Hearts of Iron IV im Test: Bestimme selbst den Ausgang des Zweiten Weltkriegs
Vorwort
Es gibt sie noch, die richtig harten Spiele. Mit Inhalten, die einen verzweifeln lassen. Die einen Gegenpol zur vielerorts betrauerten „Casualisierung des Gamings“ bilden. Die Hearts-of-Iron-Reihe gehört in vorderster Reihe zu dieser ungewöhnlichen Fraktion: Hier fühlen sich schon immer Militär-Nerds, Historiker und Komplexitätsfanatiker gleichermaßen angesprochen.
Für den vierten Teil schicken sich die Entwickler von Paradox an, die auf Strategie und Planung ausgelegte Simulation des Zweiten Weltkriegs in die Gegenwart zu heben. Fast sieben Jahre nach dem Vorgänger soll Hearts of Iron IV sowohl Veteranen als auch Grand-Strategy-Neulinge ansprechen. Kann das gelingen?
Hinweis: Anlass dieses Tests ist die kürzlich erschienene deutsche Version von Hearts of Iron IV, die zensiert ist. Wie in der internationalen Version fehlen auch hier die Hakenkreuze. Zudem wurde weitere NS-Symbolik entfernt und Köpfe von führenden Nazis sind unkenntlich gemacht.
Systemanforderungen
Hearts of Iron IV setzt kein besonders aktuelles System voraus. Auch auf älteren Konfigurationen sollte der Titel daher grundsätzlich flüssig laufen.
Komponente | Testsystem | Herstellerempfehlung |
---|---|---|
Betriebssystem | Windows 8.1 (64 Bit) | ab Windows 7 (64 Bit) |
Prozessor | Core i7-4790 | Core i5 750, 2,66 GHz / Phenom II X4 955, 3,2 GHz |
Arbeitsspeicher | 8 GByte | 4 GByte |
Grafik | Radeon R9 290X | GeForce GTX 570, Radeon HD 6950 |
Festplattenspeicher | ca. 2 GByte | |
Internetanbindung | Für Steam-Aktivierung |
Wir spielen 2. Weltkrieg
Der Kernreiz von Hearts of Iron ist natürlich auch im vierten Teil unverändert. „Stell dir vor, es ist 2. Weltkrieg, und du bestimmst, wie sich die Geschichte entwickelt“, lautet das Angebot. Dahinter steckt der Charme der Kontrafaktizität: Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn sich die USA früher eingeschaltet hätten? Wenn Stalin in Polen nicht gemeinsame Sache mit Hitler gemacht hätte? Wenn Deutschland keinen Zwei-Fronten-Krieg geführt hätte? Wenn die Briten frühzeitig den deutschen U-Boot-Krieg hätten beenden können?
Der Spieler übernimmt eine der in dem Setting wichtigen Nationen und kann deren Schicksal entweder ab 1936 oder ab 1939 bestimmen. Wer sich lieber selbst vorbereiten möchte, wählt die erste Option. Zudem ermöglicht ein Start ab 1936 eher alternative Ausgänge der Geschichte, da vor der großen Katastrophe mehr Zeit bleibt. Die zweite ist für all jene gedacht, die mit guten Gründen argumentieren, dass ein Hearts of Iron in Friedenszeiten langweilig ist.
In beiden Fällen gilt, dass einen die Inhalte auch im vierten Teil erschlagen. Das Tutorial ist äußerst dünn und verweist immer dann, wenn es ans Eingemachte geht, auf das unzugängliche Wiki. Das ist problematisch, weil gerade in der Tiefe einige Menüs und Einstellungen nicht selbsterklärend sind. So ist Hearts of Iron IV selbst für Kenner der Reihe zu Beginn kein einfacher Brocken. Eine Öffnung für neue Spielerkreise sieht anders aus.
Auf die Produktion kommt es an
Als Erstes gilt es, die Produktion zum Laufen zu bringen. In sogenannten Zivilfabriken lässt sich dazu die Infrastruktur errichten. Da wir die Geschichte kennen, rüsten wir in der Rolle Großbritanniens in den Vorkriegsjahren erst mal die Luftabwehr in Südengland auf und verbessern die Infrastruktur.
