Mafia 3 im Test: Die 60er sind zurück
2/3Die Spielatmosphäre
Was uns an der Story aber richtig gut gefällt, ist die historische Einbindung der späten 1960er Jahre. Dies geschieht in erster Linie durch die Thematisierung des Rassenhasses, der damals noch wesentlich offener war als heute. Immer wieder werden wir mit Lincoln Zeuge von rassistischen Anfeindungen: In edlen Clubs raunzt man uns an, was denn ein Schwarzer hier verloren hätte. Weiße Wachleute und Polizisten diskriminieren uns. Und in überwiegend von Farbigen bewohnten Bezirken heißt es aus der Polizeileitstelle über Funk schon mal, „Schießerei in XYZ, fahrt vorbei – aber nur, wenn ihr Lust habt“.
Hinzu kommen viele kleine Details. So wird etwa die Ermordung von Martin Luther King thematisiert. Auf der Straße hören wir gesellschaftspolitische Diskussionen mit. Und im Radio laufen Berichte, die auch von heute stammen könnten: In einem reicheren Viertel hat ein Weißer zwei Schwarze erschossen. Er dachte, sie wollten einbrechen. Dabei hatten sie nur eine Panne und wollten nach einem Wagenheber fragen – er wurde freigesprochen.
Solche und ähnliche Beispiele ziehen sich durch das ganze Spiel. Und auch andere gesellschaftliche Konfliktlinien wie die Hatz auf (vermeintliche) Kommunisten sowie die Kuba- und Südamerika-Politik der USA fließen in den Hintergrund von Mafia 3 ein.
New Bordeaux ist der Star
Das gefällt. Der große Star des Spiels ist aber New Bordeaux. Tatsächlich ist die Metropole New Orleans wunderbar nachempfunden. Prächtige Plätze und reiche, überwiegend von Weißen bewohnte Bezirke wechseln sich ab mit heruntergekommenen, überwiegend von Schwarzen bewohnten Vierteln, mit Industriebezirken und mit besonderen Gebieten wie einem verlassenen Freizeitpark.
Wir durchkämmen Fleischereien, flanieren über Einkaufsmeilen, stolpern in dunklen Gassen über Drogenabhängige und beobachten das Treiben von Gangstern in Hinterhöfen. Hinzu kommt ein umfassendes Kanalsystem und Sümpfe, die mit Booten erkundet werden können.
Darüber hinaus erschafft das Spiel immer wieder besondere Szenarien. So gehört beispielsweise eine Flucht durch unterirdische Kanäle und die Mardi-Gras-Feierlichkeiten genauso zu den Setting-Highlights, wie eine größere Schießerei im besagten stillgelegten Freizeitpark.
Abgerundet wird der gute Eindruck von der Spielwelt dadurch, dass sie authentisch belebt ist. Überall fahren Autos und laufen Passanten herum. Man wird Zeuge von Streitigkeiten und Gewalt, von Liebe, Freude und Diskussionen. Für ein Spiel, das als Open-World funktioniert, ist das der vielleicht wichtigste Aspekt.
Das Gameplay
Auf diesem großen Spielplatz haben die Entwickler ein relativ konventionelles Gameplay implementiert, das leider schnell eintönig wird. Lincolns Rache an den Marcanos sieht spielerisch so aus, dass er ihnen Stück für Stück die Bezirke von New Bordeaux abjagt.
Dieses freche Vorgehen ist leider auf Dauer monoton umgesetzt. Um einen seiner Mitstreiter als Bezirkschef einsetzen zu können, muss Lincoln zunächst das Geschäftsmodell des jeweiligen Marcano-Lieutenants zerstören. Da viele Bezirke viele Mafia-Stellvertreter erfordern, findet sich hier die Ursache für die bereits beschriebene Namensflut: Ständig braucht es einen neuen Bösewicht, der irgendwie in die Geschichte eingeflochten werden muss.
Ziel der Störaktionen ist, den jeweiligen Boss aus seinem Versteck zu locken. Wir töten wichtige Personen, helfen den Gegnern der Bosse, vernichten Heroinhöhlen und klauen Lieferungen. Ist ein bestimmter Schaden erreicht, können wir zum finalen Angriff auf den jeweiligen Marcano-Lieutenant übergehen.
Diese Mechanik geht sich bei den ersten Bezirken spaßig an, wird mit der Zeit aber monoton. Zwar steuern die Entwickler mit einiger Aufgabenvielfalt gegen, sodass wir nicht nur Schießereien, sondern auch Verfolgungsjagden und Stealth-Aktionen erleben. Insgesamt aber hetzt Lincoln von Ort zu Ort, um letztlich irgendetwas zu zerstören oder irgendjemanden zu töten. Hinzu kommt, dass diese Tätigkeiten häufig in einem Sperrbezirk verlaufen, in denen uns die Gegner wie etwa bei Assassin's Creed sofort attackieren.
Schade ist auch, dass wir die Verwaltung unseres eigenen Syndikats komplett abgeben. Wann immer ein Geschäftsbereich übernommen wird, geben wir diesen sofort an einen unserer Statthalter weiter. Das führt mit der Zeit zu netten Gimmicks, weil uns unsere Mitstreiter schätzen und unterstützen. So können wir etwa Unterstützung, einen Arzt, ein Fahrzeug oder einen mobilen Waffenhändler anfordern und Upgrades für unser Arsenal und den Hauptcharakter freischalten. Allerdings hätte es der spielerischen Tiefe gut getan, wenn wir mehr für das konkrete Tagesgeschäft unseres Mafia-Verbundes tun müssten. So fließt das Geld praktisch automatisch, sodass sich Lincoln voll und ganz auf seine Rache konzentrieren kann.
Immerhin kann der Spieler dabei frei entscheiden, ob er direkt oder umsichtig vorgeht. Allerdings bevorzugt das Spiel ganz klar die Rambo-Variante: Diese macht Spaß, geht aber selbst ohne Zielhilfe und auf dem höchsten von drei Schwierigkeitsgraden etwas zu leicht von der Hand.
Beim Schleichen entpuppt sich das Anlocken der Gegner per Pfeifen als viel zu starkes Instrument. Das liegt nicht nur an den starken „Takedowns“ von Lincoln, sondern auch an der stupiden KI: Auch wenn mehrere Gegner beisammen stehen, wird sich immer nur einer anlocken lassen. Doch auch sonst muss die künstliche Intelligenz der Gegner dringend nachgebessert werden.