NSA-Ausschuss: Das bröselige Fundament der BND-Überwachung
Eines der zentralen Probleme bei der Überwachungsmaschinerie des Bundesnachrichtendienstes (BND) sind die rechtlichen Grundlagen, die nur ein bröselndes Fundament bilden. Das ist eine der Erkenntnisse aus dem NSA-Ausschuss, die in der aktuellen Sitzung erneut belegt wurde.
XKeyscore bei BND und Verfassungsschutz
Im ersten Fall geht es um XKeyscore – das NSA-Programm zur „digitalen Total-Überwachung“, das sowohl der BND als auch der Verfassungsschutz einsetzen. Wobei XKeyscore beim Verfassungsschutz noch im Probebetrieb läuft. Dass eine Software allerdings seit mittlerweile mehr als drei Jahren getestet wird, gibt bereits einen Hinweis, wie schwer der Umgang in der Praxis ist.
Eine der Schwierigkeiten, die bei der Sitzung in der letzten Woche publik wurde: Der Verfassungsschutz kann nicht genau nachvollziehen, wie XKeyscore arbeitet, weil der Quellcode nicht vorliegt. Damit wird unter anderem auch ein Urteil vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erschwert, dass den Einsatz absegnen muss.
BND ohne richtiges Sicherheitskonzept für XKeyscore
Bestätigt wurde diese Einschätzung von Monika Genkova, der Leiterin des IT-Sicherheitsmanagements im Bundesamt für Verfassungsschutz, die in dieser Woche im NSA-Ausschuss befragt wurde. Demnach ist man immer noch damit beschäftigt, das Sicherheitskonzept für XKeyscore zu erstellen.
Es ist eine Aufgabe, die der Verfassungsschutz offenkundig ernster nimmt als der BND. Laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org erklärte Genkova: „Soweit ich weiß gab es beim BND kein Sicherheitskonzept.“ Existiert habe lediglich ein Entwurf, den der Verfassungsschutz nicht nutzen wollte. Ob der XKeyscore-Einsatz vom BND damit rechtlich fragwürdig ist, wollte Genkova allerdings nicht sagen. Dass kein umfassendes Sicherheitskonzept vorliegt, könnte auch mit anderen Voraussetzungen zusammenhängen.
Dennoch ist die Angelegenheit heikel. Nach dem aktuellen Kenntnisstand nutzt der BND seit 2007 XKeyscore, um die Rohdaten auszuwerten, die beim Anzapfen der Datenströme anfallen.
Erneut Ärger mit der Weltraum-Theorie
Ein weiterer Streitpunkt ist die Weltraum-Theorie, die der BND nutzt, um das Abfangen von Satelliten-Kommunikation im bayrischen Standort Bad Aibling zu legitimieren. Dabei lautet die Argumentation im Kern: Der satellitengestützte Datenverkehr fällt nicht unter das BND-Gesetz, weil die Daten im Weltraum erfasst werden – und dort gilt nicht das Grundgesetz. Der Vorteil für den BND bei dieser Rechtsauffassung: Rohdaten, die auf diese Weise abgefangen werden, können ohne Weiteres an die NSA übermittelt werden.
Es ist eine Theorie, die auch innerhalb des BND und des Kanzleramts umstritten ist, wie bereits im Herbst des letzten Jahres bekannt wurde. Als zweite Zeugin in der aktuellen Sitzung des NSA-Ausschusses erklärte nun Christina Polzin, warum die Weltraum-Theorie trotzdem durchgesetzt wurde. Polzin arbeitete zwischen 2011 und 2014 in einem Referat des Kanzleramts, das für Datenschutz-Aspekte beim BND zuständig war. Sie hatte auch das Gutachten geschrieben, dass den internen Streit belegt.
Polzins Standpunkt war nun: Die Weltraum-Theorie ist überflüssig, der Datenaustausch mit der NSA lässt sich auch über das BND-Gesetz legitimieren. Doch dem damaligen Geheimdienstkoordinator Günther Heiß und BND-Präsident Gerhard Schindler war diese Lösung offenbar zu umständlich. Demnach wäre die Weltraumtheorie tragfähiger, weil bei dieser nicht dokumentiert werden muss, welche Daten nun genau an die NSA übermittelt werden. Zudem wollten sich die Geheimdienst-Spitzen komplexe juristische Debatten ersparen, da die Stimmung in den Hochzeiten der Snowden-Enthüllungen ohnehin aufgebracht war.
Funktionsträger-Theorie des BND ist verfassungswidrig
Es ist aber diese Haltung, die dem BND noch auf die Füße fallen könnte. So meldete der Rechercheverbund von NDR, Süddeutscher Zeitung und WDR erst in der letzten Woche, dass die Funktionsträger-Theorie des BND von der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff als verfassungswidrig eingestuft wird. Die Funktionsträger-Theorie besagt, dass der BND auch deutsche Staatsbürger überwachen darf, sofern diese für eine ausländische Institution oder Firma arbeiten.
Laut einer als vertraulich eingestuften Stellungnahme hält Voßhoff diese Argumentation aber für eine „überkommene Vorstellung“. Das Fernmeldegeheimnis im Grundgesetz mache keinen Unterschied, ob es sich bei einem Gespräch nun um private, geschäftliche oder politische Kommunikation.
Inwieweit die BND-Überwachung von dieser Stellungnahme beeinflusst wird, lässt sich derzeit aber noch nicht abschätzen. Laut den Informationen der Tagesschau wollen sowohl der Geheimdienst als auch die Bundesregierung die bestehende Praxis fortführen. Den Grund nennt ein Insider: Ausländische Botschaften und Firmen könnten demnach nicht mehr überwacht werden, weil der BND immer damit rechnen müsste, dass ein deutscher Angestellter etwa ans Telefon geht.