Google Daydream (View) im Test: VR für die Massen mit Fernglas-Sichtfeld
VR ist die Zukunft
VR ist die Zukunft. Diese Prognose war Facebook schon Anfang 2014 2,3 Milliarden US-Dollar wert. Damals kaufte das soziale Netzwerk Oculus VR. Heute bietet Oculus zwei Produkte an: Die VR-Brille Rift für den PC, noch ein Nischenmarkt. Und Gear VR für Samsung-Smartphones mit Android: Eine Million Anwender sollen Gear VR im April 2016 genutzt haben. Ernstzunehmende Alternativen gibt es nicht.
VR unter Android war bisher ein Facebook-Samsung-Geschäft.
Für Google ist das ein Problem. Zum einen, weil VR bisher kein herstellerübergreifendes Zugpferd für die Plattform ist. Zum anderen, weil Google auf Gear VR kaum stattfindet. Bisher war Google bei VR nur Zuschauer, aber heute ändert sich das. Mit Daydream.
Was ist Daydream?
Daydream ist Googles VR-Lösung für Android. Sie besteht wie Gear VR aus einer Hardware- und einer Software-Komponente, die aber allen Smartphone-Herstellern und nicht nur Samsung offen steht. Aber erst ab Android 7.1. Das gibt es bisher nur auf dem Pixel und Pixel XL, ab Dezember sollen die Updates aber breit ausgerollt werden.
Auf Basis des öffentlichen SDK für Daydream können externe Entwickler wiederum Apps für Daydream schreiben. So wie es bei Facebook und Oculus für Gear VR der Fall ist. Die Apps können im Play Store erworben und über Daydream gestartet werden. Das SDK unterstützt nativ die Unreal Engine 4 und Unity.
Um die VR-Anwendungen betrachten zu können, wird ein Smartphone mit Daydream-Unterstützung in ein zu Daydream kompatibles VR-Brillengestell geschnallt, die Bedienung erfolgt immer über einen drahtlosen Controller.
Mit Daydream View bietet Google seit heute neben der App Daydream auch ein eigenes Paket bestehend aus VR-Gestell und Controller zum Preis von 69 Euro an.
Was ist Daydream View?
Daydream View ist Googles eigenes VR-Brillengestell samt Controller für Daydream. Andere Hersteller können eigene Gestelle und Controller umsetzen. Das Prinzip muss aber immer dasselbe sein.
Im Gegensatz zu Gear VR wird beim VR-Brillengestell für Daydream keine USB-Steckverbindung zwischen Smartphone und Gestell hergestellt. Weil das kompatible Smartphone lediglich zwischen Brillengestell und Deckel geschnallt wird, ist es deshalb auch egal, über welchen USB-Stecker das Smartphone verfügt. Und auch bei der Größe des Mobiltelefons gibt es wenig Einschränkungen. Das erhöht die Kompatibilität beträchtlich. Auch die meisten Brillenträger können Daydream View aufsetzen.
Daydream passt sich an die Hardware an
Dem Aspekt, dass verschiedene Smartphones auf verschiedene Arten im Gestell fixiert werden können, wirkt Google in Software entgegen: Das Smartphone erkennt über den Kontakt zwischen Display und Brillengestell an zwei Punkten, wie weit rechts, links, oben oder unten es verankert wurde und gibt die beiden Bildschirminhalte für die Linsen entsprechend versetzt aus.
Bewusst kein Gear VR
Von Gear VR hebt sich Daydream View auch im Design und der Steuerung ab. Statt hartem Plastik setzt Google auf Stoff, statt Touchpad am Gestell auf einen drahtlosen Controller. Der ist über Bluetooth 4.2 mit dem Smartphone verbunden, wird über USB Typ C geladen und erkennt wie das Smartphone per Beschleunigungssensor und Gyroscope seine Bewegung und Ausrichtung im Raum. Das Polster, das auf dem Gesicht aufliegt, kann über Klettverschlüsse entfernt und im kalten Wasser per Hand gewaschen werden.
Augmented Reality („erweiterte Realität“) wird von Daydream View auch nicht unterstützt, der Deckel bietet der Kamera keinen freien Blick nach vorne. Gear VR kann AR, wenn die Abdeckung vor dem Smartphone entfernt wird.
Welches Smartphone kann Daydream?
Daydream setzt Android 7.1 voraus. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum es zum Start nur für das Google Pixel und Pixel XL verfügbar ist. Es gibt auch an die Hardware gestellte Anforderungen, die bisher kein anderes Smartphone am Markt erfüllen können soll, sagt Google. Geräte wie das Galaxy S7, das Gear VR kann, sind Google nicht gut genug für Daydream.
