Deutsche Telekom: Hauen und Stechen im Vectoring-Streit

Andreas Frischholz
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Deutsche Telekom: Hauen und Stechen im Vectoring-Streit
Bild: Deutsche Telekom

Wie verhärtet die Fronten im Streit um den Vectoring-II-Antrag der Deutschen Telekom sind, verdeutlichte in dieser Woche die öffentliche Anhörung über den umstrittenen Kompromissvorschlag der Bundesnetzagentur. Erneut lieferte sich der Bonner Konzern ein munteres Hauen und Stechen mit den konkurrierenden Netzbetreibern.

Vectoring und der Breitbandausbau auf dem Land

Die Ausgangslage ist bekannt: Die Telekom will den Nahbereich um die knapp 8.000 Hauptverteiler mit der Vectoring-Technologie erschließen, um rund sechs Millionen Haushalten eine Anschlussgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s bieten zu können. Als Gegenleistung für die zugesicherten Investitionen in Milliarden-Höhe bis 2018 fordert der Konzern allerdings ein exklusives Ausbaurecht. Selbst wenn das Ausbaumonopol in dem Kompromissvorschlag der Bundesnetzagentur entschärft wurde und die Telekom zudem verpflichtet wird, zumindest bei den Kabelverzweigern (KVz) ein virtuell-entbündeltes Vorleistungsprodukt (VULA) anzubieten: Für die alternativen Netzbetreiber sind diese Zugeständnisse bestenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein, der nichts an den Kernproblemen ändert.

Denn die Kritik beschränkt sich nicht nur auf Details, sondern fällt grundsätzlich aus. Einer der Vorwürfe lautet etwa, dass tatsächlich nur rund 1,4 Millionen Haushalte von dem Vectoring-II-Ausbau profitieren – diese können bislang noch keine Anschlüsse mit Geschwindigkeiten von bis zu 50 Mbit/s buchen. Und davon entfallen 400.000 auf ländliche Gebiete. Doch ein flächendeckender Ausbau werde auf diese Weise nicht gewährleistet, kritisiert daher der alternative Provider-Verband VATM. „Die Folge: Es bleiben Mikro-Inselchen übrig, für die es gar keinen Anbieter gibt“, so VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner laut dem Bericht von Heise Online.

Bereits im Vorfeld der Anhörung haben die Verbände der alternativen Netzbetreiber in einem offenen Brief vor dieser Art des „Rosinenpickens“ gewarnt. Das Problem, das infolge dieser Ausbaustrategie entsteht: Der ländliche Raum werde noch weiter in rentable und unrentable Gebiete zerstückelt. Dabei sind es gerade die entlegenen Winkel, die die Kosten für den Breitbandausbau nach oben treiben, wie bereits die Studie vom TÜV-Rheinland aus dem Jahr 2013 belegt hat. Für die Telekom sei das zwar effizient, da bei geringen Investitionskosten ein Zugriff auf eine hohe Zahl an potentiellen Kunden ermöglicht wird. Doch den mittlerweile zahlreichen kommunalen Ausbauprojekten, die zum Teil auch auf Glasfaser setzen, werde damit die wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Typisch für den Streit ist allerdings auch, dass die Telekom diesem Standpunkt praktisch vollständig widerspricht. Die Bundesnetzagentur habe festgestellt, dass gerade ländliche Regionen überproportional von dem Vectoring-Ausbau profitieren würden, sagte Telekom-Sprecher Philipp Blank auf Anfrage von Golem.

Re-Monopolisierung als drohendes Menetekel

Abgesehen von den Ausbauproblemen auf dem Land bleibt allerdings der Kernkritikpunkt, dass die Telekom den Nahbereich um die Hauptverteiler exklusiv ausbauen will. Mit so einer Lösung drohe aber eine erneute Re-Monopolisierung, die die ohnehin schon bestehende Marktmacht der Telekom festigen würde und Konkurrenten aus dem Wettbewerb verdränge. Wenn die Bundesnetzagentur also den Vectoring-Ausbau vorantreiben will, müsse eine offene Regelung geschaffen werden. „Wenn Vectoring für den Nahbereich zugelassen werden soll, bedarf es einer Regelung, die alternativen Netzbetreibern einen gleichberechtigten Zugang überall eröffnet“, heißt es etwa in dem offenen Brief der Provider-Verbände.

Unterstützt wird diese Forderung von der Monopolkommission der Bundesregierung, die in der letzten Woche ein entsprechendes Sondergutachten vorgelegt hatte. Demnach müsse es allen ausbauwilligen Unternehmen ermöglicht werden, den Nahbereich um die Hauptverteiler zu nutzen. Doch im aktuellen Vorschlag der Bundesnetzagentur wären die Hürden noch zu hoch angesetzt. „Zu befürchten ist, dass es der Bundesnetzagentur – anders als bei der ersten Vectoring-Entscheidung von 2013 – nicht gelingt, das Technologiemonopol der Deutschen Telekom auf der sogenannten letzten Meile im Nahbereich der Hauptverteiler zu verhindern“, erklärt Daniel Zimmer, der Vorsitzende der Monopolkommission.

Das Dilemma der Bundesnetzagentur

In der Praxis steht die Bundesnetzagentur allerdings vor einem Dilemma: Denn der Kompromissvorschlag sieht vor, dass auch alternative Netzbetreiber den Nahbereich um einen Hauptverteiler exklusiv ausbauen dürfen, wenn diese in dem entsprechenden Gebiet bereits mehr Vectoring-Anschlüsse als die Telekom geschaltet haben und zudem eine Ausbauverpflichtung abgeben wollen. Entsprechende – mehr oder weniger präzise – Angebote sind bereits bei der Regulierungsbehörde eingegangen.

Das Problem ist nun, dass die Telekom der einzige Anbieter ist, der einen bundesweiten Ausbau verspricht. Doch dieses Angebot ist an die Zusage verknüpft, möglichst alle Hauptverteiler auszubauen. Das begründet der Bonner Konzern mit einer Misch-Kalkulation, indem rentable mit unrentablen Gebieten verrechnet werden. Sollten sich nun aber zu viele konkurrierende Anbieter einen der lukrativen Hauptverteiler sichern, lohnt sich der Vectoring-II-Antrag nicht mehr. Wenn die Telekom dann aber das Angebot zurückzieht, wäre letztlich die komplette Investitionszusage hinfällig.

Damit steht die Bundesnetzagentur nun also vor der Herausforderung, die unterschiedlichen Interessen irgendwie unter einen Hut zu bringen. Angesichts der verhärteten Fronten ist diese Aufgabe allerdings nicht so einfach, weswegen die öffentliche Anhörung am Montag sogar in die zweite Runde geht, da nicht alle Punkte abgearbeitet werden konnten.

Allzu viel Zeit darf sich die Regulierungsbehörde jedoch nicht lassen. Denn die Telekom würde erst drei Monate nach der amtlichen Veröffentlichung der Entscheidung mit dem Ausbau beginnen. Wenn die Bundesnetzagentur nun also zu lange wartet, wird es eng, das anvisierte Ausbauziel im Jahr 2018 einzuhalten. „Wir wollen so schnell wie möglich eine Entscheidung finden und nicht die Fristen bis Mitte kommenden Jahres ausschöpfen“, erklärt dementsprechend der Vorsitzende der zuständigen Beschlusskammer 3 auf Anfrage von Heise Online.