Urheberrecht: EU-Kommission plant halbherziges Ende des Geoblockings
Die Modernisierung des europäischen Urheberrechts zählt zu den ambitionierten Projekten der EU-Kommission. Doch das heute vorgestellte Konzept ist im Kern noch äußerst vage, als konkrete Maßnahme wurde lediglich ein rudimentäres Ende des Geoblockings für Online-Streaming-Dienste wie Netflix angekündigt.
Rudimentäres Ende des Geoblockings
Demnach lautet der Plan: EU-Bürgern sollen ihre nationalen Abonnements von Streaming-Diensten – zumindest während kurzfristigen Auslandsaufenthalten wie etwa bei Reisen – auch in anderen EU-Staaten nutzen können, ohne dass es zu Einschränkungen beim Angebot kommt. Bis dato ist das noch Alltag, weil einzelne Anbieter die Lizenzen für Filme oder Serien nicht für Europa, sondern nur für die einzelnen Staaten erwerben. Dementsprechend unterscheiden sich die Angebote auch von Land zu Land.
Als Beispiele nennt die EU-Kommission etwa den Dienst Maxdome, bei dem das Abonnement außerhalb von Deutschland nicht über Computer, Smartphone oder Tablet verwendet werden kann. Und Netflix-Nutzer können bei Reisen ins EU-Ausland nur auf das Angebot zurückgreifen, das in den jeweiligen Ländern verfügbar ist. Ähnliches gilt für Sportübertragungen, die ebenfalls nur regional begrenzt übertragen werden. Bei Online-Musikdiensten und dem E-Book-Vertrieb bestehen zwar ebenfalls noch Zugangsprobleme im EU-Ausland, die Schwierigkeiten sind laut EU-Kommission aber nicht so gravierend wie bei den Streaming-Diensten.
Mit den nun angekündigten Portabilitätsoptionen soll sich das allerdings ändern. EU-Bürger erhalten auf diese Weise die Möglichkeit, die abonnierten Dienste während eines „vorübergehender Aufenthalts“ im EU-Ausland im gewohnten Umfang zu nutzen. Zeitlich beschränkt sind die Portabilitätsoptionen nicht – laut der EU-Kommission sollen diese solange gelten, bis der Wohnsitz in einen anderen EU-Staat verlegt wird.
Umgesetzt werden sollen diese möglichst noch im Jahr 2017. So erklärt EU-Digitalkommissar Günther Oettinger: „Ich vertraue darauf, dass die Mitgesetzgeber nun alles tun werden, damit die Portabilität ab 2017 für die europäischen Verbraucher Wirklichkeit wird, so dass sie ihre Inhalte, die sie zuhause mögen, auch auf Reisen in der EU nutzen können – und das ohne Angst vor Roamingentgelten, die Mitte 2017 abgeschafft werden.“
Nationales Lizenzmodell bleibt im Grundsatz bestehen
Grundsätzlich bedeutet der Plan aber nicht, dass ein einheitliches Lizenzsystem für Europa eingeführt wird. Die Lizenzen werden immer noch auf nationaler Ebene vergeben. Stattdessen müssen die Anbieter lediglich die Nutzerauthentifizierung von geografischen Sperren – etwa mittels IP-Adressen – auf vorübergehende Zugangssysteme umstellen. Im Kern bleibt es also beim alten System. Die Reform bringt den EU-Bürgern lediglich eine zusätzliche Option, um etwa das Netflix-Konto auch im Urlaub nutzen zu können.
Immerhin: Da mit dieser Regelung die bestehenden Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Dienstanbietern nicht neu ausgehandelt werden müssen und damit auch keine zusätzlichen Lizenzgebühren fällig sind, geht die EU-Kommission nicht davon aus, dass die Online-Inhalte künftig teurer werden. Bei den Anbietern würden zwar geringe Zusatzkosten anfallen, doch da die Angebote durch die Portabilitätsoptionen attraktiver für die Kunden werden, würden jene wieder ausgeglichen werden.
Vage Pläne für große Reform – im nächsten Jahr
Doch bei dieser Maßnahme handelt es sich nur um einen ersten Schritt. Die großen Reformpläne will die EU-Kommission erst im nächsten Jahr vorstellen und bis dahin noch mehrere Konsultationen durchführen. Wenn es nach der EU-Kommission geht, sollen allerdings sowohl die Nutzer als auch die Rechteinhaber profitieren. „Unser Ziel ist es, den Menschen einen breiteren Zugang zu kulturellen Inhalten zu ermöglichen und die Urheber zu unterstützen“, erklärt Andrus Ansip, Vizepräsident der EU-Kommission.
Wie schwierig dieses Vorhaben in der Praxis ist, zeigt sich aber bereits am Beispiel eines europäischen Leistungsschutzrechts. Das entsprechende Vorhaben ist in Deutschland zwar gescheitert, in Europa aber offenkundig immer noch nicht vom Tisch. Denn die EU-Kommission will nun prüfen, wie die Gewinne aus der Online-Nutzung von geschützten Werken gerecht verteilt werden können – und sich dabei explizit mit der „Rolle der Nachrichten-Aggregationsdienste“, also Angeboten wie Google News, befassen.
Umstrittene Vorhaben wie ein europäisches Leistungsschutzrecht
Welche Ideen und Vorschläge innerhalb der EU kursieren, verdeutlichten einige interne Dokumente, die bereits im November durchgesickert sind. Demnach soll bereits das Verlinken von geschützten Inhalten unter Urheberrechtsschutz gestellt werden, was in der Praxis zu einer Art „Hyperlink-Steuer“ führen könnte, wie die EU-Parlamentsabgeordnete Julia Reda warnte.
Der entsprechende Aufschrei infolge der Veröffentlichung hat offenkundig gewirkt, denn die EU-Kommission erklärt nun: „Es besteht keineswegs die Absicht, eine „Steuer“ auf Hyperlinks zu erheben.“ Allerdings heißt es in der Mitteilung auch: „Von Nutzern, die einfach nur einen Hyperlink zu urheberrechtlich geschützten Inhalten weitergeben, soll also keine Urheberrechtsabgabe verlangt werden.“ Es ist also nur von Nutzern die Rede. Ob das Dementi auch für kommerzielle Angebote gilt, bleibt also offen.
Ausnahmen im Urheberrecht für die Forschung
Darüber hinaus will die EU-Kommission aber auch einige Ausnahmen im Urheberrecht schaffen, die die Arbeit von Bildungseinrichtungen erleichtern sollen. So soll es etwa Forschern ermöglicht werden, größere Datenmengen mit Text- und Data-Mining-Techniken auszuwerten, ohne das Rechteinhaber zuvor um Erlaubnis gefragt werden müssen.