Chaos Computer Club: Abmahnbeantworter gegen unberechtigte Abmahnungen
Trotz aller Kritik und Debatten der letzten Jahre: Standardisierte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen stellen für einige Anwaltskanzleien immer noch ein Geschäftsmodell dar. Nun haben der Chaos Computer Club (CCC) und der Förderverein freie Netze (Freifunk) einen automatisierten Abmahnbeantworter veröffentlicht.
Das Ziel: Betroffene sollen ohne großen Aufwand auf unberechtigte Abmahnungen reagieren können. Für den CCC geht es dabei um Chancengleichheit: „Manche Abmahnanwälte arbeiten mit generischen, automatisch formulierten und massenweise verschickten, oft aber unberechtigten Schreiben.“ Dennoch würden viele zu unrecht Betroffene den Kanzleien nachgeben. Zu den Gründen zählen dabei knappe Fristen für eine Antwort sowie die Angst vor weiteren Kosten durch juristische Beratung und einen möglichen Prozess mit unklarem Ausgang.
Mit dem Abmahnbeantworter soll es nun möglich sein, ebenfalls halbautomatisch gegen diese Schreiben anzukämpfen. Aus juristischer Sicht sollen die Abmahner damit unter Zugzwang gesetzt werden, um eine unberechtigte Abmahnung zeitnah zurückzunehmen.
Unberechtigt heißt in diesem Kontext übrigens, dass der Anschlussinhaber ausschließen kann, selbst gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Und dabei handelt es sich nicht nur um eine Floskel, denn letztlich kann es auch trotz des Abmahnbeantworters zu einem Gerichtsverfahren kommen.
Unterstützung für Freifunk- und Tor-Aktivisten
Mit der Webseite wollen der CCC und Freifunk vor allem Aktivisten unterstützen, die etwa als Freifunker und Mitglieder der Tor-Community für eine freie Kommunikation eintreten. Zudem sollen mehr Menschen ermutigt werden, ihren Internetanschluss für Nachbarn und Passanten zu öffnen. „Dass einige Kanzleien in Deutschland mit automatisierten Abmahnverfahren versuchen, ihren Reibach zu machen, hat sich zu einem ernsten Hindernis für freie Kommunikation entwickelt“, erklärt daher CCC-Sprecher Linus Neumann. Mit dem Abmahnbeantworter wolle man „diesen Sumpf nun trockenlegen“.
Die Vereine haben das Tool zusammen mit Juristen entwickelt, die „jahrelange Erfahrungen in der Verteidigung von Aktivisten aus der Freifunk- und Tor-Community gesammelt haben“. Versprochen wird zudem der Schutz der Privatsphäre. Keinerlei Informationen sollen auf dem CCC-Server landen, die Abmahnbeantworter-Seite erstellt lediglich ein fertiges PDF.
Rechtsanwalt warnt vor dem Abmahnberater
In einer ersten Reaktion warnt der Rechtsanwalt Markus Kompa – selbst CCC-Mitglied – allerdings vor dem Abmahnbeantworter. Das Problem mit dem automatisierten Schreiben ist demnach: Der Betroffene gibt zu viele Informationen preis. So lässt sich innerhalb des Tools etwa auswählen, dass man zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung nachweislich nicht zu Hause war oder Besuch hatte. Zudem kann angegeben werden, dass die Störerhaftung nicht greife, weil man etwa ein Freifunk-Netzwerk betreibe oder den Internetanschluss mit mehreren Mitbewohnern teilt.
Für Kompa sind solche Angaben jedoch nicht allzu clever. Denn: „Solche Geschwätzigkeit ist taktisch äußerst unklug. Denn wer sich ohne Not verteidigt, klagt sich an – und liefert den Abmahnern wertvolle Informationen, die zur Beurteilung der Erfolgsaussichten eher hilfreich als abschreckend sind.“
Sinnvoller sei es vielmehr, wenn die Abmahner nichts über den Betroffenen erfahren. Auf diese Weise bleibe unklar, wie sich der- oder diejenige verteidigen kann und ob überhaupt was zu holen sei. Klar sei lediglich bei der Antwort eines Anwalts, dass es eine professionelle Verteidigung gebe. Laut Kompa habe diese Taktik bei seinen Mandaten dazu geführt, dass bis auf eine Ausnahme keiner verklagt wurde. Denn die Abmahnkanzleien würden tendenziell eher den Weg des geringsten Widerstands wählen und sich leichtere Gegner suchen.
Forderung nach mehr Transparenz
Einhergehend mit der Veröffentlichung der Abmahnbeantworter-Seite fordert der CCC, dass die Abmahnindustrie generell zurückgedrängt werde. Zwar habe mittlerweile auch die Bundesregierung „die kontraproduktive Wirkung der Störerhaftung auf den offenen Netzzugang“ erkannt, doch das alleine reiche nicht aus.
Deswegen sollten Kanzleien künftig verpflichtet werden, bei standardisierten Abmahnungen einen ebenso generischen Vordruck beizulegen – also im Prinzip ein Schreiben, wie es der Abmahnbeantworter erstellt. Bei gerichtlichen Mahnverfahren sei das etwa ohnehin schon der Fall.
Zudem müsse es mehr Transparenz bei den Kosten geben, die bei einer Kanzlei für das Erstellen einer Abmahnung anfallen. Und Beweise, die die Grundlage für die Abmahnung darstellen, sollten so geschildert werden, dass auch juristische Laien diese verstehen und nachvollziehen können.