Fake News und Hassbeiträge: Justizministerium verschärft still und leise das Gesetz
Ohne große Ankündigung hat das Bundesjustizministerium das Gesetz gegen Hassbeiträge und Fake News überarbeitet. Upload-Filter sind zwar vorerst vom Tisch, dafür wurden die Straftatbestände erweitert und es enthält nun ein Auskunftsrecht für Klarnamen, die laut Kritikern zum „Ende der Anonymität im Netz“ führen könnten.
Dass das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz überarbeitet wurde, geht aus dem Entwurf hervor, den das Justizministerium an die EU-Kommission übermittelt hat. Die Brüsseler Behörde muss sämtliche Gesetze notifizieren, die die Informationsgesellschaft betreffen, um potentielle Konflikte mit dem EU-Recht schon im Vorfeld zu unterbinden.
Löschpflichten bei Pornos und terroristischen Inhalten
Auffällig ist zunächst, dass das Gesetz mehr Straftatbestände umfasst. Als Justizminister Heiko Maas (SPD) den Entwurf vorstellte, waren es etwa Beleidigung, üble Nachrede, öffentliche Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung, die als Hassbeiträge und „strafbare Fake News“ eingestuft wurde. Nun umfasst die Liste aber nicht mehr 14 Delikte, sondern 24.
Neu ist etwa die Löschpflicht für pornographische und kinderpornographische Inhalte. In der ersten Fassung hieß es noch, solche Klauseln wären nicht nötig, weil solche Straftaten ohnehin schon effektiv verfolgt werden. Weitere Tatbestände betreffen in erster Linie den Schutz des Staates. Dazu zählen unter anderem:
- Die verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen (§ 90b StGB)
- Landesverräterische Fälschung (§ 100a StGB)
- Die Bildung terroristischer Vereinigungen (§ 129a StGB)
- Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB)
Wenn Nutzer solche Inhalte melden, müssen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube die Beschwerden künftig schneller bearbeiten, um ein Bußgeld in Millionenhöhe zu vermeiden. Bei rechtswidrigen Inhalten beträgt die Frist eine Woche, bei „offensichtlich“ rechtswidrigen Inhalten aber nur 24 Stunden. Was mit „offensichtlich“ genau gemeint ist, lässt sich aber nicht ohne Weiteres sagen. Kritiker befürchten daher, dass die sozialen Netzwerke angesichts der drohenden Strafen eher zu viel als zu wenig löschen.
Ende der Anonymität im Netz?
Neben den erweiterten Straftatbeständen wurde der Gesetzentwurf noch um eine Klausel ergänzt, die es nach Ansicht von IT-Anwälten und Netzaktivisten in sich hat. Denn nach Ansicht der Bundesregierung sollen Betroffene von Hassbeiträgen künftig das Recht erhalten, die Namen der Täter zu erfahren. Anbieter müssen daher die Bestandsdaten der jeweiligen Nutzer herausgeben.
Wie der IT-Fachanwalt Niko Härting in einem Blog-Eintrag schreibt, werde die Vorschrift aber „exzessiv“ ausgelegt, sodass ein „Ende der Anonymität im Netz“ drohe. Angesichts der erweiterten Straftatbestände warnt daher auch Volker Tripp von der Digitalen Gesellschaft: „Unter dem Vorwand einer Rechtsverletzung könnten auf diese Weise online verwendete Pseudonyme aufgedeckt und Whistleblower oder unliebsame Kritiker enttarnt werden. Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird immer mehr zu einem allgemeinen Netzzensurgesetz.“
Was Netzaktivisten scharf kritisieren, hatten aber Vertreter der Sicherheitsbehörden explizit gefordert. Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes erklärte etwa, reines Löschen reiche nicht aus. Opfer müssten direkt auf Schadensersatz klagen können und dafür wären die Namen nötig.
Upload-Filter vorerst vom Tisch
Abgeräumt wurden derweil aber die Upload-Filter. Im ursprünglichen Entwurf hieß es noch, soziale Netzwerke müssen die Kopien eines rechtswidrigen Inhalts nicht nur unverzüglich entfernen, sondern zusätzlich noch „wirksame Maßnahmen gegen die erneute Speicherung des rechtswidrigen Inhalts“ ergreifen. Im Klartext bedeutete das: Facebook und Co. müssten Filterprogramme einbauen, um bei jedem Upload zu prüfen, ob es sich dabei nicht etwa um Inhalt handelt, der schon zuvor gelöscht wurde. Insbesondere Netzaktivisten warnen vor solchen Upload-Filtern, die könnten leicht als Zensurinfrastruktur missbraucht werden, wenn die entsprechende Technologie erst einmal verfügbar ist, erklärte etwa Netzpolitik.org-Chef Markus Beckedahl.
Vorerst ist dieser Punkt aber geklärt, das Justizministerium hat die entsprechende Klausel (§ 3 Abs. 2, 7) ersatzlos gestrichen. Im aktuellen Entwurf heißt es nur noch, Anbieter des sozialen Netzwerks sollen „sämtliche auf den Plattformen befindlichen Kopien des rechtswidrigen Inhalts ebenfalls unverzüglich“ entfernen oder sperren. Sofern das der Fall ist, muss eine Kopie aber zu Beweiszwecken für zehn Wochen im Inland gespeichert werden.
Kabinett will Gesetz noch im April beschließen
Indem die EU-Kommission den Gesetzentwurf notifiziert, ist die Bundesregierung einen Schritt weiter. Anfang April soll nun das Bundeskabinett abstimmen, danach ist der Bundestag dran.