Snapdragon 820 Benchmarks: Mit Kryo-CPU und Adreno 530 wieder auf dem richtigen Kurs
Snapdragon 820
Für den Snapdragon 810 musste Qualcomm viel Kritik einstecken: Zu heiß, nicht schnell genug und allgemein nicht ausgereift sei das SoC gewesen. Mit dem Snapdragon 820 inklusive der neuen Kryo-CPU und der Adreno-530-GPU will Qualcomm an alte Erfolge anknüpfen. ComputerBase hat eine Handvoll Benchmarks auf dem SoC durchgeführt.
MDP/S statt finales Endgerät
In einem finalen Endgerät von einem der bekannten Smartphone-Hersteller ist der Snapdragon 820 noch nicht verbaut. Erst zum MWC im Frühjahr 2016 ist damit zu rechnen. Qualcomm bietet für Benchmarks eine Mobile Development Platform in der Variante „S“ (Smartphone) an, die sich eigentlich an Entwickler richtet. Bei der MDP/S handelt es sich um ein übergroßes Phablet mit Snapdragon 820, 3 Gigabyte LPDDR4-Speicher, 6,2 Zoll großem Display, 2.560 × 1.600 Bildpunkten und 64 Gigabyte UFS-Speicher. Über eine Mobilfunkanbindung verfügen die Geräte nicht, auch in puncto Abmessungen ist die MDP/S weit entfernt von dünnen Seriengeräten. Als Betriebssystem nutzt die MDP/S ein unverändertes Android 6.0 Marshmallow.
Herzstück der MDP/S ist das neue Flaggschiff-SoC Snapdragon 820. Es ist der Nachfolger des Snapdragon 810 und setzt mit der Kryo wieder auf eine selbst entwickelte CPU, nachdem im Snapdragon 810 zwei Cluster aus Cortex-A57 und Cortex-A53 von ARM verbaut wurden. Es wird vermutet, dass der Snapdragon 810 lediglich eine Zwischenlösung für Qualcomm war, um möglichst schnell auf den von Apple mit dem A7 losgelösten 64-Bit-Zug aufzuspringen. Qualcomm soll zu dieser Zeit mitten in der Entwicklung des nächsten 32-Bit-SoCs mit Taipan-CPU gesteckt haben. Eine hauseigene 64-Bit-Lösung soll Qualcomm zu dieser nicht gehabt haben, sodass mit dem Snapdragon 810 auf Basis von zwei Cortex-Clustern eine Zwischenlösung kreiert werden musste. Für den Snapdragon 800, 801 und 805 konnte Qualcomm noch die selbst entwickelte Krait-400- und Krait-450-CPU nutzen, eine 64-Bit-Lösung hatte das Unternehmen aber noch nicht parat. Ob es sich wirklich so zugetragen hat, beantwortet Qualcomm selbst heute nicht, vieles spricht aber dafür.
Snapdragon 820 mit 2 × 2 Kryo-Kernen
Mit dem Snapdragon 820 ist die Zeit der Zwischenlösungen vorbei, mit der Kryo ist wieder eine eigene CPU verbaut, die der ARMv8-Befehlssatzarchitektur (ISA) entspricht. Vorbei ist auch die Zeit von acht verbauten CPU-Kernen, wenngleich weiterhin wie beim Cortex-A57 und Cortex-A53 zwei Cluster zum Einsatz kommen. Einen offiziellen Namen für den neuen Aufbau mit 2 × 2 Kernen gibt es nicht, das Prinzip ähnelt aber ARMs big.LITTLE-Aufbau, bei dem ein CPU-Cluster für Leistung fordernde Anwendungen genutzt wird und ein anderes energiesparend arbeiten soll. Gefertigt wird der Snapdragon 820 in der zweiten Stufe (LPP) der 14-nm-FinFET-Fertigung von Samsung.