Außerdem errichten wir in den Provinzen Militärfabriken und Werften. In diesen wird in der Folge alles produziert, was Heer, Luftwaffe und Marine brauchen. Wir geben Schlachtschiffe in Auftrag, lassen taktische Bomber fertigen und Ausrüstung für die Infanterie herstellen. Dabei gilt: Je mehr Fabriken einem Auftrag zugewiesen sind, desto schneller wird produziert. Gut gefällt dabei, dass direkt eingeblendet wird, ob ein Defizit besteht und wie hoch es ist. Fehlen beispielsweise 5.000 Ausrüstungs-Sets für Infanteristen, kann man so schnell reagieren und Kapazitäten mit wenigen Mausklicks umschichten. An Stellen wie diesen hat sich die Übersichtlichkeit deutlich verbessert.
Die Produktion hängt direkt mit der Rekrutierung zusammen. Eine Panzerbrigade etwa lässt sich nur dann ausheben, wenn das nötige Gerät produziert wurde. Wollen wir unsere Infanterie motorisiert unterstützen, braucht es Laster. Hier ist ein umsichtiges Vorgehen gefragt, weil wir die so gebildeten Einheiten später mit einem relativ übersichtlichen Editor in Divisionen zusammenfassen müssen. Auf den Mix kommt es an.
Bei all dem wird der Spieler zwar immer wieder mit einigen Problemzonen bei der Bedienung konfrontiert. Insgesamt ist die Verzahnung der zentralen Bereiche aber gut geglückt.
Forschung, Schwerpunkte, Handel, Diplomatie
Parallel müssen den Forschungsteams Projekte zugewiesen werden. Hier hat sich die Auswahl drastisch verkleinert. Statt einzelner Komponenten kann vor allem fertiges Kriegsgerät wie bestimmte Panzer, Schiffe oder Flugzeuge freigeschaltet werden. Puristen werden dies bemängeln, uns hat diese Einschränkung – anders als manch andere – nicht gestört. Sinnvoll ist, dass man auch in die Industrie investieren und so etwa eine schnellere Produktion oder eine effizientere Rohstoffgewinnung erreichen kann. Wer in der Forschung zu schnell vorprescht, wird mit einem Malus bestraft. Zukunftstechnologie dauert so Jahre, was natürlich ein Nachteil ist – auch wenn wir die Zeit einfach vorspulen können.
Zwischendurch können wir zudem immer wieder nationale Schwerpunkte wählen, die im Zusammenspiel mit der Erfüllung von festgelegten Bedingungen in der Regel einfach bestimmte Verbesserungen und Techniken freischalten. In Deutschland lässt sich auf diesem Wege beispielsweise eine Annäherung an die Sowjetunion herbeiführen, die für den Kriegsverlauf entscheidend sein kann. Die Briten können dagegen massiv ihre Kolonien schützen und so den Status als globales Empire sichern. In den USA steht im Vordergrund, möglichst rasch die Wirtschaftskrise zu überwinden. Durch die hier gefällten Entscheidungen bestimmt der Spieler die größeren Linien, denen sein Staat folgen soll.
Rohstoffe sind neben der Produktivität die Kernwährung von Hearts of Iron. Dabei entscheidet die geografische Lage über das Aufkommen. Die USA etwa verfügen über reichlich Erdöl. Über das deutlich zusammengekürzte Handelssystem kann man bei befreundeten Staaten gegen Kapazitäten in den eigenen Zivilfabriken Rohstoffe eintauschen. Geld spielt keine Rolle. Das will nicht so richtig einleuchten. Richtig absurd ist, dass der Handel ansonsten automatisch abläuft: Jeder Rohstoff wird zu einem kleinen Prozentsatz auf dem Weltmarkt verkauft, auch wenn man eventuell eigentlich unter einem Mangel leidet.
Schade ist, dass auch die Diplomatie beschnitten wurde. Spionage existiert fast gar nicht mehr. Immerhin können wir etwas Einfluss nehmen, indem wir die Beziehungen verbessern oder die politische Landschaft in anderen Staaten beeinflussen. Als Empire lässt sich so etwa in Deutschland die demokratische Zentrumspartei stärken. Bei kleineren Ländern kann dies dazu genutzt werden, um irgendwann einen Staatsstreich zugunsten der unterstützten Kräfte herbeizuführen.