For Honor im Test: Vergesst die Story, lang lebe der Multiplayer!
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Im Multiplayer von For Honor dreht sich naturgemäß alles um den Kampf zwischen den Spielern. Zwar treten in vielen Modi auch KI-Soldaten auf, doch sind sie hier erst recht bloßes Kanonenfutter, das in ihrer Masse für Schlachtstimmung sorgt.
Das gilt vor allem für den Herrschaftsmodus, bei dem acht Spieler in zwei Teams gegeneinander antreten und um drei Gebiete auf einer Karte konkurrieren. Während die im MOBA-Stil ständig spawnenden Soldaten sich an zentralen Schlachtschauplätzen bekämpfen, können die Spieler entscheiden, ob sie die Schlacht hier vorantreiben oder aber auf die Jagd nach gegnerischen Recken gehen wollen. Die spannendsten Momente sind aber die, in denen mehrere Spieler auf diesen unübersichtlichen zentralen Plätzen auftauchen und sich unter die KI mischen.
Für Taktikfreunde und Teamspieler bietet dieser Modus die meisten Möglichkeiten. Da die normalen Soldaten sich nicht um die Fahnen kümmern, entscheiden häufig Duelle über die Kontrolle – klar, dass es da entscheidend sein kann, wenn man mindestens zu zweit eine Eroberung angeht.
Helden mit Gaben
Dazu stehen zum Start insgesamt je vier Nahkampfrecken pro Fraktion zur Verfügung, die unterschiedliche Spielstile begünstigen und insgesamt solide ausbalanciert sind. Bei den Wikingern ziehen wir zum Beispiel mit einem massigen Axtschwinger oder mit einem wendigen Doppel-Axt-Kämpfer in die Schlacht. Die Ritter verfügen mit dem Wächter über einen echten Allrounder. Und bei den Samurai lehrt der massige Shugoki den Gegnern das Fürchten. Das sorgt für ordentliche Abwechslung. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Fraktionen überwiegend optisch: Beim Gameplay sorgen die Klassen für Varianz, nicht die Parteien.
Für einen genaueren Zuschnitt auf den eigenen Spielstil können die Recken mit der Zeit mit unterschiedlichen „Gaben“ ausgestattet werden. Bei diesen handelt es sich um Vorteile, die in „Kill-Streak“-Manier aus Shootern freigeschaltet werden. Ein Plünderer der Wikinger kann so etwa einen mittelalterlichen Molowtow-Cocktail nutzen, der gehörigen Flächenschaden verursacht. In niedrigeren Stufen gehören auch passive Vorteile zu den Boni, etwa die automatische Regenerierung von Gesundheit nach Kills.
Duelle für Einzelkämpfer
Die Güte der Herrschaft-Spiele steht und fällt wie bei anderen Multiplayer-Titeln auch mit den Mitspielern. Im schlechtesten Fall rennt ein Team unkoordiniert hin und her – dann ist ein Match allenfalls ein spaßiges Hack-and-Slay für zwischendurch. Mit ein bisschen mehr Absprache verdoppelt sich dieser Spaß allerdings, sodass sich For Honor sehr gut für organisierte Spielergruppen eignet.
Neben Deathmatch-Varianten bietet der Multiplayer von For Honor schließlich auch noch einen Duell-Modus, der neben Herrschaft den zweiten interessanten Aspekt darstellt. Die Bezeichnung sagt dabei eigentlich schon alles: Zwei Spieler treten in maximal fünf Runden gegeneinander an – eine angenehme Abwechslung zu den Massenschlachten von Herrschaft, die dank einer guten Steuerung richtig Spaß macht.
Auf die Steuerung kommt es an
Eine gute Steuerung? Ja, mittlerweile sind wir von der von uns in der Preview der Closed Beta noch skeptisch gesehenen Steuerung ziemlich überzeugt. Diese funktioniert so: Trifft man auf gegnerische Helden, lassen sich diese zunächst per Tastendruck einloggen. Dadurch wechselt die Ansicht in einen Kampfmodus, in dem durch das Schieben der Maus festgelegt wird, in welche Richtung der Recke blockt: Nach vorne, nach rechts oder nach links.
Auf diesem Wege gilt es zunächst, die Angriffe des Gegners zu parieren. Zugleich können wir durch die Positionierung der Maus auch in eine der Richtungen zuschlagen. Dabei sorgt die rechte Maustaste für einen langsamen, aber mächtigen Gewaltschlag, während die linke den Helden eine normale Attacke ausführen lässt. Erweitert wird dieses Block- und Angriffssystem um die Möglichkeit, die Deckung des Gegners zu überwinden und ihn mit etwas Glück zu schleudern oder umzuhauen.
Das System ist clever und innovativ, beugt es doch in Kombination mit einem sinkenden Ausdauerbalken allzu stupidem Hack-and-Slay-Geklicke vor. Stattdessen beobachten wir ständig, in welche Richtung sich unser Gegner wendet. Gehen wir zum Angriff über, müssen wir diese Richtung verlassen: Unser Held ist angreifbar, kann zugleich aber auch Attacken ausführen.
