The Division im Test: Technisch gut, emotional unterkühlt
2/3Gesunde Gameplay-Mechanik
Dieses grundsätzliche Problem seiner zu künstlichen Struktur kann das MMO auch im weiteren Verlauf nie abschütteln: Es bleibt immer eine Spur zu distanziert-technisch und scheitert darin, seine Mechanik geschickt zu überdecken. Die eigentlichen Hauptmissionen weichen von diesem Muster nur minimal ab, machen aber zunächst mehr Spaß. Hier wird das Abklappern von Wegpunkten allerdings zu sichtbar, weil diese Zwischenziele trotz linear aufgebauter Areale in kurzen Abständen auf dem Bildschirm markiert werden.
Die Gruppe ist alles
Immerhin bieten die Missionen größere Herausforderungen und viele schicke Areale, die taktische Variationen ermöglichen – Detailgrad und grafische Qualität versetzen immer wieder in Staunen. Klar wird jedoch schnell, dass Division von Gruppen und mit Verstand gespielt werden möchte, weil die ausgefeilten Gameplay-Mechaniken vorrangig auf Teams zielen – hier kommen die Rollenspiel-Elemente zum Einsatz. Mit dem Ausbau des Stützpunktes, der damit einen Anlass zum öden Grind von Materialien in Events liefert, werden neue Fähigkeiten, von denen sich jeweils zwei sowie ein besonders mächtiger „Signature“-Skill gleichzeitig ausrüsten lassen, Mods und Perks freigeschaltet.
Durch Ausrüstung werden außerdem die Kategorien Schaden und Lebensenergie erhöht sowie die Effizient von Fertigkeiten gesteigert. Das System bietet damit genug Möglichkeiten, um Charaktere für spezielle Rollen zu trimmen. Heiler und Allrounder können ebenso sinnvoll erstellt werden wie ein spezialisierter Scharfschütze, der nur Gegenstände mit Boni auf Waffenschaden anlegt und dafür auf Lebenspunkte verzichtet.
Taktische Vielfalt
An Einzelgänger richtet sich das MMO seinem Genre entsprechend nicht. Gegner sind selbst über große Distanzen zielsicher, sofern sie nicht durch Positionen außerhalb ihres Aktionsradius beschossen werden, recht aggressiv, zwingen zu Stellungswechseln und wollen taktisch in Bedrängnis gebracht werden. Der Schwierigkeitsgrad skaliert hervorragend mit der Intelligenz der Gruppe: Flankieren oder das gezielte Ziehen von Feuer sind gerade bei Bossen nötig, alleine aber nicht zu leisten, wobei dem taktischen Aspekt zu Gute kommt, dass das Waffenhandling keine größeren Ansprüche stellt und die Straßengangs eine Menge Blei vertragen, was die Kämpfe in die Länge zieht und überhaupt erst Zeit für das Umsetzen einer Strategie gibt.
Dies gilt erst Recht auf dem höheren Schwierigkeitsgrad, der mit wesentlich härteren Gegnern konfrontiert, die noch einmal mehr Kugeln schlucken und besser austeilen können. Für sich genommen gilt in diesen Arealen daher: Der Unterhaltungswert ist hoch. Allerdings bräuchte es die offene Welt dafür weniger zwingend als Kulisse. Die „Missionen“ sind somit kaum mehr als ein Rahmen für kooperative Dungeon-Grinds, die sich zudem nicht einmal am Stück spielen lassen. Um im vorgesehen Levelbereich zu bleiben, muss das Erfahrungspunkte-Konto zwingend mit Nebenaufgaben und Events gefüllt werden – wobei Level erlauben, neue, stärkere Ausrüstung anlegen zu dürfen, von den Fähigkeiten und Perks aber völlig losgelöst sind.
Laufen, Umlegen, Loot – und von vorne
Alleine muss ohnehin niemand losziehen, der nicht möchte. Anders als Bungies Destiny bietet The Division sowohl in Safehouses als auch vor Missionen jederzeit die Möglichkeit, per Matchmaking Gruppen zu finden, die im Anschluss einer Mission oft einfach zusammen weiterziehen – auch ohne festen Freundeskreis ist es jederzeit möglich, Anschluss zu finden.