Snapdragon 820 | Snapdragon 810 | Snapdragon 805 | Apple A9 | Samsung Exynos 7420 | |
---|---|---|---|---|---|
CPU | 2 × Kryo bis zu 2,15 GHz & 2 × Kryo bis zu 1,59 GHz |
4 × Cortex-A57 bis zu 2,00 GHz & 4 × Cortex-A53 bis zu 1,55 GHz |
4 × Krait 450 bis zu 2,70 GHz |
2 × Twister bis zu 1,85 GHz |
4 × Cortex-A57 bis zu 2,10 GHz & 4 × Cortex-A53 bis zu 1,50 GHz |
Speicher | 2 × 32-Bit LPDDR4 @ 1.866 MHz |
2 × 32-Bit LPDDR4 @ 1.555 MHz |
4 × 32-Bit LPDDR3 @ 800 MHz |
1 × 64-Bit LPDDR4 @ 1.600 MHz |
2 × 32-Bit LPDDR4 @ 1.555 MHz |
GPU | Adreno 530 bis zu 624 MHz |
Adreno 430 bis zu 600 MHz |
Adreno 420 bis zu 600 MHz |
PowerVR GT7600 bis zu 450 MHz |
Mali-T760 MP8 bis zu 772 MHz |
Fertigung | 14 nm LPP | 20 nm HPm | 28 nm HPm | 14/16 nm | 14 nm LPE |
Die CPU des Snapdragon 820 teilt sich in zwei Cluster aus jeweils zwei Kernen auf. Anders als noch bei der Krait-Architektur mit vier gleichen Kernen kann Qualcomm nicht mehr jeden Kern mit unterschiedlichem Takt betreiben. Je Cluster im Snapdragon 820 kann ein unterschiedlicher Takt anliegen, innerhalb dieses Clusters laufen beide Kerne aber stets mit dem gleichen Takt. Eine Ausnahme bildet die Deaktivierung einer der Kerne im Cluster: Qualcomm kann innerhalb eines Clusters einen Kern gar nicht nutzen und den zweiten frei takten. Sobald der zuvor deaktivierte Kern aber wieder eingesetzt wird, takten die Kerne im selben Cluster wieder synchron. Laut Qualcomm habe sich diese Methode als am effizientesten und sinnvollsten für den Snapdragon 820 ergeben.
Bis zu 2,15 GHz und 1,59 GHz
Das für Leistung fordernde Apps ausgelegte Kryo-Paar taktet in der MDP/S mit maximal 2,15 GHz, welchen Maximaltakt ein OEM aber letztendlich in seinem Endgerät nutzt, ist ihm überlassen und hängt auch von den thermischen Eigenschaften des Gerätes ab. Im Idle-Modus taktet die CPU auf bis zu 300 MHz herunter. Das energiesparende Cluster taktet in der MDP/S auf bis zu 1,59 GHz, minimal sind es auch hier 300 MHz.
Das 2 × 32-Bit breite Speicherinterface kann laut Qualcomm maximal LPDDR4-1.866-Speicher nutzen. Der Speicherdurchsatz liegt so theoretisch bei maximal 29,856 GB/s. Welcher Speicher allerdings genau in der MDP/S von Qualcomm steckt, konnte vor Ort nicht abschließend geklärt werden. Vermutlich handelt es sich um LPDDR4-1.800, sodass das Speicherinterface mit 28,8 GB/s nicht vollständig ausgenutzt wird.
Adreno 530 mit 40 Prozent mehr Leistung
Obwohl im Snapdragon 810 mit den zwei CPU-Clustern aus Cortex-A57 und Cortex-A53 keine eigene Lösung steckt, nutzt das SoC mit der Adreno 430 immerhin eine eigene GPU. In puncto GPU herrscht bei Qualcomm seit jeher Verschwiegenheit zum Aufbau, Die-Shots, die wie bei den Apple-SoCs mehr preisgeben würden, gibt es nicht. Auslesen lässt sich lediglich, dass die neue Adreno 530 mit bis zu 624 MHz taktet. Gegenüber der bis zu 600 MHz schnellen Adreno 430 aus dem Snapdragon 810 verspricht Qualcomm eine 40 Prozent höhere Leistung bei 40 Prozent weniger Energieverbrauch.
Im GFXBench „Manhattan“, der OpenGL ES 3.0 nutzt, setzt sich der Snapdragon 820 mit durchschnittlich 45 Bildern pro Sekunde 73 Prozent vor die schnellste Implementierung des Snapdragon 810 im Sony Xperia Z5 und Google Nexus 6P. Der Benchmark wird im sogenannten Offscreen-Verfahren durchgeführt, das unabhängig von der Display-Auflösung immer mit 1.920 × 1.080 rendert. Im älteren T-Rex-Benchmark auf Basis von OpenGL ES 2.0 liegt der Abstand zum Snapdragon 810 bei 52 Prozent. Schneller sind in jedem Fall die Maxwell-GPU des Nvidia Tegra X1 aus dem Google Pixel C und die GPU des Apple A9X aus dem iPad Pro. Die Mali-T760 MP8 des Samsung Exynos 7420 schlägt der Snapdragon 820 um 73 und 44 Prozent.
