EU-Datenschutzreform: EU schafft eine Spielwiese für Juristen
Der Kompromiss bei der Datenschutzreform, auf den sich die EU gestern verständigt hat, sorgt für gemischte Reaktionen. Während Verbraucherschützer die strikteren Vorgaben als Fortschritt bewerten, sind es vor allem die Wirtschaftsverbände, die sich skeptisch äußern. Das letzte Wort werden aber wohl Juristen haben.
Zufrieden zeigt sich dementsprechend der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), da die Nutzer künftig mehr Kontrolle über ihre persönlichen Daten erhalten sollen. „Wir begrüßen, dass mit ihr der Datenschutz modernisiert und seine Grundprinzipien, wie die Zweckbindung und die Einwilligung gestärkt werden“, erklärt vzbv-Vorstand Klaus Müller. Als weiteren Pluspunkt stufen die Verbraucherschützer zudem das „Marktort“-Prinzip ein. Dieses besagt: Die neuen Vorschriften gelten für alle Unternehmen, die in Europa einen Internetdienst anbieten – also auch Branchengrößen wie Google, Facebook und Microsoft. Auf diese Weise werden die Rechte der Nutzer gestärkt und ein fairer Wettbewerb gewährleistet, so Müller.
Bei der Einschätzung des Marktort-Prinzips gehen auch noch die Wirtschaftsverbände mit. So erklärt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer vom IT-Branchenverband Bitkom: „Davon profitieren auch die Unternehmen, weil sie beim Datenschutz künftig einheitliche Marktbedingungen vorfinden.“ Grundsätzlich werden die neuen Vorschriften jedoch kritisch bewertet. Aufgrund der zahlreichen Melde- und Genehmigungspflichten, die etwa mit der Einwilligung für die Verarbeitung von persönlichen Daten einhergehen, drohe ein hoher bürokratischer Aufwand.
Dieser könne unter anderem Start-ups schaden, wenn es um die Entwicklung von neuen Internetdiensten geht. „Die Verordnung wird zum Beispiel zu Rechtsunsicherheit führen, wenn es um die Zulässigkeit neuer digitaler Geschäftsmodelle geht“, so Rohleder.
Reform schafft eine Spielwiese für Juristen
Rechtsunsicherheit ist dabei das passende Stichwort. Denn bei der Reform handelt es sich um ein riesiges Gesetzespaket mit zahlreichen Detailregelungen. Laut dem IT-Anwalt Niko Härting sei derzeit etwa noch nicht klar, wann genau ein Nutzer eine „wirksame Einwilligung“ abgegeben habe, damit ein Internetdienst die persönlichen Daten verarbeiten kann. Über solche Punkte müssen dann letztlich die Gerichte entscheiden. „Das ist ein Paradies für uns Juristen, weil wir ganz viele neue Fragen haben, über die wir uns dann heftig mit den Datenschutzbehörden, untereinander und vor Gericht streiten werden“, so Härting im Interview mit Zeit Online.
In eine ähnliche Kerbe schlägt der für die „Facebook-v-Europe“-Initiative verantwortliche Datenschutzaktivist Max Schremms. Seiner Ansicht nach werden letztlich die Gerichte entscheiden, wie die Reform in der Praxis nun tatsächlich ausgelegt wird. Denn: „Das Problem ist, es sind 10.000 Detailregelungen da drinnen“, so Schremms laut Der Standard. Dass diese Detailregelungen es in den finalen Kompromiss geschafft haben, liege auch an dem Lobby-Einfluss von Wirtschaftsverbänden und Branchengrößen. Auf diese Weise wären zahlreiche Passagen durch vage Formulierungen und Ausnahmeregelungen verwässert worden.