F1 2016 im Test: Hier wird auch Rosberg Weltmeister
4/5Karriere machen
Neben der Option, eine einzelne Saison in der Haut realer Piloten zu fahren – hier kann auch Rosberg einmal Weltmeister werden – ist der (wiederentdeckte) Karrieremodus das eigentliche Kernstück von F1 2016, in dem solche Taktikspielereien in größerem Umfang ihr Spielfeld finden. Das Ziel bleibt simpel: Natürlich soll sich das Alter Ego in zehn Jahren Karrieredauer mindestens einmal zum Weltmeister krönen. Wie schnell das klappt und wie groß der Erfolgsdruck ist, hängt vom gewählten Team ab. Neben dem fahrerischen Aspekt tritt zudem, sofern Spieler ihr Team nicht wechseln wollen, eine langfristige strategische Seite: Mit dem neuen Entwicklungsreiter bestimmen Spieler, in welchen Bereichen das Team sein Fahrzeug verbessert. Sofern mehr Upgrades als bei der Konkurrenz entwickelt werden, kann so auch ein Hinterbänkler im Laufe der Jahre zum Sieganwärter aufsteigen.
Endlich spannend: Das freie Training
Um das Auto überhaupt entwickeln zu können, müssen jedoch Ressourcen verdient werden. Die gibt es einerseits für das (Über-)Erfüllen von Zielvorgaben in Qualifying und Rennen, aber auch für Entwicklungsfahrten, die dazu motivieren, das Freie Training endlich einmal zu nutzen. Wer dort die Strecke kennenlernt, Reifenprogramme fährt und eine Qualifying-Simulation absolviert, verdient sich weitere Punkte und kann so schneller Fortschritte erzielen. Damit werden Trainingssitzungen aber nicht nur interessanter, sondern Spieler erhalten auch sinnvolle Hilfen zur Selbstoptimierung mit Hilfe der Datenauswertung in der Box. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Da bei jedem Rennen nur dieselben drei Programme gefahren werden, fehlt es mittelfristig an Abwechslung. Außerdem stören beim Tüfteln in der Box überflüssige Animationen.
Kurzum: F1 2016 vermittelt das Gefühl, ein nahezu vollständiges und detailgetreues Rennwochenende und Rennjahr zu erleben, bei denen eine Menge bedeutsamer und gewichtiger Entscheidungen getroffen werden können, die Auswirkungen auf den Erfolg haben. Stärker involviert werden Spieler nun auch beim Rennfahren selbst, und zwar nicht nur bei Start, Boxenstopp und Reifenmanagement, sondern auch bei den Zweikämpfen im direkten oder Fernduell.
Viele Detailverbesserungen
Dazu tragen kleinere Verbesserungen der künstlichen Intelligenz bei. Die trägt zwar noch immer die Codemasters-Signatur, hat also Probleme mit dem Überholen und dem Bremspunkt, ist aber generell schneller geworden und neigt weniger zu Unfällen, was die Retortenfahrer in Verbindung mit einer besseren Gesamtabstimmung natürlicher wirken lässt. Indirekte Zweikämpfe werden nun häufiger über die Rennstrategie geführt. Dazu ist die Kommunikation mit der Box unerlässlich, bei der sich viele relevante Informationen abfragen lassen. Weil das Menü deshalb ausufert, existiert eine gut funktionierende Sprachsteuerung, die auch mit Nuscheln oder Akzent zurechtkommt.
Zusammen mit dem Ändern der Balance und Benzinmischung gibt es immer etwas zu tun, das über das reine Fahren hinausgeht, und sei es, lediglich den Überblick über Strategien und Konkurrenten zu behalten. Hilfestellung gibt der Boxenstand auch ungefragt, indem alternative Strategien anhand des Rennverlaufs vorgeschlagen werden. So können Spieler Lücken im Feld ausnutzen, die sie selbst nicht sehen können. Allerdings treffen die Techniker nicht immer ins Schwarze: Während freier Trainings wird regelmäßig in Wiederholung darüber informiert, dass das Wetter auf absehbare Zeit trocken bleibt. Außerdem schleichen sich kleine Unsinnigkeiten ein. Wer spaßeshalber in einem Trockenrennen nach dem letzten Halt für einen etwaigen nächsten Stopp Regenreifen wählt, erhält diese als alternative Strategie mehrfach vorgeschlagen.
Verbesserungen im Detail
Zahlreiche weitere Verbesserungen erschließen sich ebenfalls erst in Details. Dazu gehören die bessere Kollisionsphysik mit weniger Rubberbanding und eine solidere „TV-Präsentation“, die in Rennwochenenden und einzelne Sitzungen mit simuliertem Fachgespräch einführt. Für die deutsche Sprachausgabe wurde jedoch noch immer Heiko Wasser (RTL) verpflichtet, der zumindest umstritten ist und mit dem namenlosen Retorten-Zweitsprecher in keiner Weise harmoniert – eine eigentlich detailgetreue Repräsentation der Übertragungsqualität im Fernsehen. Besser gelingt die englische Variante, bei der beide Sprecher, darunter Anthony Davidson (Radio 5 Live), auf Augenhöhe agieren.
In Details zeigt F1 2016 neben Fortschritten also auch Schwächen, wenngleich hier die Messlatte deutlich höher hängt. Die neuen Spielelemente werden etwa nur über Video-Tutorials erklärt; eine allgemeine Einführung, für die sich ein Young-Drivers-Test hervorragend eignen würde, gibt es hingegen nicht. In Teilbereichen wie der Regensimulation, die keine Pfützen kennt, bleibt der Titel zudem hinter Genrestandards zurück. Außerdem stellt sich erneut die Frage, warum im Karrieremodus nur mit den Daten einer Saison gefahren werden kann; Historie ist ein wesentlicher Teil des Sports, der weiterhin ignoriert wird. Dem Spaß am Fahren in F1 2016 tut das jedoch keinen Abbruch.