Im 3DMark Ice Storm Unlimited wendet sich das Blatt ein wenig. Weil das Endergebnis sich aus Messungen in den Bereichen Grafik und Physik zusammensetzt, hält der Snapdragon 820 mit seinen nur noch vier CPU-Kernen zwar noch gut mit, aber setzt sich nicht durchweg vor den Snapdragon 810. Die acht Kerne des Snapdragon 810 sorgen für gute Ergebnisse in den Physik-Messungen, was das Endergebnis trotz schlechterer GPU-Werte nach oben treibt. Dass viele CPU-Kerne aber nicht unbedingt ausschlaggebend sind, zeigt Apple mit dem A9 und A9X. Zwei hochperformante CPU-Kerne und eine sehr schnelle GPU können ebenfalls für sehr gute Ergebnisse sorgen.
- GFXBench 3 1080p Manhattan Offscreen
- GFXBench 3 1080p T-Rex Offscreen
- 3DMark Ice Storm Unlimited
- Geekbench 3 – Total Single-Core
- Geekbench 3 – Total Multi-Core
- Geekbench 3 – Integer Single-Core
- Geekbench 3 – Integer Multi-Core
- Geekbench 3 – Floating Point Single-Core
- Geekbench 3 – Floating Point Multi-Core
- Geekbench 3 – Memory Single-Core
- Geekbench 3 – Memory Multi-Core
- Google Octane 2.0
- SunSpider 1.0.2
Beim Fokus auf CPU-intensive Benchmarks wie Geekbench zeigt sich, dass Qualcomm die Leistung deutlich hat steigern können. Für die Single-Core-Performance behauptet Apple mit dem A9 noch einen Vorsprung von 8 Prozent vor dem Snapdragon 820, das Tablet-SoC A9X arbeitet im Geekbench 39 Prozent schneller. Der Exynos 7420 wird allerdings um 57 Prozent überholt, der Snapdragon 810 gar um 71 Prozent. Werden alle Kerne gefordert, ist der Vorsprung zur Konkurrenz erneut weniger eklatant. Das Multi-Core-Endergebnis des Geekbench bescheinigt nur noch einen Vorsprung von 11 Prozent vor dem Snapdragon 810 und gar nur noch 2 Prozent vor dem Exynos 7420. Hier machen sich die zwei Vier-Kern-Cluster der älteren SoCs deutlich bemerkbar.
Browser mit und ohne Optimierungen
In den Browser-Benchmarks Octane 2.0 und Sunspider 1.0.2 muss zunächst klar zwischen den auf der MDP/S installierten Browsern unterschieden werden. Qualcomm installiert auf dem Gerät zum einen Chrome in der finalen Version 44 und zum anderen einen eigenen Browser auf AOSP-Basis. Chrome 44 fehlt es an jeglichen Optimierungen für den Snapdragon 820, Qualcomms eigener Browser ist hingegen für das neue SoC angepasst worden und schneidet deshalb besser ab. So geht zum Beispiel auch Samsung beim eigenen Browser auf dem Galaxy S6 vor, der stark auf den Exynos 7420 zugeschnitten wurde und deshalb eine sehr hohe Leistung bietet. Auch bei Apple findet eine starke Optimierung für die eigenen SoCs statt.
Die JavaScript-Performance des Snapdragon 820 bei Nutzung des Qualcomm-Browsers liegt im Octane 2.0 29 Prozent vor dem Snapdragon 810 und 21 Prozent vor dem Exynos 7420. Wird auf Chrome 44 gewechselt, sinkt das Messergebnis von 11.328 auf 9.919 Punkte, was immer noch für dieselbe Platzierung in der Rangliste reichen würde. In SunSpider 1.0.2 schließt der Snapdragon 820 zu den letztjährigen Apple-SoCs auf, der A9 aus dem iPhone 6s arbeitet aber rund 50 Prozent schneller. Im nicht optimierten Chrome 44 rutscht der Snapdragon 820 mit 613,1 Millisekunden ins Mittelfeld.
Leistung stimmt; was macht die Temperatur?
Die Leistung des Snapdragon 820 ist durch die Bank hoch, wie sieht es aber mit den alten Kritikpunkten Hitzeentwicklung und Throttling aus? Der Snapdragon 810 wurde vielfach kritisiert, weil er schnell hohe Temperaturen erreichte und daraufin den Takt und somit auch die Leistung reduzierte. Wie schnell der Snapdragon 820 warm wird und wie schnell er den Takt reduzieren muss, um das (nicht kommunizierte) Temperaturlimit zu halten, hängt von der Implementierung des OEMs ab: Welche Kühllösung kommt zum Einsatz? Wie ist das Gehäuse aufgebaut? Und welche anderen Komponenten liegen in direkter Nähe des SoCs? Bei der MDP/S stellen sich diese Fragen kaum. Das Gerät ist derart groß und dick, dass aus thermischer Sicht kaum Probleme auftreten können.
