Quantum Break im Test: Actionspiel und Film in Einem lassen die Zeit stottern
3/4Ein mobiler Deckungsshooter
Nicht interaktiv zu spielen oder zu schießen ist daher nicht gleichzusetzen mit dem Ausbleiben von Unterhaltung. Im Gegenteil, tragen doch gerade die filmischen Unterbrechungen und explorativen Passagen zur Qualität des Spiels bei, weil sich Remedy die Zeit nimmt, in Ruhe zu erzählen. Das resultiert in einer Geschichte, die sich nicht auf Vorwissen oder einfache Deutungsschemata stützen muss. Durch die optionalen Sammelobjekte dürfen Spieler allerdings Länge und Grad von Verlangsamung und Informationsflut steuern.
Im Dauersprint entgehen jedoch nicht nur die gut gemachten Zusatzmaterialien, sondern auch beeindruckende Panoramen: Ein weiteres Highlight setzt die Präsentation einer aus den Fugen geratenen Welt, in der Zeit fragil wird. Ihr Fehlen oder „Stottern“ zieht regelmäßig in eine fremde Welt, in der Dynamik und Momente an vorgegebenen Stellen des Spiels vollständig eingefroren werden; das entstehende Standbild kann indes im Detail erkundet werden. Das Resultat erinnert in seiner melancholischen, gedämpften Präsentation an eine Unterwasserwelt, die Umgebung mit ihren stillstehenden Scherben, Objekten und Kugeln wird seltsam fremd und vertraut zugleich, verharrt aber in befremdlich kalter Leblosigkeit. Das kündet vom baldig drohenden Ende aller Existenz, das man als einsamer Außenseiter hilflos betrachten darf. Aus dieser Diskrepanz von Sphären entsteht ein beeindruckende Atmosphäre.
Keine Dauerballerei
Zu einer Dauerballerei wird Quantum Break aufgrund der vielfältigen Bemühungen um eine Erzählung also nicht. Das erscheint in Anbetracht der Inhalte als weise Entscheidung, weil Abwechslung dringend nötig scheint – das Gameplay ist fast schon zu konservativ ausgelegt. Eine Handvoll typischer Waffen, Deckungsmechanik, die gegenwärtig gängigen „Arena-Areale“ und sieben Gegnertypen, die Soldaten der Monarch-Privatarmee, müssen durch das Spiel tragen und sind aus Shootern eigentlich zur Genüge bekannt. Das Ergebnis: Viel Wiederholung ohne größere Änderungen oder Überraschungen.
Trotz dieser Limitierungen reicht eine solche Ausstattung aus zwei Gründen, um ordentlich zu unterhalten. Denn Jack Joyce tritt gegen eine gut ausgerüstete Privatarmee an, deren Schutzwesten nicht aus Papier bestehen. Zusammen mit zahlenmäßigen Vorteilen und aggressivem Vorgehen teilen die Monarch-Truppen im Duell auf Augenhöhe ordentlich aus. Das zwingt zum Einsatz der „Zeitkräfte“: Spieler dürfen die Zeit in einem kleinen Bereich einfrieren, sich kurze Strecken teleportieren, Zeitbomben werfen oder sich unter eine heilende Schutzglocke stellen.
Dieses Repertoire gewährt nicht nur den dringend benötigten Vorteil im Kampf, sondern ermöglicht es, sich auch abseits von Deckung zu bewegen, an die Spieler im Genre normalerweise gebunden werden; das Cover-Shooter-Grundgerüst kann Remedy erfolgreich dynamisieren. Die fast schon unvermeidlichen Upgrades für Fertigkeiten speisen sich indes aus Zeitpartikeln, die es aufzuspüren und einzusammeln gilt. Nötig ist das jedoch nicht, das System wirkt aufgesetzt. Praktisch gleichen sich die Gefechte trotz ungewöhnlicher Fertigkeiten zu sehr. Hier fehlen Möglichkeiten, die Umgebung zu beeinflussen oder Fertigkeiten zu modifizieren – jeder Schlagabtausch verläuft im Prinzip nach dem gleichen Schema; einfallslos ist schließlich auch die große Konfrontation am Ende des Spiels. Wirklich beeinträchtigen kann das den Spaß jedoch nicht, weil die Geschichte als wichtigster Teil von Quantum Break zu einem befriedigenden Ende gebracht wird.
Jump'n'Run in der Zeitblase
Spannender sind frische Ideen, die Remedy aus dem Setting spinnt: Während einer Zeitblase werden nicht alle Objekte exakt in einem Zustand eingefroren. Bisweilen treffen Spieler daher auf Dinge, die zwischen mehreren Positionen hin- und herwechseln. Fallen und Jump'n'Run-Passagen erzeugt das Spiel so kreativ aus den fiktional-physikalischen Gegebenheiten und kann so mit einem weiteren Höhepunkt aufwarten, auch, weil sich die Zeit potentiell für wenige Sekunden verflüssigen kann – und so die Umgebung auf den Kopf zu stellen vermag. Besonders anspruchsvoll sind die zu seltenen Passagen aber nicht, zumal bisweilen durch die nicht mehr eindeutig fixierte Zeit ein zukünftiger Jack Joyce Lösungen vorgibt. Aus dem Setting hätte sich eindeutig mehr machen lassen; die lineare Führung des Spielers erweist sich an solchen Stellen, die eine hervorragende Umgebung für Rätsel und Kreativität bieten können, als ein zu enges Korsett.
Auch das Gameplay kann stottern
Bisweilen stottert neben der Zeit auch die Führung des Spielers: Nicht immer wird klar, wie offene Areale zu verlassen sind. Das mündet vor allem in den ersten beiden Episoden in stupidem Herumprobieren, weil Klettern nur an vorgegebenen Punkten möglich ist – derartige Interaktionsoptionen werden mitunter aber erst nach einer„Zeitvision“ freigeschaltet, die per „Zeitsicht“ entdeckt und aktiviert werden muss, aber nicht immer auch gut sichtbar ist. Dazu gesellt sich eine bemerkenswerte Ungeduld von Nebencharakteren, die in krassem Kontrast zum ruhigen Erkunden steht, zu dem das Spiel oft einlädt. Die Penetranz, mit der zu dieser oder jener Aktion aufgefordert wird, während der Spieler verzweifelt die vorgegebene Route oder Upgrade-Punkte sucht, kann kurzzeitig zu merklicher Eintrübung der sonst so gelungenen „Entertainment Experience“ führen; Spielerführung und krasse Linearität sind nicht immer zufriedenstellend in Übereinstimmung gebracht.