Sony PlayStation VR im Test: Die günstigere Alternative zu Rift und Vive
Die Kombination aus PlayStation 4 (Pro) und PlayStation VR ist mit Abstand der günstigste Einstieg in die virtuelle Realität und in wesentlichen Eckpunkten technisch kaum schlechter aufgestellt als die teureren VR-Brillen für PCs. Im Test von PSVR zeigen sich aber Einschränkungen.
Was taugt „Budget-VR“?
Mit 519 Euro für das Gesamtsystem ohne Konsole fallen die Anschaffungskosten für PlayStation VR um 280 respektive 380 Euro niedriger aus als für Oculus Rift und HTC Vive. Und die Konsole kostet ebenfalls weniger als ein aktueller VR-Spiele-PC.
PSVR | Oculus Rift | HTC Vive | |
---|---|---|---|
VR-Brille | 399 Euro | 599 Euro | 899 Euro |
Tracking | 50 Euro | inkl. | inkl. |
Controller | 70 Euro | 199 Euro | inkl. |
Gesamtkosten | 519 Euro | 798 Euro | 899 Euro |
ComputerBase hat im mehrwöchigen Test Eindrücke von Plattform und den vielversprechendsten Titeln gesammelt und stellt die wesentlichen Unterschiede zu den PC-VR-Brillen heraus. Am Ende des Artikels steht die Antwort auf die Frage: Was taugt „Budget-VR“?
PSVR im Vergleich zu Oculus Rift und HTC Vive
PlayStation VR unterscheidet sich nicht nur beim Zuspieler und dem Preis von Oculus Rift und HTC Vive. Auch beim in der Brille von Sony verbauten Display gibt es handfeste Unterschiede.
Sony setzt auf ein einzelnes Display
PSVR setzt auf einen 5,7 Zoll großen Bildschirm mit einer Auflösung von 1.920 × 1.080 Pixeln (Full HD), während die Konkurrenz für jedes Auge einen separaten Bildschirm mit 1.080 × 1.200 Pixeln und damit kombiniert 2.160 × 1.200 Pixeln nutzt – das sind 25 Prozent mehr Bildpunkte. Dafür kann der Bildschirm in der VR-Brille von Sony zwischen der Darstellung mit 90 und mit 120 Hertz hin und her schalten, während Oculus Rift und HTC Vive nur 90 Hz bieten.
Weil schon High-End-PCs Probleme haben, jede Sekunde 90 komplett neu berechnete Bilder rechtzeitig an die VR-Brille zu senden, bedient sich auch Sony bei PSVR eines Tricks, den der Hersteller „Rückprojektion“ nennt. Wie bei den von Oculus schon früh genutzten Technologien Timewarp und Spacewarp wird das letzte vollständig neu berechnete Bild unter Berücksichtigung der letzten Kopfbewegung nur interpoliert. Der Effekt ist wie bei der Konkurrenz auch bei Sony verblüffend: Nur bei sehr schnellen Bewegungen kommt es von Zeit zu Zeit zu Schlierenbildungen, was die Interpolation verrät.
60 native FPS sind die Untergrenze, 120 native FPS das Ziel
Sony hat Entwicklern für PSVR-Titel vorgeschrieben, Spiele so zu entwickeln, dass die PlayStation 4 sie mit 60 nativen, als vollständig neu berechneten FPS darstellen kann. Läuft das Display mit 90 Hz, muss im schlimmsten Fall also nur jedes zweite interpoliert werden. Erfolgt die Darstellung mit 120 Hz, ist es jedes Bild. Wann die VR-Brille in welchem Modus läuft, bleibt allerdings offen, Sony formuliert nur vage: „Das PS VR-OLED-Display bietet je nach VR-Spiel oder -Anwendung eine Bildwiederholrate von 90 Hz (90 Mal pro Sekunde) oder 120 Hz (120 Mal pro Sekunde).“
Mehr FPS oder Downsampling mit der PlayStation 4 Pro
Wird PSVR an der leistungsstärkeren PlayStation 4 Pro betrieben, bleibt es Entwicklern überlassen, wie sie die zusätzliche Leistung nutzen. Eine Möglichkeit ist die Berechnung mehr nativer FPS, 120 FPS sind das erklärte Ziel. Die andere ist das Berechnen von Inhalten in höherer Auflösung als der tatsächlich dargestellten. Diese Downsampling genannte Technologie lässt sich auch mit den VR-Brillen für PCs nutzen, sie sorgt wie in Spielen für den PC für eine schärfere Darstellung und reduziert Flimmern.
