Watch Dogs 2: Sturm im Wasserglas um Anti-Cheat-Software

Max Doll
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Watch Dogs 2: Sturm im Wasserglas um Anti-Cheat-Software
Bild: Ubisoft

Um Cheatern das Leben schwer zu machen, verwendet Ubisoft für Watch Dogs 2 EasyAntiCheat. Die Software setzt dazu selbst bei offline-Spielern auf eine aggressive Überwachung von Rechner und Spiel. Die vermutete Orwell'sche Vollüberwachung ist jedoch nicht haltbar.

Zwar werden EasyAntiCheat und alle verbundenen Funktionen nur zusammen mit Watch Dogs 2 gestartet, laufen aber auch, wenn Spieler gar nicht online interagieren. Die Überwachung ist zudem aggressiv: Die Software installiert einen Treiber im Kernel-Mode, der vollen Zugriff auf Hardware und Arbeitsspeicher, folglich also auf das gesamte System gewährt. Zusammen mit einem Blick auf die Nutzungsbestimmungen von EasyAntiCheat weckt TechPowerUp! erhebliche Bedenken mit Blick auf die Privatsphäre des Nutzers, die im Netz schnell aufgegriffen wurden.

Angeblich könne die als „Schnüffel-Programmdeklarierte Software Screenshots anfertigen und auf beliebige Server des Spielanbieters laden, während die Entwickler sich mit einem Haftungsausschluss aus der Schusslinie bringen. Ein Überwachungsskandal dank versteckter Datenkrake? Die Bedenken sind bei näherer Betrachtung aus der Luft gegriffen.

Bedenken beziehen sich auf die falsche Version

In dem ursprünglichen Bericht von TechPowerUp! wird unter Verweis auf die Nutzungsbestimmungen von EasyAntiCheat auf die Möglichkeiten der Software hingewiesen. Etwa wird dort die Nutzung von „custom models, textures, sprites or other modified game files“ mit dem Verweis auf die Möglichkeit eines permanenten Bans untersagt. Vor allem aber sorgt die Möglichkeit zum Anfertigen von Screenshots durch Serverbetreiber für Entrüstung, weil auf diese Weise potentiell private Informationen in die Öffentlichkeit gelangen können. Die ursprüngliche, aus dem Jahr 2015 stammende Formulierung auf die TechPowerUp! Bezug nimmt, wurde jedoch längst präzisiert, sie bezieht und bezog sich nur auf die Standalone-eSports-Version des Programms:

EasyAntiCheat eSports for Counter-Strike will take screenshots of your game screen and upload them on public servers, viewable to everyone, if the server provider wishes so. The author of this software and EasyAntiCheat eSports takes no responsibility of screenshots captured outside the Counter-Strike game screen. If any personal or harmful information is captured into a screenshot, the user is fully responsible of the happened incident and any consequences it may result in.

Nutzungsbestimmungen, §3

Auch auf der eigenen Homepage stellt das Unternehmen, wie ein Blick durch die Wayback-Machine nachweist, in der Rubrik „Privatsphäre“ seit jeher klar, dass durch das Unternehmen selbst keine privaten Daten oder Screenshots gesammelt werden. Als einzige Ausnahme, bei der Bildschirmabbilder durch Dritte angefertigt und auf beliebige Online-Server geladen werden können, werden explizit und ausschließlich Counter-Strike-Turniere benannt. Bei diesen müssen Spieler aber separaten Teilnahmebedingungen zustimmen, die diese Möglichkeit einräumen.

Wesentlich ist zudem der letzte Satz der Ausführungen. Dort heißt es klipp und klar: „Screenshot functionality is not included nor available for any game other than Counter–Strike“. Eine schlummernde Überwachungsfunktion im Programmcode existiert folglich nicht, Ubisoft hat also selbst auf Wunsch keine Möglichkeit, Bilder des Spiels, die etwa im Fenstermodus auch andere Informationen zeigen könnten, anzufertigen – zumindest nicht ohne eine solche Funktion selbst in das Spiel zu programmieren. Auf den Servern von EasyAntiCheat werden lediglich Daten gesammelt, die der Identifikation von Cheats und damit der Sperre von schummelnden Spielern dienen. Dass private Daten gesammelt werden, lässt sich aus den Nutzungsbestimmungen nicht ableiten.