Höhepunkte in der Dark Zone
Das ist für ein MMO ausreichend, wenngleich spätestens nach einigen Stunden die immer gleichen Versatzstücke bei Gegnern und Missionsdesign zu stören beginnen. Gameplay und die Jagd auf hochwertige Gegenstände motivieren jedoch noch eine Zeit lang darüber hinaus, während ein simples Crafting-System Durststrecken beim Hatz nach Loot überbrücken kann. Das eigentlich kreative Element des Spiels konzentriert sich aber in der „Dark Zone“, dem PvP-Modus des MMOs. Dabei handelt es sich um einen großen, vom Rest der Spielwelt abgegrenzten Bereich, der besonders stark „kontaminiert“ wurde – und in den 24 Spieler parallel auf die Jagd nach Gangs und auf sich selbst losgelassen werden.
Menschliche Höhepunkte
Der Modus speist seinen Unterhaltungswert aus dem typischen Verhalten von Menschen: „Friendly Fire“ wird nur für die Mitglieder des eigenen Trupps deaktivert, alle anderen Spieler sind „neutral“ und können jederzeit erschossen werden. Das bringt zwar für eine gewisse Zeit abhängig von der Menge der Vergehen eine Art Fahndungslevel ein, das den Status als nun Vogelfreier markiert, eine Art Kopfgeld aussetzt und die Position des Verräters auf der Karte markiert.
Schurken können im Gegenzug mehr Beute einsacken, die nicht individuell sondern global in die Welt gelegt wird – und bis zur Extraktion jederzeit mit bleihaltigen Argumenten einen neuen Besitzer findet. Bis ein Gegenstand die Dark Zone verlässt, kann er also bereits ein paar Mal den Besitzer gewechselt haben. Der Nervenkitzel einer Grenzübertretung will daher wohl überlegt sein, auch weil Tode als Abtrünniger mit einem höheren Verlust an Dark-Zone-Währung und -Erfahrungspunkten bestraft werden – beide sind nötig, um auf spezielle, besonders starke Ausrüstung zugreifen zu dürfen.
Vor allem die Extraktionspunkte hat Ubisoft zu Höhepunkten der Dark Zone gemacht. Wird ein Hubschrauber angefordert, startet das Spiel einen Timer und sendet einen Hinweis an alle Nutzer in der Instanz, die oft ebenfalls die Gelegenheit nutzen, ihre Beute in Sicherheit zu bringen – oder solche zu machen. Die Landezonen sind daher ein Ort, an dem sich Gruppen besonders misstrauisch beäugen, zumal auch Gang-Mitglieder versuchen, den Platz zu überrennen – so wird geschickt eine Stresssituation provoziert, ein fruchtbarer Boden für Missverständnisse und blanke Nerven.
Die Unberechenbarkeit ist großartig
Aus dieser Unberechenbarkeit von jeder Begegnung mit anderen Gruppen zieht die Dark Zone ihre großartigen Momente. Sie ist jedoch auch ein Auf und Ab: Wer auf Spieler mit deutlich besserer Ausrüstung trifft, hat ungeachtet seiner Fähigkeiten kaum eine Chance, bei einer Auseinandersetzung zu überleben. Wenn das Alter Ego nur deshalb über den Haufen geschossen und ausgeplündert wird, steigt der Frust stärker als nötig. Ähnlich wirken sich die Spawnpunkte der NPC-Gegner aus: Wer sich in einer leeren Sackgasse umdreht, darf nicht wenige Sekunden später von den allgegenwärtigen Gangstern in den Rücken geschossen werden – oder gar plötzlich in der Mitte eines Elite-Mobs stehen.
Dass Einzelgänger dabei nur Kanonenfutter sind und nur selten eine Chance haben, Gegenstände in Sicherheit zu bringen, ist da zu vernachlässigen: The Division ist zuvorderst ein Spiel für Gruppen. Auch mehrere Spieler haben in der Dark Zone abseits der fließenden Übergänge zwischen PvE- und PvP-Modus nichts außer den immer gleichen Elementen zu entdecken. Für ein MMO, das sich eines Survival-Settings bedient und sich durchaus auch als kooperativer Action-Shooter versteht, ist das ein schwacher Befund – Waffenteile in der Apotheke zu finden anstatt zur Örtlichkeit passende Beute stören wie die einfach herumstehenden „Dark Zone“-Kisten die Illusion und machen aus dem Stöbern nach Nachschub, das in DayZ so unterhält, ein mechanisches Abhaken von Interaktionspunkten und Mobs.