Tracking mit Kamera wie bei der Rift
Beim Tracking setzt Sony auf eine Lösung mit Kamera, wie sie auch Oculus bei der VR-Brille Rift nutzt. Von der Kamera werden allerdings keine Infrarotsignale sondern das von der Brille und den Controllern ausgesendete sichtbare Licht verfolgt. Während Rift (mit Oculus Touch) und HTC Vive den Spieler und dessen Hände auf 360 Grad verfolgen können, ist das bei PlayStation VR nur beim Headset der Fall – dreht sich der Spieler um, kann die Stereo-Kamera die Controller in den Händen schnell nicht mehr sehen.
Die Einrichtung ist aufwendig
Überraschend aufwendig ist die Einrichtung, die Oculus Rift ist selbst mit Touch schneller einsatzbereit. Das liegt vor allem an der Prozessoreinheit, die auch noch zwischen Konsole und VR-Brille eingebunden werden muss. Im Vergleich zur festen Installation der Lighthouse-Stationen der Vive ist aber auch PlayStation VR schneller einsatzbereit. Soweit die Theorie.
Tragekomfort, Tracking und Darstellung in der Praxis
Bis sich PlayStation VR natürlich anfühlt, vergeht eine Weile; es braucht Zeit, bis eine optimale und zugleich bequeme Position für das Headset gefunden und verlässlich reproduziert werden kann. Das meint insbesondere die Ausrichtung der Linsen vor den Augen. Ist die Position nicht korrekt, wird das Bild unscharf. Dabei sollte der Sitz tunlichst fest genug sein, um ein Wackeln des Monitorelements zu verhindern – nichts stört die Illusion, die immer auch synonym mit „Wohlbefinden“ ist, stärker. Von Rift und Vive ist das ebenfalls bekannt.
Als völlig unproblematisch erweist sich das Gewicht von rund 600 Gramm sowie das Tragen einer Brille; größter Mangel des Headsets ist der chemische Geruch des Gummis, das als Sichtschutz rund um die Displays das Eindringen von Umgebungshelligkeit verhindert. Nervig ist zudem neben dem unflexiblen Anschlusskabel, das viel zu oft unter den eigenen Füßen landet, und die fehlende Darstellung von PS4- oder Move-Controllern in Menüs, obwohl beide aufgrund ihrer Lightbars erfasst werden könnten. Wer zwischen Eingabegeräten wechseln will, muss entweder blind tasten oder das Headset ablegen.
Das Tracking arbeitet nicht immer perfekt
Für das Tracking des Headsets wird eine PlayStation-Kamera benötigt. Für die Bewegungssteuerung werden außerdem zwei Move-Controller erforderlich, was den Preis des Headsets, sofern die Hardware noch nicht vorliegt, um rund 120 Euro erhöht. Die Move-Controller sind vergleichsweise klobig und fassen sich nicht so gut an wie die Controller von Rift oder Vive.
Dass die Technik schon älter ist, wird auch an der einen oder anderen Stelle deutlich. Obwohl das Tracking unglaublich wichtig für überzeugende Kunstwelten ist, hakt PSVR hier von Zeit zu Zeit. Während das Erfassen des Kopfes reibungslos vonstatten geht, gelingt dem System das präzise Erfassen der Move- oder auch das PS4-Controllers nicht immer sauber. Wenn Gegenstände beim Drehen zu ruckeln beginnen oder Hände in die Luft greifen, leidet die Illusion – und bei Virtual Reality oft genug das Wohlbefinden, das von der Täuschung des Gehirns abhängt. Wer das annähernd fehlerfreie Tracking von Rift und Vive gewohnt ist, dem stößt das Tracking bei PSVR immer wieder sauer auf.
Den Einschränkungen scheinen Spiele zudem nur in Teilen etwa durch das Anpassen von Objekten oder großzügige „Hitboxen“ Rechnung zu tragen. Zudem ist die maximale Spielfläche von rund zwei Quadratmeter gefühlt eng, beim Spielen warnen daher von Zeit zu Zeit Hinweise vor dem Verlassen der korrekten Zone.
Raum muss gelernt werden
Erhebliche Gewöhnung erfordert das wesentliche Argument virtueller Realität: die Bewegung im Raum. Das von PSVR abgesteckte Spielfeld ist zwar nur klein, erlaubt es Entwicklern aber theoretisch, 360-Grad-Spielfelder mit Gegenständen und Interaktionspunkten auf ganzer Körperhöhe zu füllen. Sich zu bücken und häufig zu drehen strengt jedoch an und erfordert Übung. Frei im Raum zu stehen gehört damit zu den anstrengendsten Szenarien, weil kleine Aussetzer und Patzer, aber auch häufige, schnelle Drehungen rasch zu Schwindel oder Übelkeit führen können. Gerade zu Beginn sind in Spielen wie dem Job Simulator, die Bewegungen im Raum zum Kern ihres Spielprinzips erheben, längere Sitzungen mit einer Dauer von mehr als 30 Spielminuten utopisch; „Motion Sickness“ variierender Stärke erscheint zumindest in der Anfangszeit unvermeidlich. Das Problem ist für VR-Neulinge am PC aber nicht anders.