Auch auf Nachfrage von ComputerBase zum Marktstart wiederholt Google die bereits bekannten Grundzüge: „Daydream-kompatible Smartphones haben ein hochauflösendes Display, eine reibungslose Grafik und High-Fidelity-Sensoren für ein präzises Head-Tracking.“
Ein im November veröffentlichtes Dokument mit Googles Vorgaben für die Nutzung von Android 7.0 auf unterstützten Geräteklassen wie Smartphones, Tablets und Fernseher liefert auf Seite 72 und 73 dann aber doch Details, ohne das Schlagwort Daydream zu nennen. Stattdessen ist vom Modus „Virtual Reality High Performance“ die Rede.
Full HD reicht, wird aber abgeraten
Demzufolge muss ein Smartphone mindestens mit Full HD auflösen, Google empfiehlt allerdings dringend den Einsatz von QHD. Die Displaydiagonale muss zwischen 4,7 und 6,0 Zoll betragen, die Bildwiederholfrequenz bei mindestens 60 Hz liegen. Darüber hinaus muss das Panel den Wechsel von Grau zu Grau, von Schwarz zu Weiß und von Weiß zu Schwarz in unter 3 ms beherrschen. Pixel dürfen im Low-Persistency-Modus nicht länger als 5 ms Licht emittieren, um Motion Blur vorzubeugen.
The device implementation MUST have an embedded screen, and its resolution MUST be at least be FullHD(1080p) and STRONGLY RECOMMENDED TO BE be QuadHD (1440p) or higher.
The display MUST measure between 4.7" and 6" diagonal.
The display MUST update at least 60 Hz while in VR Mode.
Um die Bewegungen des Kopfes über das Smartphone jederzeit akkurat verfolgen zu können, bedarf es darüber hinaus Sensoren, die die mit Android 6.0 aufgestellten Anforderungen an hochauflösende Sensoren für Beschleunigung, Lage und Kompass erfüllen – neben der Abtastrate und der Genauigkeit werden hier auch Vorgaben für den maximal erlaubten Stromverbrauch gemacht.
Dauerhaft genug Leistung ohne Überhitzung für 60 FPS
An CPU und GPU stellt Google die Anforderung, im VR-Modus dauerhaft 60 FPS bereitstellen zu können – neuen GPUs könnte dabei aber auch das im SDK für Daydream implementierte Asynchronous Reprojection helfen. OpenGL ES muss in Version 3.2 und Vulkan mit Hardware Level 0 unterstützt werden – das SDK ist aber selbst noch nicht für Vulkan bereit.
Mehr als zwei Kerne, von denen einer exklusiv für Daydream bereitgestellt werden muss, fordert Google für die CPU hingegen nicht. Wichtig ist allerdings, dass das Smartphone den Modus „Sustained Performance“ bietet, denn Daydream greift darauf zurück. Für den Modus geben Hersteller an, wie hoch die Taktraten für CPU und GPU unter anhaltender Last ausfallen dürfen, ohne dass es zu temperaturbedingten Leistungseinbußen kommt. Fallende Taktraten oder überhitzte Geräte, wie es bei Gear VR zum Start der Fall war, will Google so verhindern. Um die Temperatur unter Kontrolle zu haben, ist deren akkurate Übermittlung von Sensorik an das Betriebssystem eine weitere Voraussetzung für Daydream.
Das Nexus 6P mit Snapdragon 810, das Entwickler vorab zur Entwicklung von Apps für Daydream nutzen sollten, fiel allein schon aus diesem Grund aus der Liste der kompatiblen Smartphones heraus: es überhitze schnell und war dann zu langsam.
Caution: The 6P's thermal performance is not representative of the consumer Daydream-ready devices that will be launching later this year. In particular, expect the 6P to thermally throttle CPU and GPU performance after a short period of use, depending on workload.
Google zum Nexus 6P
NFC und Bluetooth 4.2
Nicht explizit gefordert wird NFC von Daydream-Smartphones, obwohl der Mechanismus zum Verbinden mit dem VR-Brillengestell darauf setzt. Dafür verlangt Google explizit Bluetooth 4.2 zur Kommunikation zwischen Controller und Smartphone.
Das Pixel soll bald Konkurrenz bekommen
Bisher bekannt ist, dass das Huawei Mate 9 und möglicherweise auch das ZTE Axon 7 für Daydream freigegeben werden. ZTE hat sich bereits sehr früh darüber geäußert, ist inzwischen aber noch einmal zurück gerudert. Google bleibt noch unspezifisch und erklärt: „Wir arbeiten aber mit vielen Herstellern aus dem Android-Ökosystem wie Samsung, HTC, ZTE, Huawei, Xiaomi, Alcatel, Asus, LG, Motorola und HTC zusammen.“ Samsung als Exklusivpartner bei Gear VR ist eine kleine Überraschung.