Personalausweis: Von Haus aus aktivierte Online-Funktion ist umstritten
Noch in dieser Woche soll der Bundestag ein Gesetz beschließen, um die Online-Funktion des elektronischen Personalausweises zu fördern. Unter Experten ist die standardmäßige Aktivierung des digitalen Identitätsnachweises umstritten. Netzaktivisten kritisieren die automatisierte Datenabfrage durch Geheimdienste.
Diskutiert wurde der Gesetzentwurf in einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestags. Das Ziel der Bundesregierung ist bekannt: Damit künftig mehr Bürger den Personalausweis als digitalen Identitätsnachweis nutzen, soll die Online-Funktion automatisch und dauerhaft eingeschaltet werden. Das ermöglicht etwa, Behördengänge und Online-Geschäfte mit einer digitalen Unterschrift rechtsverbindlich abzuschließen.
Digitale Identität für alle
Bis dato wären zwar rund 51 Millionen elektronische Personalausweise im Umlauf, nur ein Drittel hätte aber die sogenannte eID-Funktion aktiviert. Zudem würden Unternehmen und Behörden die entsprechende Technologie nur zögerlich einführen. Ein Punkt, den die Bundesregierung ebenfalls ändern will.
Im Bundestag vertreten die Experten nun unterschiedliche Ansichten. Jens Fromm vom IT-Dienstleistungszentrum Berlin begrüßt den Vorstoß, in dem Gesetzentwurf sieht er eine „größere Chance, dass die eID-Funktion vorankommt“. Ähnlich sieht es Professor Marian Margraf von der Freien Universität Berlin, die automatisch und dauerhaft aktivierte Online-Funktion hält er „nicht für so kritisch“, weil Bürger immer noch die Möglichkeit hätten, den digitalen Identitätsnachweis zu sperren. Zustimmend ist auch die Einschätzung von BSI-Präsident Arne Schönbohm.
Skeptischer äußert sich derweil Jürgen Müller, der für die Bundesdatenschutzbeauftragte arbeitet. Der Gesetzentwurf unterlaufe demnach das Recht auf informelle Selbstbestimmung und unterlaufe Datenschutz-Standards. Bei der automatischen Aktivierung sind die Bundesdatenschützer indes „nur dann bereit mitzugehen, wenn es tatsächlich keine verpflichtende Nutzung gibt“.
Bei der Online-Funktion fehlt das Vertrauen
Dass bis dato kaum jemand die eID-Funktion nutzt, ist für Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) wenig überraschend. Es mangele an Vertrauen, da „auf die Risiken, die mit der Benutzung einhergehen, nicht handfest und ehrlich hingewiesen wird“. Für den CCC ist ohnehin die entscheidende Frage, warum jemand die eID-Funktion überhaupt nutzen sollte, selbst wenn sie zunächst einmal aktiviert wird. Wer das wollte, könnte bereits Alternativen von privaten Anbietern nutzen.
Und ein weiteres Probleme ist demnach, dass die mobile Welt ausgeklammert wird. „Heute wird das eID-Verfahren den Anforderungen der mobilen Welt kaum gerecht. Identitätsabgleiche verlagern sich mehr und mehr auf Smartphones, wofür auch nach Jahren so gut wie keine Angebote gemacht werden“, so Kurz in der Stellungnahme (PDF) des CCC.
Kritik: Geheimdienste können biometrische Daten automatisch abrufen
Ein weiterer Kritikpunkt: Ab dem Jahr 2021 sollen neben der Polizei auch sämtliche Geheimdienste das Recht erhalten, die biometrischen Ausweisbilder automatisch abzurufen. Für den CCC „ein Schritt in eine umfassende und kaum kontrollierte Überwachung“, denn die Datenabfrage soll nicht von den Meldeämtern, sondern nur innerhalb der Geheimdienste protokolliert werden.
Den entsprechenden Passus sollte der Bundestag nach Ansicht der Netzaktivisten streichen oder zumindest eine dauerhafte Speicherung und Weitergabe der Daten untersagen. Andernfalls drohen Risiken für die Privatsphäre, vor allem mit Blick auf den Ausbau der Video-Überwachung.
So heißt es in der Stellungnahme: „Die einfache elektronische Abfrage großer Mengen Gesichtsbilder erlaubt den Aufbau von Überwachungssystemen, bei denen die Eingabe eines Namens und eines Geburtsdatums in die entsprechende Abfragemaske ausreicht, um das persönliche Passbild abzurufen und direkt in automatischen Gesichtserkennungssysteme einzuspeisen.“ Die „Vollüberwachung in der digitalen Welt“ würde damit auf die „echte“ Welt überlappen.