NSA-Ausschuss: BND-Präsident wird nicht mit Informationen zugeschüttet
Der NSA-Ausschuss startet mit einem alten Thema in das neue Jahr: Wer wusste von den Problemen, die es bei der Zusammenarbeit zwischen Bundesnachrichtendienst (BND) und NSA gab. Vorgeladen wurde daher erneut Ernst Uhrlau, BND-Präsident von 2005 bis 2011. Doch statt präziser Antworten lieferte er in erster Linie vage Hinweise.
Alles nur Missverständnisse
Nach wie vor lautet eine der zentralen Fragen, wann die politischen Verantwortlichen wussten, wie heikel die Kooperation zwischen BND und NSA ist. Das betrifft etwa die Operation Eikonal. Bei dieser hat der BND zwischen 2004 und 2008 die Glasfaserknoten der Deutschen Telekom in Frankfurt am Main angezapft, um den internationalen Datenverkehr zu überwachen. Die angesammelten Datenberge wurden dann an die NSA weitergereicht. Das Haken ist nun: Die Operation war rechtlich heikel, sodass die Telekom erst eingewilligte, nachdem sich das Kanzleramt als BND-Aufsichtsbehörde einmischte.
Wie diese Fallstricke in der Praxis aussehen, zeigt etwa die Kritik der G10-Kommission. Bei dieser Kommission handelt es sich um das parlamentarische Kontrollgremium, das Eikonal damals zwar abgesegnet hat, dem BND aber mittlerweile „Trickserei“ vorwirft. Der Geheimdienst habe verschwiegen, wie umfassend die Überwachungsmaßnahme ist. Für Uhrlau scheint es sich dabei aber eher um eine Art Missverständnis zu handeln. Die Kommission genehmige Suchbegriffe, mit denen aus einem Datenstrom die relevanten Informationen ausgefiltert würden. Und dabei werde eben der gesamte Datenstrom erfasst. „Die G10-Kommission wissentlich täuschen zu wollen, ist nicht die Absicht gewesen“, so Uhrlau.
Inwieweit nun aber der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier involviert war, konnte Uhrlau nicht genau sagen. Von einem „Freibrief“, den Steinmeier laut Medienberichten dem BND erteilt hat, wollte der ehemalige BND-Chef aber nicht sprechen. Vielmehr sei Steinmeier schlicht „unterrichtet“ worden. Ähnliche vage fallen die Antworten aus, wenn es um Innenminister Thomas de Maizière (CDU) geht – dieser war Kanzleramtsminister, als die Operation Eikonal im Jahr 2008 eingestellt wurde.
Wie weit der heutige Innenminister nun über die Fallstricke von Eikonal informiert war, kann Uhrlau nicht sagen. De Maizière hatte bei einer Anhörung vor dem NSA-Ausschuss im letzten Sommer angegeben, dass er erst beim Ende von Eikonal von der Operation erfahren habe. Das sei aber nicht unüblich. Das Kanzleramt würde weder einzelne Operationen, noch das laufende Geschäft gezielt kontrollieren, hieß es damals.
Dokumentation nach „Pi-Mal-Daumen“-Prinzip
„Als BND-Präsident wird man nicht mit allen Informationen zugeschüttet.“ Ehmaliger BND-Präsident Uhrlau
Eine erstaunliche Erkenntnis aus der aktuellen Befragung von Uhrlau ist allerdings: Offenbar wird nicht nur das Kanzleramt, sondern auch die BND-Spitze lediglich vage über laufende Operationen informiert. Das betrifft in diesem Fall die Operation Glotaic, die der BND zwischen 2004 und 2006 mit der CIA durchgeführt hat. Damals soll der amerikanische Geheimdienst auch einen ungefilterten Zugriff auf deutsche Kommunikationsdaten erhalten haben. Uhrlau war zu dieser Zeit zwar BND-Chef, von der Operation will er aber nichts gewusst haben. Begründung: „Als BND-Präsident wird man nicht mit allen Informationen zugeschüttet“, so Uhrlau laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org.
Dass fehlende Informationen nicht nur ein Problem der BND-Spitze sind, sondern auch die tieferen Ebenen des Geheimdienstes betreffen, zeigte derweil die Befragung des Zeuge H. K., der gestern erneut im NSA-Ausschuss aussagte. H. K. war innerhalb des BND als Referatsleiter in der Abteilung Technische Aufklärung auch für die Überprüfung der fragwürdigen Selektoren zuständig – also der Suchbegriffe wie Telefonnummern und IP-Adressen, die der Dienst in die eigenen Überwachungssysteme einspeist. Viele Antworten lieferte er allerdings nicht. So konnte der Zeuge etwa nicht begründen, warum die BND-Spitze und das Kanzleramt erst im März 2015 über die Probleme mit den NSA-Selektoren informiert worden sind. Entdeckt wurden diese bereits im Spätsommer 2013, als infolge der Snowden-Enthüllung eine Kontrolle angeordnet wurde.
Eines der Probleme ist offenbar, dass beim BND nicht genau protokolliert wird, welche Informationen an ausländische Geheimdienste weitergegeben werden. Denn der Zeuge sagte zwar auf der einen Seite: „Wir wissen, wer was bekommt.“ Doch einzelne Daten würden grundsätzlich nicht dokumentiert werden. Die Kontroverse über fehlende Akten führte letztlich sogar zu einem Disput mit dem Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz. Dieser hatte erneut den Verdacht, dass dem NSA-Ausschuss relevante Informationen vorenthalten werden.
Selektoren-Austausch mit NSA läuft wieder
Ebenso schilderte der Zeuge wieder, wie problematisch es für den BND sei, die von der NSA übermittelten Selektoren zu prüfen. Ein relevantes Thema, denn erst in der letzten Woche berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Kooperation von BND und NSA im Standort Bad Aibling reibungslos laufe. Nachdem der Selektoren-Skandal im Mai 2015 publik wurde, hatte die Bundesregierung die Zusammenarbeit zeitweise gestoppt. Die NSA sollte für jeden der – laut Angaben der Süddeutschen Zeitung – zuletzt 4,5 Millionen Suchbegriffe eine Begründung mitliefern. Auf diese Weise soll der BND leichter prüfen können, ob die NSA-Selektoren auch mit dem deutschen Überwachungsauftrag übereinstimmen – und nicht etwa auf europäische Politiker und Unternehmen abzielen.
Allerdings dauerte es eine Weile, bis die NSA sämtliche Begründungen mitliefern konnte. Nun sind diese da und die Kooperation geht ihren gewohnten Gang. Bis dato soll der BND allerdings auch noch keinen Suchbegriff abgelehnt haben.
„Können ja nicht anrufen und fragen: 'Hast du was mit Drogenhandel oder Terrorismus zu tun?'“ H. K.
Wie schwierig die Kontrolle ist, skizziert H. K. allerdings im NSA-Ausschuss. Denn letztlich könne der BND nur mit den – umstrittenen – Filterprogrammen prüfen, ob ein Suchbegriff tatsächlich auch dem Überwachungsauftrag entspricht. Eine genaue Prüfung wäre allein schon wegen der Menge an Selektoren nur schwer zu bewerkstelligen. Und wenn es sich bei einem NSA-Selektor etwa um eine Telefonnummer handelt, könne ein BND-Mitarbeiter „ja nicht anrufen und fragen: 'Hast du was mit Drogenhandel oder Terrorismus zu tun?'“, sagte H. K. laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org.