Urheberrecht: EU plant Leistungsschutzrecht für Europa
Obwohl das Leistungsschutzrecht in Deutschland und Spanien mehr oder weniger gescheitert ist, hält die EU-Kommission weiterhin an der Idee fest. Entsprechende Pläne finden sich in der Vorlage für die europäische Urheberrechtsreform, die im September offiziell vorgestellt werden soll.
Das geht aus einem 180-seitigen Entwurf hervor, den Statewatch (PDF) veröffentlicht hat. Im Kern geht es immer noch um dasselbe Ziel: Online-Plattformen wie Google sollen eine Gebühr an die Presseverlage zahlen, wenn kleine Textausschnitte neben den Treffern in der Suchmaschine angezeigt werden. Damit will die EU-Kommission das digitale Geschäft für die Verlage erleichtern, denn nach wie vor leiden viele unter dem Wandel vom Print- zum Online-Vertrieb.
„Exklusives Recht“ für Verbreitung der Inhalte
Mit der Urheberrechtsreform sollen die Verlage künftig ein „exklusives Recht“ erhalten, wenn ihre Inhalte veröffentlicht werden. Auf diese Weise wäre etwa Google gezwungen, eine Vereinbarung zu treffen, um die entsprechenden Artikelausschnitte in Angeboten wie Google News einzubinden. So soll die Verhandlungsposition der Verlage verbessert werden, denn bis dato hatten diese im gegenüber den Online-Riesen stets das Nachsehen.
Dementsprechend erklärt auch ein Sprecher der EU-Kommission auf Anfrage der Financial Times: „Wenn Presseverlage ein solches Recht erhalten, würde das nicht die Art und Weise beschränken, wie Nutzer Hyper-Links im Internet teilen.“ Vielmehr würde es die Rolle der Verlage als Investoren für Inhalte stärken.
Ein hoffnungsloser Plan?
Ob das gelingen kann, ist allerdings zweifelhaft. So erklärt etwa die für die Urheberrechtsreform zuständige EU-Abgeordnete Julia Reda gegenüber der Financial Times: „Sie erkennen, dass das deutsche und das spanische Gesetz nicht funktioniert haben, versuchen nun aber strukturell dasselbe nochmal.“ Daran würde auch ein exklusives Recht nichts ändern, selbst wenn es auf EU-Ebene durchgesetzt werde.
Letztlich sei Google – denn im Kern zielt das Leistungsschutzrecht praktisch ausschließlich auf Google – schlicht zu groß. Es sei „Wahnsinn“, wenn die Verlage glauben, diesen Kampf gewinnen zu können, so Reda.
Deutschland und Spanien als warnendes Beispiel
Wie eine so anvisierte Zwangseinigung missglücken kann, verdeutlicht ohnehin das Leistungsschutzrecht in Deutschland und Spanien. Die Haltung von Google ist klar: Es werden keine Gebühren bezahlt, lieber verzichtet man auf die Inhalte der Presseverlage. In Spanien schloss Google die regionale Ausgabe von Google News, in Deutschland mussten die Verlage eine Verzichtserklärung unterschreiben, damit die Inhalte noch samt Anreißertext und Teaserbild gelistet werden.
Ein Vorgehen, das sowohl das Bundeskartellamt als auch die Monopolkommission unterstützen. Niemand könne Google zwingen, die hauseigenen Angebote so zu gestalten, dass Gebührenzahlungen fällig sind. Für die Verlage ist das zwar ein Missbrauch von Googles Marktmacht, doch vor Gericht sind sie mit der Argumentation bislang stets gescheitert.
Weitere Punkte: Bildung und Geoblocking
Das Leistungsschutzrecht ist allerdings nur einer von vielen Punkten in der Reform. Im Bereich Bildung soll etwa durch ein einheitliches EU-Recht der Austausch von Daten und Lehrmaterialien erleichtert werden. Zudem soll „Text und Data Mining“ (TDM) zu Forschungszwecken gestattet werden, zumindest wenn es im öffentlichen Interesse ist. Netzpolitik.org bezweifelt allerdings in einer ersten Analyse, ob eine neue Regelung tatsächlich ein Fortschritt gegenüber dem Status Quo ist.
Ebenfalls auf der Agenda steht das Geoblocking. Eine vollständige Abschaffung innerhalb von Europa ist zwar nicht mehr geplant, über Einschränkungen wird aber nach wie vor diskutiert.
Ein großer Wurf wird gefordert
Es ist also wenig überraschend, dass insbesondere Netzaktivisten mit der Reform derzeit noch nicht zufrieden sind – der erhoffte große Wurf bleibt aus. Der ist es aber, den etwa die Mozilla Foundation in einer aktuellen Petition fordert.
Im Kern lautet die Forderung: Ein zeitgemäßes Urheberrecht ist entscheidend für Bildung, Forschung und Kreativität, dementsprechend müsse es an die Regeln der digitalen Welt im 21. Jahrhundert angepasst werden. Als Beispiele werden Mashups, Memes und GIFs genannt, die zwar ein fester Bestandteil der Internetkultur sind, in vielen europäischen Ländern aber eigentlich nicht rechtmäßig sind, weil urheberrechtlich geschützte Werke verarbeitet werden.
Deswegen müsse ein zeitgemäßes Urheberrecht eine Fair-Use-Klausel erhalten, indem etwa eine Ausnahme für nutzergenerierte Inhalte geschaffen wird. Denn: „Ein Schlüsselelement für die Bedeutung des Internets ist das Prinzip der erlaubnisfreien Innovation – jeder kann überall etwas entwickeln und ungehindert sein Publikum erreichen.“ Dieses Prinzip sei allerdings in Gefahr, wenn etwa Gebühren für alltägliche Aktionen wie „das Erstellen von Hyperlinks oder Hochladen von Inhalten“ fällig werden.
Genau in diesem Bereich tendiert die EU-Kommission aber derzeit in die andere Richtung. In dem aktuellen Vorschlag heißt es etwa, dass Filter für urheberrechtlich geschützte Inhalte gefördert werden sollen, um solche Inhalte schon beim Upload automatisch zu identifizieren – entsprechende Systeme nutzt etwa YouTube. Der Standpunkt der EU ist dabei: Derzeit würden vor allem große Online-Plattformen profitieren, wenn die Nutzer die geschützten Inhalte hochladen. Wenn diese aber rechtzeitig identifiziert werden, könnten auch die jeweiligen Urheber an den Einnahmen der Plattformen beteiligt werden.
Konkret wird die Debatte allerdings erst in der zweiten Septemberhälfte. Dann will die EU-Kommission die geplante Urheberrechtsreform offiziell vorstellen.