Hacker-Kongress 32C3: BND will Aufklärung in rechtlichen Grauzonen versenken

Andreas Frischholz
26 Kommentare
Hacker-Kongress 32C3: BND will Aufklärung in rechtlichen Grauzonen versenken
Bild: Carsten | CC BY 2.0

In einer der ersten Vortragsrunden des 32C3-Kongresses vom Chaos Computer Club stand eines der Themen auf der Agenda, das seit geraumer Zeit die Hacker-Szene bewegt: Der NSA-Ausschuss im Bundestag. Netzpolitik.org-Autorin Anna Biselli blickt auf die Erkenntnisse aus 2015 zurück und gibt einen Ausblick auf das kommende Jahr.

Mühselige Detailarbeit der Aufklärer

Grundsätzlich gilt nach wie vor: Bei der Aufklärung im NSA-Ausschuss handelt es sich um eine mühselige Detailarbeit, die die Abgeordneten und ihre Mitarbeiterstäbe leisten müssen. Denn auf der einen Seite werden diese mit Informationen regelrecht erschlagen. So mussten diese im Laufe der Zeit mehrere Tausend Ordner mit einem Papierberg auswerten, der mittlerweile mehr als eine Million Blätter umfasst. Doch die entscheidenden Informationen sind oftmals geschwärzt oder müssen separat in Geheimschutzräumen eingesehen werden – und können dementsprechend auch nur hinter verschlossenen Türen, nicht aber in den öffentlichen Sitzungen behandelt werden.

Ein weiteres Problem ist: Ob der BND und das Kanzleramt tatsächlich alle relevanten Dokumente und Informationen übermittelt haben, können die Abgeordneten nicht prüfen. An dieser Stelle wäre also Vertrauen nötig, doch die Zeugenbefragungen bieten in unschöner Regelmäßigkeit einen Anlass für Zweifel. So passen etwa die Wachhunde aus dem Kanzleramt stets auf, dass kein Wort zu viel gesagt wird. Und die Zeugen leiden oftmals unter einem erstaunlichen Gedächtnisverlust, um Antworten zu verweigern oder Fragen aus dem Weg zu gehen. Auf Beobachter wirken die Erinnerungslücken bisweilen so umfassend, sodass man sich fragt, „was die die ganze Zeit machen“, so Biselli.

Daher ist der Verdacht naheliegend, dass sowohl BND als auch Kanzleramt eigene Fehler vertuschen wollen. Allerdings: „Angst vor Peinlichkeit ist kein Grund für Geheimhaltung.

Dass Kanzleramt und BND so bockig sind, hängt nach Ansicht von Biselli allerdings auch mit der Furcht vor Konsequenzen zusammen. Denn die deutschen Geheimdienst-Verantwortlichen gehen davon aus, dass die deutschen Dienste abhängig sind von den amerikanischen Partnerdiensten. „Die Amerikaner sind der Elefant, wir sind das Pony“, so der ehemalige BND-Präsident August Hanning im NSA-Ausschuss. Inwieweit die ausländischen Dienste tatsächlich Druck ausüben, ist zwar umstritten. Doch solange die Bundesregierung so viel Wert auf die Geheimhaltung legt, erschwert das die Aufklärungsarbeit ungemein.

Eckpunkte der Aufklärungsarbeit: Überwachung, Recht und Drohnen-Krieg

Trotz all der Schwierigkeiten ist es den Abgeordneten dennoch gelungen, ein wenig Licht ins Dunkel der Geheimdienstarbeit zu bringen. Zu den zentralen Themen im Jahr 2015 zählen dabei:

  • Operation Eikonal: NSA erhielt zwischen 2004 und 2008 einen Zugriff auf den internationalen Datenverkehr vom Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt. Im Gegenzug hat der BND Equipment erhalten. Einer der Streitpunkte ist nun, ob der BND rechtswidrig gehandelt hat, weil nicht sämtliche Erkenntnisse über deutsche Bürger aus den Rohmassendaten herausgefiltert wurden. Für Ärger sorgt zudem, dass die G10-Kommission als Kontrollinstanz keine ausreichenden Erkenntnisse über Eikonal hatte.
  • Bad Aibling: Im März kam heraus, dass die NSA zahlreiche Selektoren (also Suchbegriffe wie Telefonnummern und IP-Adressen) an den BND übermittelt hatte, die sowohl auf Politiker als auch Firmen in Deutschland und Europa abzielten – also per se rechtswidrig sind. Dennoch wurden diese vom BND in die eigenen Überwachungssysteme eingespeist. Als alleiniger Sündenbock taugt die NSA dabei aber nicht. Denn der BND hatte die Selektoren lange Zeit mehr schlecht als recht geprüft. Zudem kam noch heraus, dass der deutsche Geheimdienst auch eigenständig Selektoren geschaltet hatte, die Partnerstaaten betrafen. Manche Spionage-Aktivitäten zielten etwa auf das französische Außenministerium.
  • Rechtliche Grauzonen: Mit der Weltraum-Theorie, dem virtuellen Ausland und der Funktionsträgertheorie hat der BND zahlreiche juristische Konstrukte erschaffen, um Überwachungs- und Spionageaktivitäten zu legitimieren. Wie fragwürdig diese sind, zeigt etwa die Funktionsträgertheorie. Diese ermöglicht dem BND, auch deutsche Bürger im Ausland abzuhören, sofern diese im Auftrag einer Firma oder Institution arbeiten – der Grundrechtschutz greife dann nicht. In der Praxis heißt das: Der BND könnte auch den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger legal überwachen.
  • Geheimer Krieg: Im Kern geht es um die Frage, inwieweit Deutschland in den Drohnenkrieg des US-Militärs involviert hat. Deutsche Beteiligung ist wichtig, weil der Standort in Ramstein als Relais-Station funktioniert, sodass sämtliche Signale über Deutschland laufen. Deutsche Dienste übermitteln zudem Meta- und Geodaten an die US-Militärs, die vermutlich auch genutzt werden, um Ziele für Drohnen zu finden. Und um Informationen zu erhalten, sollen Mitarbeiter der US-Dienste auch Flüchtlinge und Asylbewerber befragt haben – unter rechtlich äußerst fragwürdigen Umständen.

Ausblick

Wie es nun im kommenden Jahr weitergeht, hängt auch von den kommenden Zeugen ab. Neben Innenminister Thomas de Maizière und Ex-Außenminister Joschka Fischer wird auch Kanzlerin Angela Merkel im NSA-Ausschuss erwartet. Darüber hinaus laufen auch noch Gerichtsverfahren ab. Denn sowohl der NSA-Ausschuss als auch die G10-Kommission klagen, weil diese einen direkten Einblick in die Selektoren-Liste erhalten wollen. Nur auf diese Weise lasse sich tatsächlich ermitteln, auf welche Ziele es die NSA und der BND abgesehen hatten.

Eigentlich sollte diese Aufgabe der Sonderermittler Kurt Graulich übernehmen, den die Bundesregierung als eine Art Kompromiss eingesetzt hatte. Der Abschlussbericht fiel für Beobachter und die Opposition im NSA-Ausschuss allerdings enttäuschend aus. „Was dabei rauskommt, war genau das, was wir erwartet haben: Nämlich nichts“, sagte Biselli.

Langfristig müsse die Aufklärungsarbeit aber zu Resultaten führen. Sollte es keine konkreten Konsequenzen geben, drohe der ganze Ausschuss zu einem reinen Theater zu verkommen. Daher wären laut Biselli auch Reformen nötig, die nicht – wie in der Vergangenheit – einfach nur die Überwachungsaktivitäten des BND nachträglich legitimieren.