Steam: Entwickler üben Kritik am neuen Review-System
Die Änderungen am System der Nutzerreviews auf Steam werden von vielen Spielentwicklern negativ aufgenommen. Kritik hagelt es vor allem unter den Betreibern von Crowdfunding-Kampagnen, da Wertungen über Key-Aktivierungen nun nicht mehr zählen. Einige halten die Maßnahmen für nötig, andere fordern eine umfassende Überarbeitung.
Key-basierte Reviews zählen nicht mehr
Zum Wochenbeginn hatte Valve das System für Bewertungen von Spielen durch Nutzer angepasst. Während zuvor sämtliche Reviews die Basis für den offiziellen Review-Score bildeten, werden nun nur noch die Bewertungen von direkten Käufen über Steam gewertet. Wurde ein Spiel hingegen über einen Aktivierungsschlüssel freigeschaltet, sind Reviews zwar immer noch möglich, nur zählt die Bewertung nicht mehr für den offiziellen Score. Mit diesem Schritt will Valve gegen gefälschte Reviews vorgehen. Entwickler hätten Aktivierungscodes genutzt, um mit vervielfältigten positiven Bewertungen den Review-Score zu ihren Gunsten anzupassen.
Crowdfunding-Titel deutlich benachteiligt
Dass dadurch aber auch legitime Bewertungen außen vor bleiben, ist ein Nachteil der neuen Methodik. Gerade unter den Entwicklern, die ihre Titel über eine Schwarmfinanzierung beispielsweise auf Kickstarter populär gemacht haben und Unterstützern das Spiel per Steam-Aktivierungscode zukommen ließen, herrscht Empörung. Die Spiele-Website Kotaku hat eine ganze Reihe von Äußerungen auf Twitter aus der Entwicklergemeinde gesammelt.
So meldete sich zum Beispiel Kieron Kelly vom Entwicklerstudio Larian, das hinter dem Rollenspiel Divinity: Original Sin steht, zu Wort: „Die neue Steam-Bewertungspolitik wird wehtun. Als Kickstarter-Entwickler werden deine leidenschaftlichsten Fans jetzt zum Schweigen gebracht.“
„Damit bin ich wahrscheinlich aus dem Geschäft“, formuliert Simon Roth, Indie-Entwickler des Sci-Fi-Titels Maia, dramatisch. Er hatte sich erhofft, dass die Crowdfunding-Unterstützer die Bewertungen für sein Spiel verbessern würden. Nicht zu Unrecht beklagt er das geraubte Potenzial: „... ich habe 16000+ User, die niemals in der Lage sein werden, mir ein Review zu hinterlassen, das zum Score zählt.“
Nicht nur Entwickler, auch Spieler verfälschen Bewertung
David Pittman, der an den Action-Titeln Eldritch und Neno Struct mitwirkte, begrüßt das neue System einerseits. „Ich denke hauptsächlich, dass die Steam-Review-Änderungen gut sind“, schreibt er auf Twitter. Doch sei die Art und Weise, dies nur auf Entwickler zu münzen, „unaufrichtig“. Seiner Erfahrung nach würden „weitaus mehr Spieler“ das Review-System missbrauchen.
„Letzte Woche habe ich Nischentitel gesehen, die mit 80+ offensichtlich bezahlten Reviews erschienen“, sagte Dave Gilbert vom auf Adventures spezialisierten Indie-Studio Wadjet Eye Games. „Heute sind diese Reviews auf 4 gesunken. Und dies war wohlverdient ...“. Doch folgt auf das Lob zugleich Kritik, denn ein Großteil der Fangemeinde würde die Titel direkt über den Shop des Entwicklers einkaufen. Durch das neue System haben deren Empfehlungen keine Bedeutung mehr: „... diejenigen, die am ehesten das Spiel loben und uns die besten Bewertungen geben würden, können es nicht“.
„Steam hat es übertrieben, aber wird es richten“
Alexis Kennedy, Autor hinter Fallen London und Sunless Sea, findet, dass Steam es übertrieben hat: „Ich glaube auch, dass sie die Grenze überschritten haben. Aber ich glaube, dass sie es bewusst getan haben“. Seiner Ansicht nach würde Valve wie schon in der Vergangenheit „dramatische Änderungen“ einführen, danach beobachtend abwarten, um letztlich zurückzurudern und weitere Anpassungen vornehmen.
Verständnis für Notwendigkeit
Nicht nur Kritik, sondern auch Verständnis gibt es auf Seiten der Entwicklerbasis. Natürlich vor allem von jenen, die durch die Änderung nicht benachteiligt sind. Gegenüber PC Gamer erklärte Julian Gollop, bekannt für X-Com und Chaos Reborn, dass er zunächst „besorgt gewesen“ sei, dass der Review-Score für Chaos Reborn negativ beeinflusst werden könnte, da nun die Kickstarter-Unterstützer ausgeschlossen werden. Doch „scheint dies nicht der Fall zu sein“, sagte Gollop. Aufgrund der aufgedeckten Missstände versteht er aber Valves Entschluss: „... ich denke, dass Valve das tut, was nötig ist, um die Integrität des Review-Score-Systems zu erhalten“.
Wes Pratt von Prologue Games (Knee Deep) gehört zu den Entwicklern, die die Bewertung für ihren Titel durch das neue System sogar verbessern konnten. „Das ist gut, denke ich“, sagte Pratt, prangerte aber an, dass benachteiligte Kollegen aus allen Wolken fielen, da plötzlich ein Großteil ihrer Reviews nicht mehr zählten. „Es fühlt sich an als hätte Steam eine Machete genommen für ein Problem, das ein Skalpell erfordert hätte“, so Pratt.
„Das ganze System braucht eine radikale Neugestaltung“
Ein grundsätzliches Problem bei den Nutzerreviews sieht Indie-Entwickler Dan Marshall (u. a. Time Gentlemen, Please!) in dem Umstand, dass Nutzerreviews häufig nicht den aktuellen Entwicklungsstand des Spiels widerspiegeln. Während ein Spiel längst durch Updates verbessert wurde, gibt es kein entsprechendes Update der Bewertungen. Daher hält Marshall umfassende Änderungen für erforderlich: „das gesamte Review-System benötigt ein Umdenken und eine radikale Neugestaltung“.
Ähnlich sieht das der schon zitierte Simon Roth (Maia): „Das System muss darauf fokussiert sein, detaillierte Informationen für Spieler bereitzustellen“. Von den Review-Erzeugern müsse genau das auch verlangt werden. Dadurch würden sowohl „lustigen“ Bewertungen als auch Betrügern Schranken gesetzt. Eine Moderation auf Seiten von Valve würde schließlich den „Rest der Spreu“ herausfiltern. Außerdem sollten Anwender die Möglichkeit haben, den Entwickler vor dem Verfassen eines Reviews direkt zu kontaktieren, denn „so viele Reviews sind nur Tech-Support-Probleme in Verkleidung“.
Valves Reaktion auf das Feedback
Gamasutra liegt eine Stellungnahme von Valves Marketing-Director Doug Lombardi vor. Darin heißt es:
„Wir hören viel positive Resonanz auf dieses Update, und einige Kritikpunkte. Wie bei allen Updates für unsere Games und Dienste, werden wir die Reaktionen der Community beobachten und dieses Feedback in die nächste Reihe von Änderungen einfließen lassen, die wir tätigen, um den Dienst für alle zu verbessern“.