Virtual Reality: Alle Konzepte zur VR-Steuerung im Überblick
2/3Ganzkörper-Steuerungen und Motion Capture
Aufgrund mehrerer Verschiebungen ebenfalls lange überfällig ist das von Sixense entwickelte modulare Motion-Tracking-System STEM. Das im Herbst 2013 crowdfinanzierte kabellose System basiert auf der gleichen Technologie, die auch in der kabelgebundenen Razer-Hydra-Bewegungssteuerung zum Einsatz kommt.
Die Basis des STEM-Systems kommuniziert mit bis zu zehn Bewegungs-Trackern, den sogenannten „STEM Packs“, gleichzeitig. In einer typischen Konfiguration befinden sich zwei „STEM Packs“ standardmäßig in den Controllern, und drei weitere können beispielsweise an den Arm- oder Fußgelenken beziehungsweise der Hüfte angebracht werden. Im YouTube-Kanal des Unternehmens findet sich eine Reihe von Demonstrationen aus dem November 2015, die den aktuellen Entwicklungsstand verdeutlichen sollen.
Schweigen, Schweigen, Schweigen
Wie schon vor einem Jahr wird eine wiederkehrende Problematik sichtbar: Sixense übt sich seit mittlerweile drei Monaten größtenteils in Funkstille gegenüber seinen Kickstarter-Unterstützern. Entsprechend harsch sind die Stimmen in der Kommentarsektion des Projekts, woraufhin ein Sixense-Mitarbeiter versicherte, dass die Auslieferung an Kunden im April 2016 beginnen solle.
Ein Reddit-Nutzer machte sich die Mühe, die angekündigten und daraufhin verpassten Lieferzeitpunkte zusammenzufassen – zum Zeitpunkt des Reddit-Eintrags noch zehn an der Zahl, ist der nun angekündigte Lieferzeitpunkt der elfte Anlauf.
Angesichts der Konkurrenz aus dem Hause HTC und Valve auf dem Feld der Bewegungssteuerung sowie der Preisgestaltung des STEM-Systems, das sich in einer Preisregion zwischen 299,99 US-Dollar (STEM-Basis mit zwei Controllern) bis hin zu 579,99 US-Dollar (komplettes Bundle) bewegt, hat sich das Projekt damit zwischenzeitlich selbst ins Nischendasein manövriert. Wie auch im Fall des „Omni“ und „Virtualizer“-Steuerungskonzepts müssten Spieleentwickler zusätzlichen Aufwand in Kauf nehmen, um die Steuerung in ihren Anwendungen mittels eines zusätzlichen Software Development Kits anzusprechen.
420.000 US-Dollar für – für was?
Kabelgebundene Alternativen zur Ganzkörper-Steuerung waren ebenfalls auf Kickstarter erfolgreich, doch nicht alle Projekte konnten ihre Versprechen auch in die Tat umsetzen. An Control VR wird die Schattenseite des Crowdfunding-Konzepts ersichtlich: Das Projekt konnte über 442.000 US-Dollar in der Crowdfunding-Community sammeln und verkündete daraufhin, das Entwicklerteam aufgestockt zu haben.
Was daraufhin hinter den Kulissen geschah, wird nach Aussagen ehemaliger Mitarbeiter und involvierter Auftragnehmer, die unabhängig voneinander auf Reddit getätigt wurden, als Fehlwirtschaft des Managements beschrieben. Schon drei Monate nach der Kickstarter-Kampagne stoppte die Kommunikation mit der Community im Oktober 2014. Im August 2015 wurde die Entwicklung daraufhin auch offiziell eingestellt, da das Projekt ohne weitere Finanzspritzen nicht erfüllbar sei.
Eine ähnliche Narrative findet sich auch in der Entwicklung des PrioVR-Systems wieder. Nach unternehmensinternen Rechts- und Machtstreitigkeiten befindet sich das Projekt laut den Entwicklern jedoch wieder auf einem guten Kurs: Mit frischem Kapital im Rücken soll die erste Entwicklerversion des PrioVR-Anzugs im Rahmen der Game Developers Conference in San Francisco vom 16. bis 18. März enthüllt werden. Die Auslieferung des 17 Sensoren umfassenden Motion-Capture-Anzugs in der Entwicklerversion soll „einige Wochen“ nach der GDC erfolgen.
Ebenfalls mit Verspätung, dafür aber einem Happy End wurde die Kickstarter-Kampagne von Perception Neuron aus dem Hause Noitom abgeschlossen. Das Endprodukt der mit 571.908 US-Dollar schwarmfinanzierten Idee befindet sich bereits in den Händen der Kickstarter-Unterstützer und kann mittlerweile auch über die Webseite des Herstellers erworben werden. Das Motion-Capture-System skaliert je nach Anwendungsfall zwischen 3 bis 32 Sensoren und wird in zwei Varianten ausgeliefert. Die Version mit 18 Neuron-Sensoren kostet 999 US-Dollar, das volle Kit bestehend aus 32 Sensoren inklusive Handschuhen für das Finger-Tracking beläuft sich auf 1.499 US-Dollar.
Hohe Kosten stehen dem Massenmarkt im Weg
Für den Consumer-Bereich stellen die vorgestellten Steuerungs- und Motion-Capture-Systeme eine immense finanzielle Investition dar, die nur in den seltensten Fällen eine Anschaffung rechtfertigt. Aus kreativer Sicht hingegen lässt sich an dem regen Interesse aus der Crowdfunding-Community ableiten, dass die Industrie auf einen Preisbrecher in dem Bereich gewartet hat, der in der Zukunft besonders kleinen und mittelgroßen Studios helfen wird. Sind ansonsten fünf- bis sechsstellige Summen für Motion-Capture-Systeme aufzubringen, belaufen sich die Ausgaben mit den neuen Systemen auf einen Bruchteil dessen.
Wie Spieleentwickler mit der neuen Technologie umgehen, zeigt sich anhand der Beispiele Apollo 11 (YouTube-Video) sowie des jüngst auf dem SteamVR Developer Showcase spielbaren The Gallery: Call of the Starseed:
Das niederländische VR-Start-up Manus VR will ebenfalls zur GDC in San Francisco die erste Entwicklerversion seines gleichnamigen Datenhandschuhs präsentieren und peilt im zweiten Quartal 2016 Integration in das Lighthouse-System für die HTC Vive an. In einer angepassten Version des Surgeon Simulator präsentierten die Entwickler einen Prototypen des Konzepts mit der HTC Vive. In San Francisco sollen Nutzer hingegen die Demo-Eigenentwicklung „Pillow's Willow“ spielen können.
Eine neue Generation von Eingabemethoden ermöglicht auch neue Formen des Force-Feedbacks. Zwar hat das Reactive-Grip-Konzept aus dem Hause Tactical Haptics bei Kickstarter keinen finanziellen Erfolg gehabt, die Entwicklung wurde jedoch trotzdem fortgeführt. Die ursprüngliche Produktvorstellung zur Kickstarter-Kampagne vermittelt einen grundlegenden Eindruck der zugrunde liegenden Technik, ein vor Kurzem auf NBC veröffentlichter Science-of-Innovation-Fernsehbeitrag zeigt aktuelle Prototypen des Konzepts.