Xiaomi Mi Mix im Test: Wegweiser mit Kompromissen
2/2Kamera mit Schwächen
Die Kamera des Mi Mix bietet eine Auflösung von 16 Megapixel, die Blendenöffnung beträgt f/2.0. Für schlechtere Lichtverhältnisse steht eine Dual-LED bereit, im Vergleich zu anderen Smartphones von Xiaomi verzichtet der Hersteller auf besondere Funktionen wie eine Dual-Kamera, die im Mi 5s Plus steckt und im Test in weiten Teilen überzeugen konnte. Auch ein optischer Bildstabilisator oder ein Autofokus mit Phasenerkennung oder Laser fehlt im Mi Mix. Die Kamera hat Xiaomi im Vergleich zum Gehäuse und Display diesmal wenig priorisiert.
So sind die am Tag angefertigten Aufnahmen zwar grundsätzlich scharf bis in die Ecken des Bildes, doch weisen sie bereits bei der niedrigsten Empfindlichkeit von ISO 100 ein sichtbares Grundrauschen und eine störende Artefaktbildung in der 100-Prozent-Ansicht auf. Weiterhin ist der Dynamikumfang eher gering und Schatten werden wenig bis gar nicht durch den internen Bildbearbeitungsalgorithmus aufgehellt, was die Bilder zum Teil recht dunkel wirken lässt.
Wenig Dynamik oder chromatische Aberration
Ein HDR schafft hier zwar Abhilfe und erhöht den Dynamikumfang sichtbar, die Sonderaufnahmen werden jedoch von chromatischer Aberration und einem leichten Moiré-Effekt begleitet (Bild 21 von 35 in der Bilderstrecke), was die Bildqualität allgemein mindert.
Immerhin erweist sich das Xiaomi Mi Mix beim automatischen Weißabgleich als treffsicher, selbst bei Kunstlicht. Während sich das Rauschen hier noch bei ISO 2.000 in Grenzen hält, sind High-ISO-Aufnahmen in der Nacht kaum zu verwerten. Das hohe Bildrauschen bei ISO 6.400 und Farbartefakte sorgen für wenig ansehnliche Fotos. Hier kann selbst der Blitz auf kurzer Distanz nicht mehr viel retten und leuchtet nahe Objekte zu allem Überfluss noch ungleichmäßig aus.
Kamera enttäuscht
Während das Mi Mix an anderer Stelle erfolgreich neue Wege geht, kann die Leistung der Kamera im Alltag nur bedingt überzeugen. Dies liegt vor allen Dingen am hohen Grundrauschen bei niedrigen Empfindlichkeiten und den geringen Optimierungen, die der Hersteller beim internen Bildbearbeitungsprozess trifft.
Ohne LTE Band 20
Das Xiaomi Mi Mix kann allgemein durch einen großen Schnittstellenumfang überzeugen: Es bietet WLAN nach ac-Standard, (A-)GPS, GLONASS und BeiDou, Bluetooth 4. und LTE Cat. 12 mit bis zu 600 Mbit/s im Down- und 150 Mbit/s im Upstream. Wie bei den meisten Xiaomi-Modellen fehlt dem Mi Mix allerdings das in Deutschland viel genutzte LTE-Band 20 für die 800-Megahertz-Frequenz. Vor allem o2 und Vodafone nutzen dieses Band, insbesondere in ländlichen Regionen. Durch den Wegfall ist die LTE-Nutzung in Deutschland nur eingeschränkt möglich.
Band 20 fehlt erneut
Anders als beim Mi Note 2 (Test) gibt es beim als Konzept vorgestellten Mi Mix derzeit keine globale Version mit weiteren, internationalen LTE-Bändern. Zudem fehlt dem Mi Mix auch ein Infrarotsender, den viele Smartphones des Herstellers sonst mitbringen.
Blecherne Akustik beim Telefonieren
Der Näherungssensor auf Ultraschallbasis funktioniert zuverlässig, bei Telefonaten wurde das Display in üblicher Position am Kopf korrekt ausgeschaltet. Das piezoelektrische Bauteil für die Akustik funktioniert ebenfalls zuverlässig, klingt aber vergleichsweise blechern. Der Ton kann über die gesamte Front wahrgenommen werden; das Telefon wie gewöhnlich am Ohr zu halten, bietet sich aber am meisten an, da anderweitig das Display nicht ausgeschaltet wird. Die Ortung per A-GPS im Modus für höchste Genauigkeit erfolgte per Google Maps zuverlässig und schnell. Getestet wurde im Netz von o2.
Großer Akku für ein großes Display
Aufgrund des großen Gehäuses findet auch ein auf dem Papier großer Akku Platz: 4.400 mAh Nennladung bietet der Akku des Mi Mix. Im Alltag mit dem Abgleich mehrerer E-Mail-Konten, dem Einsatz von Messengern und dauerhaft aktivierten mobilen Daten, GPS und WLAN und rund 30 Minuten Telefonie kommt das Smartphone problemlos über den Tag, bei genügsamer Nutzung sind auch zwei Tage mit dem Mi Mix möglich. Im Alltag überzeugt der Akku sowohl bei der aktiven Nutzung als auch durch den geringen Standby-Verbrauch.
In den Laufzeitmessungen kann das Mi Mix die guten Alltagserfahrungen bestätigen: Im PCMark stehen knapp neun Stunden auf der Uhr, sodass trotz des sehr großen Displays eine insgesamt gute, überdurchschnittliche Laufzeit erreicht wird. Im YouTube-Dauertest kann das Mi Mix sogar noch mehr überzeugen: Mit rund zehneinhalb Stunden kann das Smartphone sich auch im Videotest einen guten Platz sichern.
