Vectoring: Bundesnetzagentur gibt im Streit mit der EU klein bei
Seitdem die EU-Kommission eine intensive Prüfung des Vectoring-Beschlusses angekündigt hatte, befindet sich das Verfahren in der Schwebe. Nun meldet die Bundesnetzagentur aber Vollzug: Die Regulierungsbehörde hat sich mit der EU-Kommission auf einige Zugeständnisse geeinigt, um den Antrag möglichst schnell umzusetzen.
Neuer Vectoring-Kompromiss mit alten Fragen
Laut der Mitteilung der Bundesnetzagentur soll es den Wettbewerbern der Deutschen Telekom nun ermöglicht werden, in mehr Gebieten die Vectoring-Technik selbst einzusetzen. Weitere Punkte umfassen die Vorleistungsprodukte für die „letzte Meile“ zu den Kunden: Bei den Zugangsbedingungen für virtuelle Produkte (VULA) soll nachgebessert werden. Darüber hinaus will die Bundesnetzagentur eng mit der EU-Kommission zusammenarbeiten, um die Zugangsbedingungen für das Layer 2-Zugangsprodukt festzulegen, das ebenfalls alternativ angeboten werden soll.
Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann ist nun zuversichtlich, dass die Bedenken der EU-Kommission ausgeräumt wurden: „Damit können wir jetzt die Regelungen für den Vectoring-Einsatz in den Nahbereichen zeitnah festlegen und dann allen ausbauwilligen Unternehmen grünes Licht für ihre Investitionen in den Breitbandausbau geben.“ Er rechnet nun damit, dass sowohl die Deutsche Telekom als auch die Wettbewerber jetzt ihre angekündigten Zusagen für den Vectoring-Ausbau abgeben.
Zunächst muss die EU-Kommission aber noch den neuen Antrag absegnen. Den alten Antrag vom April hat die Bundesnetzagentur heute zurückgezogen, der abgeänderte Entwurf soll der EU-Kommission und weiteren europäischen Regulierungsbehörden dann Anfang nächster Woche vorliegen. Diese haben nun einen Monat Zeit, um eine Stellungnahme abzugeben.
Wettbewerber reagieren verhalten
Grundlage des Streits ist der Vectoring-II-Antrag der Telekom. Der Bonner Konzern will den Nahbereich um die rund 8.000 Hauptverteiler in Deutschland exklusiv mit der Vectoring-Technologie ausbauen. Das Exklusivrecht hat der Bonner Konzern letztlich zwar nicht komplett erhalten, doch der Kompromiss ging den Wettbewerbern nicht weit genug – diese befürchteten nach wie vor eine Re-Monopolisierung auf dem Breitbandmarkt.
Dass die Bundesnetzagentur den alten Entwurf überhaupt zurückgezogen hat, stellt die Telekom-Wettbewerber erst einmal zufrieden. „Die Bundesnetzagentur hat nach der von vielen Seiten und insbesondere auch von der EU-Kommission geäußerten Kritik am bisherigen Vectoring-II-Beschluss nun offensichtlich die Notbremse gezogen und ihren Entscheidungsentwurf zurückgenommen“, sagt Stephan Albers vom alternativen Provider-Verband Breko.
Der Haken ist allerdings: Bislang existieren noch zu wenige Informationen, um den neuen Entwurf zu bewerten. „Außer der vagen Andeutung, dass es in verschiedenen Bereichen Verbesserungen geben solle, hat die Bundesnetzagentur keinerlei konkrete Hinweise gegeben“, erklärt VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Das gelte insbesondere für die Frage, ob bestehende Gigabit-Infrastruktur durch Vectoring überbaut wird. Ebenso unklar bleibe, ob „endlich auf die neuen Ziele der Bundesregierung eingegangen wird, die Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit Gigabitnetzen bis 2025 zu Recht und großer Zustimmung der Wirtschaft adressiert hat“.
Daher wollen beide Verbände zunächst den abschließenden Entwurf abwarten, um eine finale Analyse vorzulegen.
Die Suche nach dem Weg zur Gigabit-Netzen
Eines der Kernprobleme bei dem Vectoring-Beschluss ist also weiterhin, inwieweit dieser den Glasfaserausbau beeinflusst. Denn das politische Ziel des Antrags ist zunächst, die aktuellen Breitbandziele der Bundesregierung zu erreichen. Diese besagen: Bis 2018 sollen Anschlüsse mit 50 Mbit/s flächendeckend verfügbar sein.
Für das Danach existiert derweil noch keine einheitliche Strategie. An diesem Punkt will nun die Netzallianz ansetzen – also der Zusammenschluss von zahlreichen deutschen Telekommunikationsfirmen unter Federführung des für die digitale Infrastruktur zuständigen Verkehrsministeriums. Auf dem gestrigen Treffen wurden nun die Eckpunkte für eine Studie beschlossen, um „eine fundierte wissenschaftliche Grundlage zur zukünftigen Ausgestaltung der drahtlosen und leitungsgebundenen digitalen Infrastruktur in Deutschland“ zu erarbeiten.
Die Studie soll bis Oktober abgeschlossen werden. Anschließend will die Netzallianz darüber beraten, wie sich der Gigabit-Ausbau umsetzen lässt. Allerdings steht das Verkehrsministerium mit dem Vorhaben nicht alleine dar: Das Wirtschaftsministerium arbeitet mit dem Grünbüch bereits an einem ähnlichen Projekt.
350 Millionen Euro für den Mittelstand
Darüber hinaus hat sich die Netzallianz auf das Kursbuch 2016 verständigt. Das besagt: In diesem Jahr wollen die beteiligten Unternehmen rund 8 Milliarden Euro in den Breitbandausbau investieren. Zudem hat das Verkehrsministerium noch einen Mittelstandsfonds in Höhe von 350 Millionen Euro angekündigt. Mit diesen Geldern soll vor allem der Ausbau in Gewerbegebieten unterstützt werden, in denen der Glasfaserausbau ansonsten wirtschaftlich nicht rentabel ist.