nach längerer Abstinenz wieder ein aktuelles Qualcomm-SoC. Für die eigenen Flaggschiffe setzt Huawei auf die selbst entwickelten Kirin-SoCs mit ARM-Kernen und Mali-GPUs. Mangels Verfügbarkeit neuerer High-End-SoCs ist auch im Nexus 6P der Snapdragon 810 ohne eigenes CPU-Design von Qualcomm verbaut – das gibt es erst beim Snapdron 820. Stattdessen kommen vier Cortex-A57- und vier Cortex-A53-Kerne von ARM zum Einsatz, die sich in big.LITTLE-Anordnung in jeweils ein Quartett für fordernde und weniger fordernde Aufgaben aufteilen, was die Leistung erhöhen und je nach Szenario den Energieverbrauch reduzieren soll.
Nexus 6P | Nexus 5X | |
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SoC | Snapdragon 810 | Snapdragon 808 |
Fertigung | 20 Nanometer | |
CPU | 4 × Cortex-A57 + 4 × Cortex-A53 bis zu 2,0 GHz + bis zu 1,6 GHz |
2 × Cortex-A57 + 4 × Cortex-A53 bis zu 1,8 GHz + bis zu 1,5 GHz |
GPU | Adreno 430 | Adreno 418 |
Speicher | LPDDR4 Dual-Channel 64-Bit 1.600 MHz (25,6 GB/s) |
LPDDR3 Dual-Channel 32-Bit 933 MHz (14,9 GB/s) |
Die schnelleren Cortex-A57 dürfen im Nexus 6P mit bis zu 2,0 Gigahertz takten. Damit liegt das Nexus 6P auf einem Niveau mit den HTC One M9, LG G Flex 2, Microsoft Lumia 950 XL oder Sony Xperia Z5. Die vier sparsamen Cortex-A53 werden hingegen mit maximal 1,6 GHz betrieben. Im Grafiksektor ist die bekannte Adreno 430 verbaut, die sich abgesehen von der PowerVR GT7600 aus dem iPhone 6s (Plus) mit der ARM Mali‑T760 aus dem Galaxy S6 und dessen Schwestermodellen messen kann. In den Benchmarks schneidet das SoC allgemeint gut bis sehr gut ab. Nur zwei SoCs muss sich der Snapdragon 810 geschlagen geben: Dem Samsung Exynos 7420 und dem Apple A9, das in einer vollständig eigenen Liga ohne jegliche Konkurrenz spielt.
Von der in den Benchmarks anliegenden Leistung kommt auch im Alltag sehr viel an. Durch Android-Menüs und Apps fliegt das Nexus 6P geradezu, kaum ein anderes Android-Smartphone agiert derzeit schneller. Vergleichbar flink sind höchstens noch die aktuellen Galaxy S6 von Samsung. Dank drei Gigabyte LPDDR4-Speicher kommt das Nexus 6P auch gut bei intensivem Multitasking zurecht. So wie es auf dem Nexus 6P vorliegt, wirft Android erst spät Programme aus dem Speicher, sodass diese beim Aufruf über die App-Übersicht nur selten neu geladen werden müssen.
Auch in Spielen ist die Leistung durchweg hoch. Auf dem Nexus 6P wurden unter anderem GTA: San Andreas und Vice City gespielt, daneben auch weniger fordernde Titel wie Rayman, Pflanzen gegen Zombies oder Granny Smith. Wer lange intensiv mit dem Smartphone spielt, merkt, wie sich die Rückseite langsam aber stetig aufheizt. Einen unangenehmen Bereich erreicht die Temperatur aber zu keiner Zeit beim Spielen. Werden nach einer längeren Spiele-Session erneut Benchmarks auf dem Nexus 6P durchgeführt, muss mit niedrigeren Werten gerechnet werden. Dieses Verhalten der Takt-Drosselung des Snapdragon 810 ist bereits von anderen Geräten bekannt und findet auch bei weiteren SoCs statt. Im Test hat diese Vorgehensweise aber nicht die gefühlte Leistung des Smartphones eingebremst.
Betriebssystem
Auf dem Nexus 6P ist in puncto Funktionsumfang fast das gleiche Betriebssystem wie auf dem Nexus 5X installiert. Nur im Bereich Kamera hat das Nexus 6P noch zwei Funktionen mehr zu bieten, auf die im Folgeabschnitt eingegangen wird.
Davon abgesehen ist Android 6.0 Marshmallow in seiner puren Form auf dem Nexus 6P installiert, was die Grundlage für schnelle Updates direkt von Google ist. Das war, ist und bleibt einer der größten Vorteile beim Kauf eines Nexus-Smartphones.
