Kommentar: Politisches Geschwätz von den Gigabit-Netzen
Digitale Banalitäten
Nichts als Banalitäten. In der letzten Woche hat sich die Bundesregierung auf der Klausurtagung mit der Digitalen Agenda befasst. Nun legt das Wirtschaftsministerium mit einem „Grünbuch Digitale Plattformen“ nach, um eine Strategie bis zum Jahr 2025 zu entwickeln. Es sollen die Weichen für die digitale Zukunft in Deutschland gestellt werden. Doch der Eindruck, den die zwölf Thesen und 52 Fragestellungen bislang hinterlassen, ist schlicht banal.
Mehr Bettlektüre denn Strategiepapier
Erneut ist es dem Wirtschaftsministerium gelungen, die Debatte um die Digitalisierung auf einer abstrakten Ebene einzuschläfern. Viele warme Worte, Floskeln von Innovationen und Investitionen, also in der Summe das perfekte Politik-Opiat. Und selbst wenn man die Worthülsen beiseite schiebt, sind die Thesen inhaltlich ebenfalls weitestgehend mau. Denn es ist nun wirklich nicht neu, dass traditionelle Geschäftsmodelle von der Digitalisierung überrollt werden. Ein ebenso alter Hut ist die Frage, wie sich die Marktmacht von Internetriesen wie Amazon, Facebook und Google einschränken lässt.
Wenn Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig nun von „der Digitalisierung eine Richtung geben“ spricht, klingt das nicht wie zeitgemäße Politik. Vielmehr wirkt es wie ein Autofahrer, der das Steuer rumreißt, obwohl er die Karre schon längst an die Wand gesetzt hat.
Glasfaserausbau als politische Floskel
Das Paradebeispiel für den digitalen Murks ist dann auch der Glasfaserausbau. So heißt es in der dritten These des Grünbuchs:
Deutschland muss sich das ehrgeizige Ziel setzen, in zehn Jahren die beste digitale Infrastruktur der Welt zu haben. Bisher hat staatliche Regulierung vor allem Markt- und Wettbewerbsfragen im Blick. Künftig geht es auch darum, für Unternehmen, die diese Netze schaffen und betreiben, mit dem Ordnungsrahmen stärkere Anreize für Investitionen und Innovation zu setzen.
Konkret bedeutet das: Bis 2025 soll in Deutschland ein Glasfasernetz existieren, das Gigabit-Geschwindigkeiten sowohl im Up- als auch im Down-Stream bietet. Erstaunlich wird es allerdings bei den Maßnahmen: Neben den bekannten Förderprogrammen und dem DigiNetz-Gesetz plant das Wirtschaftsministerium einen „Runden Tisch Gigabitnetz“. Internetanbieter, Politik, Verbände und Unternehmen sollen sich demnach zusammensetzen, um gemeinsam eine Strategie zu entwickeln.
Wenn man sich nun aber den Status Quo anschaut, wirkt das wie ein schlechter Witz. Denn die Atmosphäre ist völlig vergiftet, seit die Telekom den Nahbereich um die Hauptverteiler exklusiv mit Vectoring ausbauen will. Ein Affront für die Konkurrenz im Festnetz, die eine Re-Monopolisierung befürchtet. Und die ohnehin Vectoring überspringen will, um direkt Glasfaseranschlüsse (also FTTH/B) zu verlegen – allerdings geht dieser Weg auch mit höheren Kosten einher. Die Telekom sieht sich derweil dem Druck der Kabelnetzbetreiber ausgesetzt, die vor allem in den lukrativen Ballungsräumen eine Anschlussgeschwindigkeit von deutlich über 100 Mbit/s bieten.
Bundesregierung drückt sich um Entscheidung
Kurz: Es wäre Zeit für eine klare Entscheidung der Bundesregierung. Soll nun also Vectoring vorangetrieben werden oder direkt Glasfaser bis zu den Häusern? Will man die Telekom als Big Player im Markt protegieren, oder ist doch der Wettbewerb das Leitmotiv, wie es etwa die EU fordert? Eine klare Antwort liefert auch das Wirtschaftsministerium nicht. Stattdessen ist etwa von der „schrittweisen Erschließung der „letzten Meile“ mit günstig und schnell skalierbaren Gigabitnetzen“ die Rede, was sich als Bekenntnis für das Vectoring interpretieren lässt. Ebenso klingen die Regulierungsfloskeln verdächtig nach altbekannten Forderungen der Telekom.
Doch letztlich bleiben die Formulierungen so vage, dass es alles oder nichts bedeuten kann. Im Kern ist das Konzept der Bundesregierung also nicht mehr als politisches Geschwätz. Die Drecksarbeit übernimmt derweil die Bundesnetzagentur. Denn es ist die Regulierungsbehörde, die im Streit zwischen der Telekom und den Festnetz-Konkurrenten die Entscheidungen fällen muss.
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