Das funktioniert mit etwas Übung selbst mit Maus und Tastatur ganz ordentlich – ein Aspekt, der nicht unterschätzt werden sollte: In einem Spiel, dass fast ausschließlich vom Duell zwischen menschlichen Spielern lebt, wäre eine dysfunktionale Steuerung ein gravierendes Problem.
Pay to Win?
Für rege Diskussionen sorgt auch im Falle von For Honor, dass sich beim Grinden für Helden und Fähigkeiten viel Zeit sparen lässt, wenn die Spieler zu echtem Geld greifen und dieses in die Ingame-Währung „Stahl“ investieren. Die Kritik ist grundsätzlich berechtigt, zumal Ubisoft horrende Preise aufruft – und das bei einem Vollpreistitel.
Allerdings ist die „Pay to Win“-Problematik hier eher nicht gegeben, da es sich bei den Vorteilen vor allem um den Faktor Zeit sowie Details wie Outfits handelt.
Technik
Technisch macht For Honor auf Grundlage einer überarbeiteten Variante der AnvilNext-2.0-Engine eine gute Figur. Bei der Engine handelt es sich um jenes Grundgerüst, das mit Assassin's Creed: Unity seine Premiere gefeiert hat und auch in Rainbow Six: Siege zum Einsatz kommt.
Auf der einen Seite steht eine grafische Umsetzung, die zwar keine neuen Standards definiert, sich aber sehen lassen kann. Auf der anderen Seite fällt der Hardwarehunger moderat aus, wie die Benchmarks zu For Honor bestätigen. Insgesamt ist For Honor so ein sehr fairer Kompromiss zwischen schicker PC-Umsetzung und moderaten Systemanforderungen.
Hinzu kommt, dass der Titel fehlerfrei läuft. Nennenswerte Bugs sucht man vergebens. Selbst die Vertonung gibt in diesem Fall kaum Anlass zur Kritik. Ab und an unterscheiden sich Stimmen von Nebencharakteren zu wenig, ansonsten gibt es aber nichts zu meckern. Das mag auch daran liegen, dass fast jeder in For Honor einen Helm trägt. Die Baustelle „Lippensynchronisation“ fällt damit weg.
Ein kleiner Kritikpunkt betrifft das Matchmaking, das wie bei vielen anderen Multiplayer-Titeln auch auf einem P2P-System beruht. Daraus ergeben sich die üblichen Anfälligkeiten, sodass das Spiel etwa kurz unterbrochen wird, wenn der Host es verlässt. Gleich nach Release fiel zudem auf, dass es relativ lange dauerte, bis Spiele zustande kamen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass laut Matchmaking-Maske eine „geringe Spieleraktivität“ vorlag – ein Umstand, der sich mittelfristig noch ändern könnte.
Kopier- & Jugendschutz
For Honor funktioniert über uPlay, sodass der Key über die Ubisoft-Plattform aktiviert werden muss. Dazu ist einmalig eine Internetverbindung nötig; ein Wiederverkauf ist durch die Bindung an das Konto nicht möglich. Zudem besteht ein Online-Zwang, sodass selbst für die Solokampagne eine Verbindung zu den Servern vorhanden sein muss.
Die USK hat keine Jugendfreigabe erteilt, sodass der Titel ab 18 Jahren erhältlich ist.
Fazit
For Honor ist schon für sich genommen ein löbliches Projekt: Endlich wagt es Ubisoft mal wieder, eine neue Marke auf den Weg zu bringen. Das ist gut für die Spieler, aber auch gut für den Publisher. In Zeiten, in denen große Reihen in aller Regel jährlich neu aufgelegt werden, droht eine Überreizung der Markeninhalte – und damit Langeweile, die die anhaltende Kritik an „AAA-Titeln“ wie Assassin's Creed oder Call of Duty erklärt.
Allerdings reicht bloßer Mut zum Neuen natürlich nicht aus. Entscheidend ist, dass die Entwickler auch wirklich liefern: For Honor ist als Multiplayer-Titel dank packender Kämpfe und einem durchdachten Gameplay in hohem Maße überzeugend. Hinzu kommt, dass Blue Byte die PC-Version sauber umgesetzt hat, sodass es auch aus technischer Perspektive nichts zu meckern gibt.
Zu einer umfassenden Empfehlung reicht es trotz dieser Eigenschaften aber nicht. Wer auch nur entfernt inhaltliche Ansprüche an die Kampagne eines Spiels hat, wird sich über For Honor ärgern. Der Plot dient allenfalls dazu, den Spieler bestmöglich auf die Multiplayer-Schlachten vorzubereiten.
Und so ist For Honor am Ende eine spezifische Angelegenheit: Wer schon immer Lust auf Mittelalter-Action (ohne Fantasy!) in Mehrspielermanier hatte, wird mit Ubisofts neuer Marke auf jeden Fall glücklich werden.
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