Gears of War 4 im Test: Der Spaß endet mitten i
2/5Erzählen will gelernt sein
Dass The Coalition mit der Übernahme des Staffelstabes nicht mit alten Prinzipien bricht, sondern die Serie konservativ mit einem Schwerpunkt auf die düstere Atmosphäre des ersten Teils fortsetzen wollte, wurde im Vorfeld lange kommuniziert. Das Ergebnis präsentiert sich technisch mit Blick auf Programmierung und Gameplay handwerklich exzellent umgesetzt. Allein: Es fehlt an Geist.
Das große Fettnäpfchen, in das The Coalition Kopf über Fuß stürzt, ist die Erzählung in der Einzelspieler-Kampagne, der der Blick auf ein großes Ganzes, eine geschlossene Klammer fehlt. Vor allem der gesamte erste Akt gibt ein erschreckendes Bild ab. Hier stolpert der Titel zwischen Rückblenden, Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ und dem Versuch, eine zweite Trilogie in Gang zu setzen. Der Wiederaufbau auf Sera, 25 Jahre nach dem Ende der Locust-Kriege, das nun bisweilen lebensfeindliche Wetter und die Entwicklung der CoG offenbar zu einer orwellschen Dystopie werden aber nur kurz angedeutet. Ein Mehrwert erwächst aus diesen eigentlich spannenden Themen und Entwicklungen nicht. Eine Idee alleine ist jedoch noch kein Matchwinner.
Fragen, Fragen, Fragen
Warum die CoG nun von einer Jinn angeführt werden, warum „Outsider“ und der neue Einheitsstaat über Kreuz liegen oder warum diese Jinn im Konflikt überhaupt sofort zur Waffe greifen und ein paar Dissidenten manisch durch eine Armee von Robotern verfolgen lässt, erklärt das Spiel zu keiner Zeit. Dabei gäbe es durchaus Grund, ein paar Erklärungen zu fordern: Es erscheint unverständlich, warum ein paar Soldaten trotz Konflikt mit der Regierung im Anbetracht einer neuen, brandgefährlichen Bedrohung auf eigene Faust in die Höhle des Löwen ziehen und nicht im Sinne der Spezies auf diese Gefahr aufmerksam machen.
Dazu kommt, dass der erste Akt aus einer wenig inspirierten Aneinanderreihung von Arealen besteht, in die nach Betreten Roboter geworfen werden. Viel einfacher kann sich ein Entwickler die Arbeit wohl kaum machen. Das muss, sofern sich ein Spiel selbst ernst nimmt, stören. Handlungslogisch lässt Gears of War jedenfalls zu wünschen übrig, nachvollziehbar erscheinen die Aktionen der Figuren und die Welt kaum.
Mit Akt 2 beginnt der Spaß
Erst ab dem zweiten Akt findet The Coalition mit dem Auftauchen einer neuen Bedrohung in den richtigen Trott. Dieser Gangwechsel wird gleichwohl mit einem Bruch markiert – alte Themen werden kurzerhand über Bord geworfen und verschwinden quasi spurlos. Eine solche Reduktion durch das Setzen eines neuen Schwerpunktes wirkt wohltuend: Die Feindaufklärung in unbekanntem Gebiet, die Auseinandersetzung mit dem Schwarm und das Durchstöbern der Überreste alter Glorie auf einem entvölkerten Planeten treffen genau den richtigen Ton. Düstere Endzeit-Stimmung und Gears-Gameplay können also noch immer unterhalten. Es dauert nur eine Weile, bis der Funke endlich überspringen kann. Eine schwere Geburt.