Zu viel Bewegung wird meistens vermieden
Eigenbewegung und Kopfbewegung gleichzeitig dem Spieler zu überlassen, wirkt derzeit wie ein Minenfeld. Dementsprechend verzichten Spiele auf der PSVR fast ausnahmelos darauf. Freigestellt werden das Laufen und Schauen nur in Robinson: The Journey, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit auf ein behäbiges Niveau reduziert wird. Dabei hatte Crytek eine besondere Überraschung parat: Beim ersten Laden wurde die Steuerung des Headtrackings invertiert. Eine Kopfbewegung nach links verschob damit das Bild nach rechts – ein übler Effekt. Einen Gegenpol bilden Titel wie Battlezone VR: Sie werden im Sitzen mit dem DualShock-Controller gespielt und erfordern nur wenige Kopfbewegungen, was sie einfach verdaulich werden lässt.
Wichtig ist unabhängig davon stets, dasjenige Eingabegerät zu wählen, das dem gezeigten ähnelt – Rennspiele also mit Lenkrad, Move-Spiele mit Move-Controllern zu spielen. Die erträgliche Spielzeit, bei der körperliche Beschwerden auf einem Mindestmaß blieben und selbige vor allem nach Spielende zügig verflogen, variierte zu Beginn zwischen 20 Minuten und rund einer Stunde. Nach längerer Eingewöhnung verschob sich die Toleranzgrenze zwar nach oben, war aber noch immer leicht zu erreichen; ein paar Spiele fühlten sich bis zum Schluss nicht ganz rund an. PSVR ist also auch ein Geduldsspiel und wie alle VR-Systeme von Person zu Person unterschiedlich genießbar.
Es fehlt an Pixeln
Für die Täuschung ist die Auflösung hingegen zumindest anfänglich weniger relevant, obwohl die Hardware der PlayStation 4 zumindest in Driveclub VR zu harten Abstrichen bei der Auflösung zwingt. Aber selbst bei weniger rechenintensiven Cartoon-Titeln wie dem Job Simulator oder dem Tron-Look von Battlezone wird deutlich, dass auch die Auflösung dieses Headsets zu gering ist. Ersichtlich wird das zuvorderst im Praxiseinsatz: Was auf Screenshots und Videos vor dem Monitor manierlich treppchenfrei aussieht, wird mit dem Display direkt vor den Augen in freier Übertreibung zu Minecraft. Das verwundert nicht: Unter diesem Problem leiden auch HTC Vive und die Oculus Rift, die noch etwas höher aufgelöst sind.
Wer sich frei im Raum bewegen oder umschauen kann, wird das jedoch in der ersten Begeisterung schnell vergessen: Solange die Welt durch ihr Feedback und ihre Reaktion auf den Körper real wirkt, trägt das Experimentieren mit neuen Möglichkeiten und einer durchaus einzigartigen Spielerfahrung über technische Unzulänglichkeiten hinweg. Allein die Intros, die durch und um Spieler herum gelegt werden, weisen auf eine neue Art der Präsentation, die das Mittendringefühl kultiviert; wenn das Menü per Blick auf einen Tablet-Computer aufgerufen und nicht vor das Spiel gelegt, sondern im Geschehen eingebunden wird, dann ist die Zukunft schon jetzt.
Schrift ist der Worst-Case
Je länger das Headset genutzt wird, desto stärker stören allerdings die vielen Treppchenkanten und unscharfen Objekte ab mittlerer „Distanz“ zum Spieler. Besonders problematisch wird Schrift. Hier fallen noch weit schneller flimmernde oder unscharfe Buchstaben auf. Lesbar ist nur, was entweder riesig dargestellt wird, oder direkt vor der Nase schwebt. PSVR wird insofern zu einem Fenster in die Zukunft, das einen beeindruckenden Ausblick darauf gibt, was in der virtuellen Realität möglich sein wird.
Es ist das Raumgefühl, die Möglichkeit, sich umzuschauen, die das Gameplay enorm aufwertet. Dieser Rolle als Technologieträger passen sich viele der im Folgenden angesprochenen Spiele an.