Gears of War 4 im Test: Der Spaß endet mitten i

 3/5
Max Doll
82 Kommentare

Behutsame Innovation

Spielerisch knüpft The Coalition nahtlos dort an, wo die Serie aufgehört hat, und zeigt, dass deckungsbasiertes Gameplay, sofern es auf hohem Niveau umgesetzt wird, nicht an Reiz eingebüßt hat. Auf höheren Schwierigkeitsstufen wird Deckung essentiell und nötigt, gerade kooperativ, zu taktischem Vorgehen mit Deckungsfeuer und Flankieren, aufgrund der Perspektive auch zu Absprachen und Hinweisen in der Hektik des Gefechts. Die Gegner sind dabei durchaus in der Lage, Druck auszuüben und nicht nur Opfer für einen Trupp Supersoldaten. Unvorsichtige Einzelgänger liegen oft schnell am Boden, was nun weniger dramatisch ist: Die KI-gesteuerten Begleiter helfen jetzt zuverlässiger.

Ein bisschen mehr Dynamik

Änderungen erstrecken sich nicht nur auf Details, sondern zielen darauf, dem Gameplay ein wenig mehr Dynamik zu verleihen. Teil dieser Bemühungen ist der neue Deckungsnahkampf. Der Nutzen einer Attacke über Deckung hinweg ist keine revolutionäre Neuerung, bricht aber durch neue taktische Optionen und die Erleichterung offensiver Manöver allzu statische Grabenkriege auf. Nützlich ist das allerdings nur selektiv, weil beide Kontrahenten nach einem solchen Manöver ihre Deckung verlieren und sich als ideales Ziel präsentieren. Dennoch werden Spieler nunmehr gezwungen, ein wenig mehr in Bewegung zu bleiben. Einen Anteil an der neuen „Mobilität“ haben zudem neue Waffen, die wie der Dropshot hinter Deckung schießen können.

Daraus erwächst eine interessante Auflockerung des Spielgeschehens. Geändert hat sich ansonsten wenig. Areale bleiben noch immer kompakt und kennen vor allem kleinere Höhenunterschiede. Das Kanonenfutter wird zwar modisch eingekleidet, unterscheidet sich funktional aber nicht von seinen Vorgängern. Abwechslung entsteht erst an beiden Enden des Größenspektrums. Die kleinsten Schwarmgegner sind flott und treiben Spieler aus der Deckung. Außerdem können sie Verstärkung rufen und reifen auch in Kokons heran, die auf dem Schlachtfeld als Deckung genutzt werden können. Das zwingt zu Abwägen: Einerseits ist es sinnvoll, Schutz zu finden oder Gegner eines solchen zu berauben, andererseits kann eine Horde Schwarmlinge schnell zum Nachteil gereichen. Ein paar frische Mechaniken bringen zudem die größten Gegner ins Spiel, die neue Taktiken erforderlich machen.

Je länger, desto besser

Grundsätzlich wird Gears of War 4 mit zunehmender Spieldauer daher immer besser und suggeriert, einen Lernprozess beobachten zu können. Selbst die Rückblicke werden zielsicherer, dezenter und unterhaltsamer, die Actionsequenzen besser in das Geschehen eingepasst. Auch die symbolische Ablöse der Helden, alt gegen neu, wird im Verlauf der acht bis zehn Stunden langen Kampagne runder. Was dem Spiel nicht gelingt, ist sich des Eindrucks zu erwehren, dass seine Entwickler inhaltlich zu viel gewollt haben.

Der Spaß startet erst mit Akt 2 und der Endzeit-Stimmung (Xbox One)
Der Spaß startet erst mit Akt 2 und der Endzeit-Stimmung (Xbox One)

Die thematische Bandbreite führt in einem simplen Shooter, bei dem das Schießen im Mittelpunkt steht, zu einer völligen Überfrachtung. Dass nun der Sohn von Markus Fenix und dessen Wegbegleiter zu den Waffen greifen, wird weder durch eine gemeinsame Vergangenheit begründet noch wird ein potentieller Konflikt der Handlung ausgeschöpft. Stattdessen ergeht sich die Präsentation in Andeutungen, Andeutungen und Andeutungen, während korrekt konditionierte Spieler erwarten, die gezeigten Karotten auch irgendwann einmal essen zu dürfen. Diese Probleme erwachsen aus dem weiterentwickelten Setting: In Gears of War war ein Trupp Soldaten einer regulären Armee in einem überraschend ausgebrochenen Krieg Gegenstand der Handlung. Orientierung, die bislang aus Erfahrungswissen geschöpft werden konnte, entfällt im neuen Sera ersatzlos.

Der Sieg des Alten

Gravierende Auswirkungen haben, an diesem Punkt kaum mehr überraschend, auch die Stürme nicht. Ein paar Geschicklichkeitseinlagen sowie das Adaptieren von Flugbahnen bei großen Geschossen und Granaten sind als minimale Änderungen zu verbuchen, die eher der Atmosphäre dienen. Solche Elemente verhindern aber wie der Einwurf von Explosionen und Motorrädern als testosterongeladene „Jungsdinge“ jeden Anflug von Monotonie. Höhepunkte bleiben reichlich im Gedächtnis, passend unterlegt durch das typische Frotzeln des Vierertrupps.

Ein bisschen schal bleibt der neue Trupp schon (Xbox One)
Ein bisschen schal bleibt der neue Trupp schon (Xbox One)

Die Generationenablöse ist aber mehr als ein Revival des Alten: The Coalition verändert den Ton subtil, beraubt die Figuren ihrer überzeichneten, hypermaskulinen Präsenz, reduziert den inflationären Gebrauch des Worts „Dad“ auf ein zumindest erträgliches Niveau und bricht Anspannungen immer wieder gezielt mit Frotzeleien der vier „Musketiere“ auf. Ein schlechtes Omen ist allerdings, dass dieser Unterhaltungswert von bekannten Figuren ausgeht, während die Jungspunde, denen die Zukunft der Serie gehören soll, weniger interessant erscheinen als Markus Fenix, der erneut zur Waffen greift.

Ein Ende ohne Ende

Es ist also nicht so sehr die Umsetzung, sondern der große Plan, der Gears of War schadet. Dass die Charaktere flach bleiben, ein echter Antagonist im besten Fall fein angedeutet wird? Für Actionspiele letztlich irrelevant. Dass die Handlung eine Nullnummer bleibt und Gegner gesichtsloses Kanonenfutter, Zombies mit besserer KI bleiben? Auch geschenkt, letztlich geht es um das Schießen. Das Genre beziehungsweise die Serie war schon immer der falsche Ort für intellektuellen Anspruch. Nachhaltig verstimmt allerdings erst das Ende, weil The Coalition völlig überraschend mitten im Geschehen im schnellen Vorlauf abbricht und dabei die Anzahl unbeantworteter Fragen in die Höhe schnellen lässt.

Stürme sind eine willkommene Abwechslung (Xbox One)
Stürme sind eine willkommene Abwechslung (Xbox One)

Weil ein Gefühl des Abschlusses, das Erreichen eines wohldefinierten Ziels, fehlt, wirkt das Ende noch stärker amateurhaft als der Anfang und ist, so unterhaltsam der Weg dorthin sein kann, eine nachhaltige Enttäuschung, die den Blick auf die Kampagne eintrübt: Geschichten haben, wie ab der fünften Klasse gelehrt wird, Anfang, Mitte und Ende. Ansonsten sind sie keine Erzählung, sondern ungenügend – als ob ein Satz einfach in der Mit

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