Digitale Bücher: Fusion von IDPF und W3C soll E-Pub gefährden
Die digitale Bücherwelt befindet sich in Aufruhr: Nach Bekanntgabe der Pläne zur Zusammenführung des für das E-Pub-Format federführende IDPF mit dem W3C mehren sich kritische Stimmen. Viele Verlage sehen darin die Gefahr des Aus für das digitale Format in seiner jetzigen Form.
Das berichtet der Buchreport. Bereits Anfang des Monats haben sich die 86 Mitglieder des International Digital Publishing Forum (IDPF), welches sich aus Verleger, Technologiefirmen, Industrieverbände sowie Regierungs- und Bildungsorganisationen zusammensetzt, mit einer großen Mehrheit von 88 Prozent für eine Fusion mit dem World Wide Web Consortium (W3C) im Januar 2017 ausgesprochen.
Befürworter sehen gute Gründe für eine Fusion
Die Motivation dahinter ist einleuchtend: Das E-Pub-Format wurde zwar vom IDPF für den Austausch und der Verbreitung von digitalen Büchern entwickelt, beruht jedoch, vereinfacht beschrieben, auf den Webtechnologien HTML, XML und CSS. Für deren Standardisierung und Weiterentwicklung zeichnet sich hingegen das W3C mit seinen über 400 Mitgliedern zuständig. Darüber hinaus arbeitet das W3C nach eigenen Angaben mit „Portable Web Publications“ (PWP) bereits an einem neuem Format, aus dem eines Tages E-Pub 4 hervorgehen könnte. Da sich die letzte Aktualisierung E-Pub 3, welches neben Texten nun auch Audio- und Videoinhalte darstellen kann, seit der Veröffentlichung im November 2014 nicht durchsetzen konnte, setzen viele Vertreter des IDPF nun auf die finanziellen und personellen Möglichkeiten des W3C um einen neuen Standard zu schaffen, der auch den technischen Stand widerspiegelt. Befürworter der Fusion sehen zudem die Gefahr, dass ohne einen Zusammenschluss das Konsortium einen eigenen Standard entwickeln könnte und E-Pub somit obsolet werden würde – womit auch der Einfluss des IDPF auf einen offenen Standard erheblich schrumpfen dürfte.
W3C mit Konzepten für den Zusammenschluss
Dem will das W3C mit mehreren Konzepten entgegenwirken: So soll der aktuelle IDPF-Vorstand vorläufig als Publishing Steering Committee fungieren, welches im Laufe des Jahres von den Publishing-Mitgliedern im Amt bestätigt werden soll. Mit dem Komitee soll sichergestellt werden, dass die Interessen der Buchbranche ausreichend berücksichtigt werden. Die Interessen der bisherigen IDPF-Mitglieder sollen dagegen durch eine Publishing-Business-Gruppe vertreten werden. Während für die Weiterentwicklung von E-Pub eine sogenannte Publishing Working Group eingesetzt wird, soll eine Community Group bestehend aus Mitgliedern und Nichtmitgliedern die Pflege von E-Pub 3 übernehmen.
Kritiker sehen geistiges Eigentum in Gefahr
Widerstand formiert sich vor allem rund um den IDPF-Mitgründer und CEO des US-amerikanischen Bibliotheksdienstleisters Overdrive Steve Potash. Potash, der seinerzeit den IDPF-Vorgänger Open E-Book Forum für den E-Pub-Vorgänger Open eBook (OEB beziehungsweise Open eBook Publication Structure, OEBPS) gründete, befürchtet vor allem ein Abwandern des gesamten Wissens vom IDPF zum W3C und damit verbunden weniger Einfluss der Verlagsbranche bei der Weiterentwicklung. Seiner Aussage nach wurden die Mitglieder zudem nicht rechtzeitig und über mögliche Alternativen informiert. Eine von Potash ins Leben gerufene Petition wurde mittlerweile von 130 Branchenteilnehmer unterschrieben.
Jens Klingelhöfer, Geschäftsführer von Bookwire, sieht die Fusion ebenfalls kritisch: Er sieht den Erfolg von digitalen Büchern vor allem darin begründet, dass mit E-Pub ein geräteübergreifender Standard geschaffen wurde, welcher sich auch international bewährt und durchgesetzt hat. Er stellt die Frage, warum dieses geistige Eigentum und das damit verbundene Wissen nun aus der Hand gegeben werden soll? Einer generellen engeren Zusammenarbeit mit dem W3C steht aber auch er positiv gegenüber.
Höhere Kosten befürchtet
Steve Potash und der Mitinitiator der Petition Cliff Curen führen zudem weitere Probleme auf: Sie befürchten, dass entgegen der bisherigen Behauptungen der Unterstützer des Zusammenschlusses die Mitgliedsbeiträge zukünftig steigen werden. Abhängig von der Unternehmensgröße müssen Mitglieder aktuell eine Jahresgebühr von 775 bis 5.750 US-Dollar für eine Mitgliedschaft aufbringen, Non-Profit-Organisationen zahlen zudem nur den Mindestbeitrag. Eine Jahresgebühr für die Mitgliedschaft im W3C kostet jedoch zwischen 7.900 und 77.000 US-Dollar. Potash und Curen befürchten weiter, dass sich vor allem kleinere Unternehmen die Beiträge nach einer Fusion nicht mehr leisten könnten und deren Mitspracherecht bei der Entwicklung somit entfällt. Zwar will das W3C den IDPF-Mitgliedern einen Rabatt für zwei Jahre gewähren, danach sollen die Beiträge jedoch auf die Standardsätze angehoben werden. Curen kritisiert zudem im Gespräch mit dem Buchreport, dass nicht allen Mitgliedern eine gleichberechtigte Stimme im Entwicklungsprozess gewährt wird: „Das letzte Wort über die Verabschiedung neuer Standards hat eine kleine Gruppe an der Spitze“.