Vom neuen Android profitieren insbesondere Nutzer, die sich ein neues Management der App-Rechte gewünscht haben. Mit Android 6.0 holen Apps ihre Rechte nicht schon während der Installation alle auf einen Schlag ein, sondern erst stufenweise danach, wenn die jeweilige Funktion auch tatsächlich genutzt wird. Soll über die Facebook-App zum Beispiel ein Bild in einen Beitrag eingebungen werden, fragt die App, ob sie auf die Galerie oder die Kamera zugreifen darf. In Google Maps wiederum bekommt der Nutzer die Frage gestellt, ob er seine Postion gegenüber der App preisgeben will.
Wer einmal ein Recht falsch vergeben hat, kann jederzeit über die Einstellungen wieder zurückrudern. Android 6.0 unterscheidet bei den Rechten nach Apps und Funktionen. Das bedeutet: Zum einen ist in der Liste der installierten Apps einsehbar, auf welche Funktionen des Smartphones diese jeweils zugreifen, also Kamera, Mikrofon oder Standort. Die Rechte können aber auch aus der anderen Richtung angegangen werden, sodass über Menüs für die Funktionen Kamera, Kontakte, Standort und ähnliche aufgelistet wird, welche App die jeweilige Funktion nutzen darf.
Zu den Veränderungen unter der Haube des Betriebssystems zählen auch tiefergehende Einstellungsoptionen für versierte Nutzer. Den sogenannten SystemUI-Tuner hat Google aus den frühen Marshmallow-Versionen für Entwickler mit in die finale Version für Endkunden genommen. Über den zusätzlichen Menüpunkt in den Einstellungen lässt sich zum Beispiel Einfluss auf Menge und Anordnung der Schnelleinstellungen nehmen.
Auch hier gilt: Wer sich einmal vertan hat, kann per Tastendruck alles wieder auf die Werkseinstellungen zurücksetzen. Über den SystemUI-Tuner lassen sich zudem Symbole in der Statusleiste ausblenden oder der Batterie eine Anzeige in Prozent hinzufügen. Für Entwickler ist ein neuer Demo-Modus interessant, der die Symbole immer gleich darstellt, damit Screenshots und Videos unverändert aufgenommen werden können. Wer den SystemUI-Tuner aktivieren möchte, muss dafür lediglich das Zahnrad-Symbol beim Öffnen der Statusleiste für mehrere Sekunden halten.
Optisch hat sich mit Android 6.0 kaum etwas gegenüber Android 5.0 Lollipop verändert. Das im letzten Jahr vorgestellte Betriebssystem brachte mit Material Design bereits eine der größten Veränderungen aller Zeiten für Android mit. Für Android 6.0 hat Google unter anderem den App-Drawer verändert, der nicht mehr seitenweise, sondern von oben nach unten bedient wird. Das spart Zeit, weil mit einer Wischgeste alle Programme erreicht werden können. In der ersten Zeile des App-Drawers erscheinen automatisch die häufig und zu bestimmten Zeiten des Tages genutzten Anwendungen.
Eine spannende Entwicklung in Android 6.0 ist auch Google Now on Tap, mit der Google seine proaktive Suche effektiv von einer App auf das gesamte Betriebssystem ausweitet. Bei Now on Tap muss der Home-Button für einen kurzen Moment länger gehalten werden, damit das Smartphone einen Scan des aktuellen Bildschirminhalts durchführt und im besten Fall relevante Suchergebnisse anzeigt. In der einfachsten Version der Ergebnisse liefert Now on Tap weitere Informationen zum Inhalt, zum Beispiel beim Lesen eines Artikels über Links zur Google-Suche, Facebook oder Google+. Die Fähigkeiten von Now on Tap gehen aber noch deutlich weiter. Wird sich in einer Textkonversation beispielsweise über ein Restaurant unterhalten, kann Now on Tap die Adresse raussuchen, Bewertungen einblenden und auch Plätze reservieren. Bei einem Film erscheint ein Link zum Trailer auf YouTube oder die Option des Kartenkaufs über US-Portale wie Fandango.
Daran zeigt sich aber auch, für wen Now on Tap aktuell ausgelegt ist: Nutzer aus den USA. Hierzulande kann Now on Tap erst dann genutzt werden, wenn die Systemsprache des Smartphones von Deutsch auf Englisch gestellt wird. Damit fällt eine der wichtigesten Neuerungen in Android 6.0 vorerst noch unter den Tisch.