Tastaturen: Features und Marketing unter der Lupe

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Max Doll
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LED-Effekte lenken im Alltag schnell ab

Verfügt die Wunschtastatur über beleuchtete Tasten, wird auf der Verpackung zumindest mit einem Zusatzeffekt geworben: Über einen Atmungsmodus verfügt eigentlich jedes Modell, das mit LEDs ausgestattet wird, da sich das langsame Pendeln der Helligkeit zwischen Maximum und Minimum technisch einfach umsetzen lässt.

Je teurer die Tastatur wird, desto mehr Effekte werden in der Regel aufgeführt. Inbesondere RGB-Modelle setzen der Kreativität bei blinkenden Effekten kaum Grenzen – Logitechs G910 zieren während der Initialisierung schnell wechselnde Farbmuster während Qpad und Sharkoon mit einem Effekt werben, der die Beleuchtung dem Takt der abgespielten Musik anpassen soll.

Die permanente und oftmals schnelle Änderung von Helligkeit oder Farben, teilweise sogar über das gesamte Farbspektrum hinweg, ist jedoch vor allem eines: ablenkend. Grundsätzlich gilt, dass sich nur die wenigsten Zusatzeffekte für mehr als Showzwecke einsetzen lassen. Noch am ehesten als alltagstauglich qualifizieren sich reaktive Modi, bei denen die Aktivierung der LEDs an die Übertragung eines Signals gekoppelt wird. Ansonsten sollte darauf geachtet werden, dass die Effekte per Software unter anderem hinsichtlich Frequenz und Intensität konfiguriert werden können, eine Option, die sich derzeit fast ausschließlich bei RGB-Modellen findet.

Programmierbare Makros werden selten benötigt

Im Spielebereich wird häufig mit der Möglichkeit geworben, die Tastatur unter anderem mit Makros neu zu programmieren. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass ein programmierbares Eingabegerät immer über dieselben Eigenschaften verfügt. Grundsätzlich lassen sich zwei Ausprägungen dieses Features ausmachen: Die erste erlaubt es, lediglich eine kleine Anzahl fest vorgegebener Tasten neu zu programmieren, wobei Makros mitunter erst im Spiele-Modus über die Basisfunktion gelegt werden. Programmierbar sind in diesem Fall entweder bestimmte Bereiche der Tastatur (u.a. Func KB-460, Ozone Strike Battle) oder ausschließlich für Makros vorgesehene Zusatztasten (z.B. Logitech G910). Die andere Gruppe Tastaturen lässt sich hingegen ohne Einschränkungen neu programmieren.

Praktische Einsatzzwecke gesucht

Problematisch ist in diesem Fall weniger der häufige Versuch, limitierte Makrofähigkeiten durch das Aussparen der limitierten Flexibilität geschickt zu verkaufen, sondern der Umstand, dass es sich trotz breiter Anpreisung der Rahmendaten in Aussagen wie „30 Markos in fünf Profilen“ (Ozone) nicht um ein per se nützliches Feature handelt. Hier gilt es, sich vorab mögliche Einsatzszenarien zu überlegen. Was nach Binsenweisheit klingt, ist praktisch weniger trivial: Wenn selbst Hersteller oftmals keine Anreize oder Ideen in Form einfacher Anwendungsbeispiele zum Einsatz eines wichtigen Produktmerkmals liefern, dann sind die praktischen Vorteile gering oder nur für viel zu spezifische Gruppen und Einsatzszenarien vorhanden.

Nur zehn „F“-Tasten lassen sich auf der Func KB-460 programmieren
Nur zehn „F“-Tasten lassen sich auf der Func KB-460 programmieren
Logitech erlaubt nur die Konfiguration der Makrotasten (G910)
Logitech erlaubt nur die Konfiguration der Makrotasten (G910)
Corsair Strafe, K70 und K95 können vollständig programmiert werden
Corsair Strafe, K70 und K95 können vollständig programmiert werden

Eine pauschale Einschätzung erschwert dieser Umstand. Tendenziell erscheint es ratsam, zunächst genau zu bestimmen, welche „Makro-Funktionen“ überhaupt angeboten werden und welche Bereiche des Eingabegeräts programmierbar sind. Ozone nennt etwa die programmierbaren Tasten der Strike Pro „Macro Keys“, obwohl damit üblicherweise dedizierte Zusatztasten bezeichnet werden. Softwareseitig erlaubt zwar jeder Anbieter das Aufzeichnen von Tastaturmakros, Qualität und Möglichkeiten des Editors unterscheiden sich aber teils erheblich. Auch weitere Software-Funktionen sind nicht immer vorhanden, darunter die Option, per Tastendruck Programme aufzurufen oder den Medienplayer zu steuern – derartige Möglichkeiten zählen noch zu den sinnvollsten Extras, die idealerweise mit separaten Makrotasten kombiniert werden.

Reaktionszeit ist nicht gleich Reaktionszeit

Insbesondere im Spiele-Bereich suggeriert fast jeder Hersteller, dass die eigene Tastatur Eingaben mit minimaler Reaktionszeit von nur einer Millisekunde Verzögerung erfasst. Diese Ziffer bezieht sich jedoch stets auf die Polling-Rate, also diejenige Frequenz, mit der der PC bei einem USB-Gerät abfragt, ob neue Signale übertragen werden sollen. Ein Wert von 1.000 Hz ist seit Jahren der Quasi-Standard bei teureren Produkten sowie mechanischen Tastaturen. Dies bedeutet, dass die maximale Verzögerung bei einer Signalübertragung eine Millisekunde beträgt, nämlich genau dann, wenn das Eingabegerät ein Signal übertragen kann, am Bus aber gerade erst nach neuen Daten gefragt wurde. Gegenüber dem Standardwert von 125 Hz werden also in einem Worst-Case-Szenario sieben Millisekunden eingespart.

Betont werden muss dabei jedoch der Aspekt der „Übertragung“: Nicht erfasst wird die Zeit, die während der Erfassung des Signals durch die Tastatur selbst sowie während der Weiterverarbeitung einer Eingabe am PC verstreicht – die Polling-Rate ist nur ein Glied einer Verarbeitungskette. Die einzige Tastatur, welche die hardwareseitige Erfassung optimiert, ist Cherrys MX Board 6.0. Ein spürbarer Vorteil will aber auch dadurch nicht entstehen; subjektiv lässt sich zwischen einer günstigen Rubberdome-Tastatur aus dem Office-Bereich zum einstelligen Euro-Kurs und einer über 100 Euro teuren mechanischen Tastatur kein Unterschied wahrnehmen. Für den Normalanwender gilt: Es dient vor allem der Werbung.