We guarantee you that we do not get involved with screenshots, keylogging, or scanning your hard disk. We are not interested in anything that is personal to you as an individual. Only when licensed in the context of competitive Counter–Strike tournaments, we do offer the possibility for uploading in–game screenshots to the organiser's servers. Note that those screenshots will never touch our servers. In order to participate in such tournaments you need to agree with the organiser's EULA, EasyAntiCheat is not responsible for the data in any way. In these cases, the EULA is fundamentally different from the one typically used by EasyAntiCheat's integrated games.

EasyAntiCheat

Unterschiede auch beim Speicher-Scan

Auch die Systemüberwachung unterscheidet sich zwischen der normalen und der weit schärferen eSport-Version, die – auch mit Blick auf die ausgelobten Preisgelder – wesentlich aggressiver vorgeht. EasyAntiCheat eSports überwacht das Verzeichnis des Spiels auf der HDD und scannt neben den im Arbeitsspeicher abgelegten Spieldaten auch den Systembereich, also die Zugriffe des Betriebssystems. Die normale Version ist hingegen „only concerned with the memory space of the game process“, stellt das Unternehmen in der Privatsphäre-Sektion klar. Der vom Betriebssystem belegte Bereich des RAMs wird demnach bei normalen Anwendern nicht überwacht.

When you are using the Software Product on your Unit EasyAntiCheat is monitoring the Unit, analyzing the Game binaries and scanning the memory of the Unit for the purpose of detecting and preventing cheating in the Game (“Purpose”).

EasyAntiCheat

Voreilige Häme

Die bereits hämisch ausgemachte, herrliche Ironie einer Schnüffel-Software in einem Spiel eines Unternehmens, das datengierige Großkonzerne als Feindbild ausmacht, erscheint im Endeffekt fast gegenstandslos. Wenn Cheats erfolgreich und so weit wie möglich unterbunden werden sollen, erscheint ein proaktives Verfahren, das wie bei Virenscannern etwa das Verhalten von Software analysiert und unbekannte Bedrohungen entdecken kann, die Wahrscheinlichkeit eines Betruges einschätzt und möglichst viele Einfallstore rigoros verschließt, als grundsätzlich sinnvoll.

Damit bleibt als Ärgernis lediglich die Überwachung des Spiels bei offline-Nutzung sowie bei reinen Einzelspielern, die ihre Software nicht nach Gusto modifizieren können – auch diese Anwender sollen ihr Spielverzeichnis RAM überwachen lassen, was ebenfalls als eine Einschränkung der Privatsphäre betrachtet werden kann.

Modding und Overlays nur ohne Anti-Cheat-Software

Denn die Überwachung von Speicher und Spielverzeichnis unterbindet unter anderem Modding von Texturen sowie von Gameplay und Grafik über Injection-Verfahren. Auch der Einsatz von Overlay-Software wie Fraps wird unmöglich; das Aufzeichnen von Spielszenen mit derartiger Software wird so unterbunden. Dass zumindest ersteres gewünscht ist, geht aus dem von Ubisoft veröffentlichten „Verhaltenskodex“ zum Spiel hervor. Dort heißt es: „Jegliche Modifizierungen von Spieldateien in Verbindung mit Online-Aktivitäten sind strikt untersagt, das Modifizieren von Spieldateien erfolge „auf eigene Gefahr“.

Deaktivierung per Startparameter

EasyAntiCheat lässt sich allerdings über einen Startparameter vollständig deaktivieren. In diesem Fall ist ein Zugriff auf die Online-Komponenten des Actionspiels nicht länger möglich. Dazu muss lediglich die Zeile „-eac_launcher“ in den Startoptionen auf Steam oder Uplay hinzugefügt werden. Dies ist auf beiden Plattformen vor dem Programmstart in den „Eigenschaften“ des Titels in der Spielebibliothek möglich.

Watch Dogs 2 quittiert diese Änderung zwar mit den Hinweis auf die deaktivierten Online-Funktionen und der Aufforderung zur Neuinstallation, lässt sich aber anstandslos spielen. Eine Rückkehr auf die Server ist nach dem Entfernen des Startparameters jederzeit möglich. Etwaige Mods sollten allerdings ebenfalls entfernt werden.