Oculus Touch: Das fehlende Puzzleteil für Rift kostet 199 Euro
2/2Gefangen im Stehkäfig
Die „Oculus Touch“-Steuerung ist in erster Linie eben ein Controller-Konzept, das die Immersion durch die Einbindung der Hände maßgeblich verstärkt. Ärgerlich nur, wenn die Illusion Momente oder Minuten später zu zerbrechen scheint und gar nicht an der Controllern selbst liegt. Zwar kann Oculus mit Ergonomie und Haptik den Vive-Controllern die Stirn bieten und übertrumpft diese sogar auf den ersten Blick, sobald es mehr zur Sache geht, bereitet zumindest die von Oculus gewählte Tracking-Lösung Sorgen.
Das Eishockey-Szenario in VR Sports Challenge versucht auf spaßige Weise den Aspekt der Gewalt im Eishockey einzufangen: Wird der Spieler vom KI-Gegner herausgefordert, kann er seine Bereitschaft zum virtuellen Faustkampf durch das zu Boden werfen der Handschuhe signalisieren. Das Kampfsystem ist simpel gehalten und erfordert bis auf ein wenig Timing beim Greifen nach dem Gegner kaum Tasteneingaben, verleitet jedoch unterbewusst immer wieder dazu, den herannahenden Schlägen mit Seitenschritten auszuweichen. Eine vergleichsweise knapp bemessene Spielfläche (schätzungsweise 1 m²), die durch Matten am Boden erfühlbar war, sorgte dafür, immer wieder unbemerkt an den Rand des Trackingbereichs zu geraten, bis wir vom System oder der hilfsbereiten Demo-Assistentin darauf hingewiesen wurden.
In Wilson's Heart, das 2017 für Oculus Touch erscheinen wird, entstand zudem der Eindruck, sich in einem Stehkäfig zu befinden: Wer „room scale“-VR gewöhnt ist, bewegt sich instinktiv ohne nachzudenken auf Objekte zu oder nimmt ein paar Schritte Abstand bevor nach dem nächsten „Teleportationspunkt“ in der Umgebung gesucht wird. Zumindest während der Gamescom 2016 blieb es bei einem „stehenden Erlebnis“, denn das VR-System sah diese Art der Bewegungsfreiheit bisher nicht vor.
In der Zwischenzeit wurde das Oculus Software Development Kit jedoch auf Version 1.8 geupdated und erhielt mit dem „Guardian“-System ein Äquivalent zu den „Chaperone“-Gitterlinien, die SteamVR zur Vermeidung von Kollisionen mit der echten Umgebung verwendet. Kommt der Nutzer den Grenzen des Spielbereichs zu nahe, sollen die eingeblendeten Gitterlinien für Sicherheit sorgen.
Wie groß die nutzbare Spielfläche jedoch im Alltag ausfällt und wie das System auf Verdeckung von Sensoren reagiert, bleibt zunächst ein Wackelkandidat. Sowohl in VR Sports Challenge als auch Wilson's Heart verloren die Controller durch Verdeckung mit dem eigenen Körper ab und zu das Tracking. Dies tritt insbesondere in Situationen auf, bei denen der Nutzer nicht frontal zu den beiden Infrarotkameras ausgerichtet ist und sorgt im Spiel dafür, dass die virtuelle Hand geisterhaft „davondriftet“.
„room scale“-VR mit Aufpreis
Potentielle Kunden stellen sich angesichts des bestehenden VR-Softwareangebots die Frage, ob Touch auch „room scale“-VR unterstüzt. Brendan Iribe beantwortete dies während seiner Keynote-Präsentation zur Oculus Connect 3 mit einem klaren „Ja!“ – mit einem Haken. Im Lieferumfang der Oculus Touch liegt ein Kamera-Sensor bei, sodass zu jedem Zeitpunkt zwei Infrarotkameras von vorne auf den Nutzer gerichtet sind, um die Bewegungen in der Spielfläche zu erfassen.
Ein dritter Sensor für 360-Grad-VR
Für ein volles 360-Grad-Erlebnis im Sinne von „room scale“-VR wird ein dritter Infrarotsensor benötigt. Der Preis: 79 US-Dollar. Grundsätzlich sei Touch in der Lage mit „mehreren“ Sensoren umzugehen. Details darüber, wie viele Infrarotsensoren maximal gleichzeitig genutzt werden können und wie groß die dadurch erreichte maximale Spielfläche ist, nannte Oculus bisher nicht.
Gemischte Gefühle
Da im Gegensatz zu den Lighthouse-Stationen von Valve, die ausschließlich eine Steckdose in der Nähe benötigen, bei Oculus die Infrarotkameras über ein USB-Kabel mit dem PC verbunden werden müssen, muss vor der Einrichtung zunächst ein passender Aufstellort pro Sensor mit möglichst hoher Abdeckung der Spielfläche gefunden werden, der zudem nicht all zu weit vom Computer des Nutzers entfernt ist. Alltagserfahrungen jenseits sorgfältig angeordneter Demo-Räume werden gerade in diesem Hinblick umso wichtiger, denn bisher punktete die Rift mit einer deutlich schnelleren und einfacheren Einrichtung als ihr Konkurrent. Dies könnte sich mit Touch, je nachdem wie tief Nutzer in die virtuelle Realität eindringen möchten, nun ändern.
Das Komplettpaket ist teuer
Wer die komplette Vielfalt des VR-Ökosystems auf der PC-Plattform genießen möchte, kommt zudem nicht um die Anschaffung des zusätzlichen Sensors herum. Und gerade hier liegt für viele Neukunden, die zum Weihnachtsgeschäft mit einem VR-System liebäugeln, der Knackpunkt: Bei einem Rift-Kaufpreis von 699 Euro summieren sich die Touch-Accessoires mit 199 respektive 79 US-Dollar auf, wodurch sich Oculus mit seiner VR-Erweiterung plötzlich in der gleichen Preisliga befindet wie HTCs und Valves Komplettsystem. Wie sich der Controller im Alltag gegenüber der per „Lighthouse“ erfassten Konkurrenz schlägt, wird sich voraussichtlich erst zur finalen Veröffentlichung am 6. Dezember zeigen. Zum Start der Touch-Plattform verspricht Oculus „über 35“ neue Spiele. Eines davon ist das kostenlos Robo Recall von Epic Games, das ComputerBase bereits anspielen konnte.
Ab 199 Euro in Deutschland
Oculus Touch kann inklusive 2. Kamera ab sofort vorbestellt werden. Der Preis in Deutschland beträgt inklusive Steuern und Zoll 199 Euro (199 USD) – Versandkosten fallen nicht an. Erste Bestellungen werden mit dem Lieferdatum 6. bis 15. Dezember bestätigt – vorausgesetzt, derselbe Account hatte bereits Oculus Rift vorbestellt. Die neuen In-Ear-Kopfhörer schlagen mit 59 Euro (49 USD) zu Buche. Die Kameras für je 79 Euro (79 USD) lassen sich aktuell noch nicht separat erwerben. Ihre Vorbestellung soll ab dem 31. Oktober möglich sein – inklusive USB-Verlängerung.
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