Live for Speed in VR: Mit der HTC Vive auf Bestzeit-Jagd
Einleitung
Seit 13 Jahren befindet sich die Rennsport-Simulation Live for Speed in Entwicklung und ist seit der Veröffentlichung des Oculus Dev-Kit 2 ganz vorne mit dabei, wenn es um die virtuelle Realität geht. ComputerBase setzte sich mit der HTC Vive hinters virtuelle Steuer und liefert einen Ausblick zum Thema Rennspiele in VR.
Rennsport-Opa mit frischen Features
Ohne Frage, grafisch sieht man Live for Speed schon auf den ersten Blick sein Alter an: Seit 2003 in Entwicklung, hat das Drei-Mann-Projekt vor wenigen Tagen erst die Version 0.6M erreicht. Doch das Rennspiel ist seiner Konkurrenz einen entscheidenden Faktor voraus: Neben dem Oculus SDK unterstützt Live for Speed auch die HTC Vive mit einer Implementierung von OpenVR – und das schon seit letztem Dezember. Insofern ist das Spiel prädestiniert dafür, einen ersten Eindruck davon zu vermitteln, wie sich Rennsimulationen mit den bald erhältlichen VR-Systemen spielen werden.
Wie viel besser sind die fertigen VR-Brillen?
Im Rahmen des Oculus DK2-Testberichts wies ComputerBase auf das immense Potential von Simulationsspielen in der virtuellen Realität hin. Einen Haken hatte das Ganze damals jedoch: Als reines Entwickler-Kit gedacht, steckte die Technik des DK2 noch in den Kinderschuhen. Bei Spielen, die nur nachträglich mit VR-Unterstützung bedacht wurden, fingen die Kinderkrankheiten bei umständlicher Menüführung in VR an und hörten bei unleserlichen Beschriftungen im Cockpit und bei Schildern am Straßenrand auf.
Doch die Faszination für den Geschwindigkeitsrausch in VR blieb. Ein Jahr später stellt sich nun die Frage: Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Lässt sich die VR-Technik zum derzeitigen Stand als vollwertiger Monitorersatz für den Anwendungsfall Simracing ansehen?
Unkomplizierter Programmstart, dennoch Starthilfe nötig
In puncto Nutzerfreundlichkeit hat sich seit den VR-Entwicklerkits viel getan: Vom umständlichen „extended Desktop“-Modus fehlt (glücklicherweise!) jede Spur. Beim Programmaufruf eines VR-Titels landen die Spielinhalte per Direct Mode automatisch auf dem Display der VR-Brille.
Da Live for Speed zu den sitzenden VR-Erlebnissen („seated experience“) zählt, ist eine korrekte Ausrichtung der Sitzposition unerlässlich. Das Hauptmenü des Spiels wird auf einer virtuellen Leinwand dargestellt, die, je nachdem in welche Richtung die VR-Brille beim Programmstart blickte, auch nur in eben dieser angezeigt wird. Die Folge: Das Hauptmenü muss erst mal durch Umherblicken gefunden und neu ausgerichtet werden. Titel, die SteamVR als Aufsatz auf OpenVR nutzen, haben dieses Problem nicht – sie übernehmen die einmal vom Anwender in SteamVR definierte Blickrichtung.
F8 rückt die Welt ins rechte Bild
Die Lösung in Live for Speed: Beim Betätigen der F8-Taste wird die aktuelle Orientierung und Sitzposition als neutrale Position im virtuellen Rennwagen definiert. Befindet sich Lenkrad, Pedalerie und der Sitz jedoch an einer anderen Position als die Tastatur und Maus, muss improvisiert werden. Bei der Testfahrt im ComputerBase-Büro musste der fahrende Redakteur von einem zweiten Redakteur beim Betätigen der F8-Taste im richtigen Moment unterstützt werden, da sich die F8-Taste rein physikalisch nicht aus der Sitzposition erreichen ließ.