Fazit: Ein gelungener Schritt in die Zukunft
Obwohl Xiaomi das Mi Mix als Konzept vorgestellt hat, ist das Smartphone deutlich mehr als eine vage Idee. Das beinahe randlose Modell ist eine erfolgreiche Machbarkeitsstudie, die zeigt, in welche Richtung Smartphones gehen – dies könnte sich bereits in diesem Jahr zeigen, denn Gerüchten zufolge planen unter anderem Apple mit dem nächsten iPhone (8), Samsung mit dem Galaxy S8 und LG mit dem G6 fast rahmenlose Telefone.
Gelungene Machbarkeitsstudie
Das Mi Mix beeindruckt aber nicht nur durch die Formsprache, sondern auch Verarbeitung und Bildschirm werden dem hohen Anspruch gerecht. Das Keramikgehäuse wirkt weitgehend nahtlos und hochwertig, auch wenn Fingerabdrücke an der Tagesordnung sind. Auch das Display überzeugt durch kräftige Farben, einen hohen Kontrast und stabile Blickwinkel. Einzig die Auflösung ist nicht so hoch wie bei der Konkurrenz – ein erster Kompromiss, den der Rest des Bildschirms aber erfolgreich retuschieren kann. Der zweite Kompromiss ist die Bedienung im Querformat, insbesondere bei Spielen: Das Mi Mix ist groß und schwer, kann aber – vor allem ohne Hülle – schwerlich sicher gehalten und bedient werden.
Aufgrund der ungewöhnlichen Form musste Xiaomi bei einigen Bauteilen und Komponenten umdenken. Die (nicht außergewöhnliche) Frontkamera befindet sich im rechten unteren Eck, für Selfies sollte das Smartphone besser umgedreht werden. Näherungs- und Umgebungslichtsensor arbeiten zuverlässig und ohne Auffälligkeiten. Die piezoelektrische Keramik sorgt ebenso zuverlässig für Akustik bei Telefonaten, klingt aber blechern.
Änderungen gut umgesetzt
Auch an der technischen Ausstattung gibt es wenig auszusetzen: Das Smartphone ist mit UFS-2.0-Speicher und dem Snapdragon 821 jederzeit flüssig, der Akku hält lange. Der gröbste Schnitzer ist die Kamera, diese hat Xiaomi beim Mi Mix vernachlässigt. Bereits am Tag rauschen Fotos deutlich, von anderen Topmodellen wie dem Samsung Galaxy S7 Edge oder dem Huawei Mate 9 (Test) ist das Mi Mix weit entfernt. Auch der erneute Wegfall von LTE-Band 20 ist für die Nutzung in Deutschland ein Stolperstein.
Ein Ausblick auf kommende Smartphones
Das Xiaomi Mi Mix ist also nicht das perfekte Smartphone aus der Zukunft, aber dafür eine gelungene und nutzbare Machbarkeitsstudie. Das fast randlose Display setzt der Hersteller gekonnt um und legt somit einen Grundstein für kommende Modelle der gleichen Art.
- sehr gutes Display mit schmalen Rändern
- ansprechende Materialwahl
- gute Verarbeitung
- USB 3.0 Typ C
- hohe Leistung
- flüssige Bedienung
- zuverlässiger Fingerabdrucksensor
- kein LTE-Band 20
- blecherne Telefonakustik
- veraltetes Android
- Speicher nicht erweiterbar
- schwache Kamera
Hinweise zum Import aus China
Händler wie Trading Shenzhen bieten das Xiaomi Mi Mix je nach Speichervariante ab rund 650 Euro an. Kunden müssen aber bedenken: Versand und insbesondere Bearbeitungsgebühren beim Zoll sind noch nicht enthalten, weil der Händler direkt aus China an den Käufer verschickt. In den europäischen Lagerhäusern der Händler und damit als bereits verzollte Ware gibt es das Mi Mix aktuell noch nicht flächendeckend.
Zwar bieten Händler wie GearBest mit dem „Germany Express“ eine Versandart an, die 7 bis 15 Tage dauern und ohne Begutachtung durch den Zoll auskommen soll; laut Erfahrungsberichten erfolgt der Versand in diesem Fall per DPD. Die rechtlich verbriefte Verpflichtung, die Ware beim Zoll vorzulegen, wird davon aber nicht berührt.
19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer
Eine Zollgebühr fällt auf Smartphones zwar nicht an, wohl aber die Einfuhrumsatzsteuer. Sie beträgt wie die Mehrwertsteuer 19 Prozent auf den deklarierten Warenwert inklusive Versandkosten. DHL Express verlangt bei Begutachtung durch den Zoll weitere 10 Euro Bearbeitungsgebühr. So werden aus 650 schnell bis zu 785 Euro.
Preisbestandteil | Preis |
---|---|
Preis ab China | 650 Euro |
Versandkosten | frei |
Einfuhrumsatzsteuer * | 123,50 Euro |
Zollaufschlag DHL ** | 11,90 Euro |
Gesamtkosten | 785,40 Euro |
* 19 Prozent auf Warenwert zzgl. Versandkosten ** 10 Euro zzgl. 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer |
Die Garantieabwicklung läuft über China
Weil Xiaomi den europäischen Markt nicht offiziell mit Produkten bedient, läuft die Garantieabwicklung über China. Um den Versand muss sich der Kunde kümmern, Händler helfen bei der Abwicklung. Sie versuchen zudem durch die Deklaration der Ware als Rückläufer aus Reparatur eine erneute Verzollung zu vermeiden.
Näheres zu Händlern, Versandarten und Importfragen steht im ComputerBase-Forum in der FAQ vom ComputerBase-Leser xorc.
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