Dass es mit einer MDP/S aber durchaus auch mal heiß hergehen kann, zeigte das erste von ComputerBase getestete Modell. Weil es sich noch um Beta-Hardware und Software handelt, kam es des Öfteren zu Abstürzen oder Fehlverhalten der Geräte. Die erste MDP/S wollte zum Beispiel partout nicht in den Idle-Takt wechseln. Das führte zu einer Oberflächentemperatur von knapp 60 Grad Celsius und infolgedessen zu unerwartet schlechten Benchmark-Ergebnissen. Andere Testgeräte zeigten dieses Verhalten nicht. Dennoch: Mit einem Leistungsverlust von rund 25 Prozent sinkt die Leistung bei Überhitzung im Geekbench nur auf das Niveau des Snapdragon 810.
Nach dem Wechsel auf eine zweite MDP/S konnte das korrekte Verhalten und die Reduzierung des CPU-Taktes auf 300 MHz unter Android beobachtet werden. Auch bei mehreren hintereinander durchgeführten Benchmarks stieg die Oberflächentemperatur nicht über 45 Grad Celsius, nach mehreren Durchläufen im 3DMark und GFXBench kam es im Geekbench nur zu einem Leistungsverlust von etwa 10 bis 15 Prozent.
Wieder auf dem richtigen Kurs
Dass Qualcomm mit dem Snapdragon 820 alle Probleme des Snapdragon 810 gelöst hat und zudem deutlich die Leistung steigern konnte, soll mit den bisher vorliegenden Ergebnissen aber noch nicht abschließend bestätigt werden. Zu weit entfernt von einem Seriengerät ist dafür die MDP/S. Dennoch: Die bisher mit dem Snapdragon 820 gesammelten Erfahrungen sprechen dafür, dass Qualcomm wieder auf dem richtigen Kurs ist. Die Leistung ist durch die Bank gestiegen und die Hitzeprobleme des Snapdragon 810 scheinen zum Großteil bewältigt worden zu sein.
Dennoch wird 2016 kein einfaches Jahr für Qualcomm werden. An der CPU-Leistung von Apple kann Qualcomm mit Kryo noch nicht rütteln, muss das Unternehmen aber auch nicht unbedingt. Im Android-Segment liegt der Fokus auf den Konkurrenten Samsung, MediaTek und HiSilicon. Die Komponenten des Exynos 8890 versprechen ebenfalls eine sehr hohe Leistung: Vier selbst entwickelte M1-Kerne werden mit vier Cortex-A53 und Mali-T880-MP12-GPU kombiniert – das klingt vielversprechend.
Mit dem Helio X20 kommt im nächsten Jahr eine interessante 10-Kern-Lösung von MediaTek auf den Markt, die zwei Cortex-A72 aus der zweiten 64-Bit-Generation von ARM und zwei weitere Cluster zu je vier Kernen zu bieten hat. Mit der Mali-T880 MP4 sind im Bereich GPU jedoch keine großen Sprünge zu erwarten. Mit der gleichen GPU ist auch der Kirin 950 von HiSilicon ausgestattet. Das SoC bietet vier Cortex-A72 und vier Cortex-A53 nach big.LITTE-Prinzip und steckt im Huawei Mate 8, das aktuell ausschließlich in China angeboten wird. Das SoC oder eine Ausbaustufe davon dürfte im kommenden Jahr aber auch in europäischen Geräten von Huawei zu finden sein.
Komplettpaket aus schneller CPU und GPU
Beim Komplettpaket aus schneller CPU und GPU scheint Qualcomm mit dem Snapdragon 820 derzeit aber sehr gut gegenüber der Konkurrenz aufgestellt zu sein. Im Android-Lager ist Samsung mit dem Exynos 8890 noch der ärgste Widersacher. Spannend wird, ob im Galaxy S7 ausschließlich SoCs von Samsung oder auch der Snapdragon 820 stecken wird. Für die S6-Serie ist Qualcomm mit Samsung einer der wichtigsten Abnehmer von High-End-SoCs abgesprungen, den es mit dem Snapdragon 820 jetzt wieder zu überzeugen gilt. Nach aktueller Einschätzung ist Qualcomm mit der Kryo-CPU und der Adreno 530 deutlich wettbewerbsfähiger als noch zu Anfang dieses Jahres mit dem Snapdragon 810 aufgestellt. Zumal der Snapdragon 820 nur ein erster Schritt für Qualcomm sein wird. Die Kryo-CPU dürfte längerfristig gesehen an Leistung zulegen und zudem in Mittelklasse-SoCs von Qualcomm zum Einsatz kommen. Krait, damals noch ohne Nummerierung, ist immerhin seit 2012 auf dem Markt. Der Snapdragon 820 könnte deshalb ein Grundstein für das Anknüpfen an alte Erfolge sein.
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