Für den Anwendungsfall zuhause bedeutet dies: Wurde eine „seated experience“ erst nachträglich mit VR-Features bedacht und bietet die Neuorientierung per Knopfdruck an, so sollte diese Taste möglichst bald auf leicht erreichbare Knöpfe am Lenkrad umbelegt oder mit etwas Kreativität nachgeholfen werden. Lässt sich die Tastatur, beispielsweise wegen einem an der Tischkante befestigten Lenkrad, nicht aus der späteren Sitzposition erreichen, lohnt sich oftmals auch der Griff zur Funkmaus mit vorher zugewiesenem Makro für die Escape- und F8-Taste. Auf diese Weise lassen sich jederzeit die wichtigsten Funktionen des Spielmenüs erreichen, ohne mühsam nach der Tastatur greifen zu müssen.
Ist die grundlegende Konfiguration erledigt und wurde vorher noch daran gedacht, das Chaperone-Gitternetz für den OpenVR-Titel zu deaktivieren, steht dem virtuellen Rennsport nichts mehr im Weg. Auch diesen Schritt müssten Anwender in SteamVR-Spielen übrigens nicht gehen: Hier kann einmalig ein Sitzplatz definiert werden, bei dessen Nutzung die Gitterlinien automatisch ausgeschaltet werden.
Optisch altbacken, dafür VR-technisch solide
Mit aktuellen Rennsimulationen kann Live for Speed grafisch nicht mithalten, muss es aber auch nicht: Die Stärke des Titels lag schon während seiner Hochphase nicht auf den Äußerlichkeiten, sondern dem Herz einer guten Simulation - der Fahrphysik. Kombiniert mit einem Lenkrad als Eingabemethode stellt sich innerhalb von kürzester Zeit ein Gefühl der Immersion ein, das sich auf Flachbildschirmen nur annäherungsweise mit Triple-Screen-Setups reproduzieren lässt.
Beim Warten auf der Startposition blicken wir zur Seite, inspizieren die Cockpit-Elemente sowie den Innenraum und verschaffen uns einen Überblick der HUD-Elemente. Eine in der Ecke unseres Blickfelds schwebende Miniaturansicht offenbart den Streckenverlauf, gegenüber von ihr schweben die Rundenzeiten. Für die wichtigsten Informationen zu Drehzahl und Geschwindigkeit blicken wir, wie aus dem echten Leben gewohnt, auf das Armaturenbrett und sind sofort erfreut: Die Anzeigen in VR sind endlich lesbar! Im Gegensatz zum DK2, das uns die letzten eineinhalb Jahre begleitete, macht sich die gesteigerte Auflösung im Hinblick auf die Lesbarkeit direkt bemerkbar: Einer der größten Kritikpunkte ist damit schon gefallen, noch bevor die Startampel auf grün wechseln konnte.
Das Startsignal ertönt. Die erste Kurve rückt näher. „150“, „100“, „50“ – die Distanzangaben zur ersten Kurve von Blackwood rauschen an uns vorbei und sind, zu unserem Erstaunen, ebenfalls kein Problem mehr. Abgelenkt von dieser Erkenntnis verpassen wir unseren Bremspunkt und lösen in Folge eine Karambolage mit den ohnehin nicht rücksichtsvollen KI-Gegnern aus, die sich nur mit einem grinsenden Drücken der Rennen-Neustart-Option beheben lässt.
Scheppernde Karosserien und das daraus resultierende hastige Suchen nach der Escape-Taste werden wir an diesem Tag noch öfters erleben. Doch die Eingewöhnungsphase lohnt sich: Live for Speed macht vielen Testern – aber nicht allen Testern – auch ohne Bombast-Grafik richtig Laune in VR. Das Testsystem mit entsprechend den VR-Minimalanforderungen verbauter Nvidia GTX 970 schultert die benötigten 90 Bilder pro Sekunde ohne Mühe und wir können uns ganz auf das Renngeschehen konzentrieren.