Marktanalyse: Wie erfolgreich ist VR?
Wie erfolgreich ist VR?
Seit knapp vier Monaten sind die ersten Virtual-Reality-Systeme HTC Vive und Oculus Rift für Endkunden verfügbar. Aber wie erfolgreich sind sie?
Auf der GDC Europe 2016 präsentierte Patrick Walker vom Marktforschungsunternehmen EEDAR eine spannende Analyse zu der derzeitigen Verbreitung der virtuellen Realität auf dem PC, aktuellen VR-Trends und einem möglichen Fahrplan in Richtung „Mainstream“-VR, bei dem PlayStation VR, Smartphones und Apple eine große Rolle spielen könnten.
200.000 Rift und Vive in den USA im Einsatz
„Zum ersten Mal haben wir wirklich Marktdaten über VR!“, zeigte sich Patrick Walker, Vice President der Abteilung „Insights & Analytics“ beim auf die Unterhaltungsindustrie spezialisierten Marktforschungsunternehmen EEDAR, zum Beginn seines Vortrags erfreut.
Mit Stand Juli 2016 sollen in den USA, denn nur darauf beziehen sich die Daten, 200.000 Oculus Rift und HTC Vive abgesetzt worden sein. Verglichen mit dem restlichen nordamerikanischen Videospielmarkt (PC und Konsole: 38,3 Millionen Spieler im Juli 2016) sind die VR-Besitzer zwar nur ein kleiner Prozentsatz, dafür investieren sie jedoch sowohl mehr Zeit als auch Geld in ihr Hobby als andere Spielergruppen.
Die „Wartenden“ sind jedoch ganz klar in der Mehrheit: Während nach den Hochrechnungen der Marktforscher 21,9 Millionen Spieler bereits etwas von PC- oder Konsolen-VR-Systemen gehört haben, erwägen 7,5 Millionen Interessierte den Kauf eines VR-HMDs innerhalb der nächsten 18 Monate. Zudem scheint es demografisch große Überschneidungen zwischen Nutzern von VR-Systemen für PC und Smartphones sowie der „Core“-Spielergruppe auf PC und Konsole zu geben: Die Nutzer sind überwiegend männlich im durchschnittlichen Alter von 28 bis 32 Jahren.
Interessierte Entwickler mit viel Geld
Die Kaufabsichten der Spieler und deren Zahlungsbereitschaft sind ein Grund, warum sich Entwickler zurzeit auf VR stürzen, der andere sind die stark gewachsenen Finanzmittel, die Investoren in Anbetracht der rosigen Aussichten freigegeben haben.
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Patrick Walkers Vortrag auf der GDC Europe 2016 (Bild: EEDAR)
Betrug das finanzielle Investment in den AR-/VR-Bereich 2013 noch 175 Millionen US-Dollar, wird sich diese Summe nach Schätzungen des Marktforschungsunternehmens beinahe verzehnfachen: Bis zum Ende des Jahres geht der Analyst von einer Investitionssumme von circa 1,7 Milliarden US-Dollar aus. Im Vergleich dazu: 2015 wurden geschätzte 750 Millionen US-Dollar in den aufstrebenden Markt investiert. Wird die jüngste 800-Millionen-US-Dollar-Großinvestition in das AR-/VR-Start-up Magic Leap aus der Kalkulation ausgeschlossen, bleibt es bei einem stetigen Finanzierungswachstum im AR- & VR-Sektor. In diesem Fall gehen die Marktforscher bei EEDAR von 900 Millionen US-Dollar für das Jahr 2016 aus.
Augmented Reality wird mehr Zeit benötigen
Während die aktuellen und kurz bevorstehenden VR-Systeme für Endkunden und Nutzer bereits zur Realität gehören, muss der Augmented-Reality-Bereich noch einen „langen Weg“ zurücklegen, bis ihn eine ähnlich „strahlende Zukunft“ erwartet. Während Oculus Rift und HTC Vive mit 699 beziehungsweise 899 Euro zu Buche schlagen und zusätzlich einen leistungsstarken Computer voraussetzen, werden für Entwicklerkits aktueller AR-Systeme wie beispielsweise Microsofts Hololens vierstellige Summen fällig, da die für die Berechnungen benötigte Technik im AR-Headset selbst untergebracht werden muss.
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Patrick Walkers Vortrag auf der GDC Europe 2016 (Bild: EEDAR)
Die „Preissensitivität“ der Kunden und die damit einhergehenden Preisgrenzen gehören zu den größten Hürden, die das VR-Medium in den kommenden Jahren bewältigen muss. In der aktuellsten „PlayerPulse“-Meinungsumfrage des Unternehmens, bei der 3.800 VR-interessierte Spieler (Nichtbesitzer von VR-Systemen) in Nordamerika befragt wurden, ließen sich unter anderem drei wichtige Preiskategorien auf dem Weg der virtuellen Realität zum Massenmedium erkennen.
300 US-Dollar sind eine magische Hürde
Zehn Prozent der befragten Spieler gaben an, bereit zu sein, bis zu 600 US-Dollar für ein VR-System auszugeben. Eine hohe Marktdurchdringung würde das VR-Medium erst ab HMD-Preisen von 300 US-Dollar erlangen: 60 Prozent der VR-Interessierten gaben dies als ihr Preislimit an. Bis zu 85 Prozent würden sich mit VR-HMD-Preisen von 100 US-Dollar locken lassen (Preisregion: Samsung Gear VR) und 100 Prozent mit Preisen von 50 US-Dollar (Preisregion: Google Cardboard).
Die Preisempfindlichkeit für VR-Systeme wirkt sich laut Walker jedoch nicht in gleichem Maße auf die Kaufbereitschaft für VR-Inhalte aus. Befürchtungen um eine Billigpreis- oder Kostenloskultur ähnlich dem App-Markt für Smartphones nahm -Abteilung Walker den Wind aus den Segeln: „Die hohen Preissetzungen halten den niedrigeren Stand“. Auch seien „die Leute bereit zu zahlen“ – eine Einstellung, die im Mobile-Segment für Apps eher zur Ausnahme statt Regel zählt.
Erfolg in Nutzerzahlen bedeutet nicht zwangsweise finanzielle Sicherheit
VR-Spiele im Preissegment oberhalb der 20-US-Dollar-Grenze sowie zwischen 10 bis 19,99 US-Dollar verbuchen durchschnittlich mehr Besitzer (13.538 respektive 11.117) als günstigere Angebote. Wenig überraschend werden VR-Inhalte auch nicht in langen Spielsitzungen gespielt, das lässt zumindest die durchschnittliche Spielzeit von beliebten Steam-VR-Spielen erkennen. Dafür jedoch „kommen die Leute zum Spielen in VR zurück“, bleiben also über längere Zeit aktiv.
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Patrick Walkers Vortrag auf der GDC Europe 2016 (Bild: EEDAR)
Für die oberen zehn Prozent der erfolgreichsten VR-Anwendungen und Spiele auf Valves Steam-VR-Plattform bedeutet das dennoch keinen Reichtum: Kostenlose oder dem VR-Headset beiliegende Spiele verzeichneten im Durchschnitt 115.110 Nutzer. Bei kostenpflichtigen Spielen verzeichneten die oberen zehn Prozent immerhin 46.230 Besitzer, der allgemeine Durchschnitt (über 158 VR-Spiele hinweg) lag jedoch bei knapp 9.000 digital verkauften Exemplaren. Nur die erfolgreichsten VR-Titel können demnach Absatzzahlen im fünfstelligen Bereich erzielen. Für Entwickler an der Front des VR-Geschehens ist die Marktgröße ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko.