Guardians of the Galaxy im Test: Telltale bereitet den Superhelden ein Problem

Sasan Abdi
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Guardians of the Galaxy im Test: Telltale bereitet den Superhelden ein Problem

tl;dr: Mit Marvel's Guardians of the Galaxy wagt sich das auf interaktive Spiele spezialisierte Studio Telltale erstmals an die Videospieladaption einer Marvel-Reihe. Doch im Test bleibt das große Abenteuer aus. Stattdessen zeigt sich: Telltale hat ein grundsätzliches Problem.

Einleitung

Telltale folgt bei seiner Entwicklungsstrategie offensichtlich dem Hollywood-Paradigma, wonach zwei Genres immer gehen: Serien und Superhelden. Wurde die Spieleschmiede zunächst mit Videospieladaptionen von Episodenklassikern wie The Walking Dead und Game of Thrones berühmt-berüchtigt, lag der Fokus zuletzt auf Protagonisten wie Batman. Ab sofort wird dieses Portfolio um gleich fünf Superhelden – den Akteuren aus Marvel's Guardians of the Galaxy – erweitert.

Der Zeitpunkt für ein solches Projekt ist clever gewählt. Ende April kommt die Fortsetzung des Guardians-Films in die Kinos, der die Reihe 2014 aus dem Nischendasein im Marvel-Universum befreit hatte. Das Publikum für eine solche Telltale-Serie ist demnach durchaus vorhanden. Wird es auch ordentlich bedient?

Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.

Systemanforderungen

Die PC-Version von „Marvel's Guardians of the Galaxy“ setzt keine High-End-Komponenten voraus. Selbst auf betagten Systemen und vielen aktuelleren Notebooks sollte der Titel problemlos laufen.

Testsystem und Herstellerempfehlung
Komponente Testsystem Herstellerempfehlung
Betriebssystem Windows 8.1 (64 Bit) ab Windows 7 (64 Bit)
Prozessor Core i7-4790 Intel Core 2 Duo 2,4 oder vergleichbar
Arbeitsspeicher 8 GByte 3 GByte
Grafik Radeon R9 290X Nvidia GTS 450 oder vergleichbar
Festplattenspeicher ca. 8 GByte
Internetanbindung Für Steam-Aktivierung

Auf einen Blick

Telltale wählt für die Adaption von Marvel's Guardians of the Galaxy sein typisches Vorgehen. Wie schon bei The Walking Dead und Game of Thrones versucht die Interpretation der Spieleentwickler, ein loser Spin-off des Original-Universums zu sein. Dazu werden Details aus den Comics und den Filmen mit eigenen Ideen vermischt, sodass sich echte Fans der Reihe immer wieder über nette inhaltliche Gimmicks freuen dürfen.

Charaktere und Story anhand des Vorbilds

Dieser Teil der potenziellen Zielgruppe dürfte sich allerdings daran stören, dass die Videospiel-Charaktere in manchen Punkten von ihren Vorbildern abweichen. Zwar kommen die fünf Superhelden Star-Lord, Gamora, Rocket, Drax und Groot mit ihren typischen Eigenschaften vor – Original-Gesichter und -Outfits aus dem Film bieten die Telltale-Helden, wohl aus Lizenzgründen, allerdings nicht auf.

Die fünf Helden in einer Space-Bar
Die fünf Helden in einer Space-Bar

Auch in puncto Story orientiert sich Telltale am Vorbild, ohne daran zu kleben. Eben noch haben sich die fünf Weltraumhelden eines der größten Tyrannen im Universum entledigt, da kommt schon das nächste Problem auf sie zu: Ein seltsames Artefakt ruft neue Kräfte auf den Plan – und eröffnet zugleich fantastische Möglichkeiten, um den Lauf der Geschichte nachträglich zu korrigieren. Was hat es mit dem Gegenstand auf sich? Wer interessiert sich aus welchem Grund für das Artefakt? Und was hat das alles mit der Gruppe zu tun?

Bei diesen Fragen handelt es sich um den allgemeinen Kitt, der das Spiel in den künftigen Episoden zusammenhalten soll. Auf einer tieferen Ebene, das zeichnet sich nach dieser ersten Folge ab, wird es auch viel um die fünf Helden an sich gehen. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Peter „Star-Lord“ Quill, der eine sehr unterschiedliche Gruppe mit einem eigenwilligen Charme zusammenhält: Da ist der impulsive Tüftler Rocket, die umsichtig-ernste Gamora, der wilde Kämpfer Drax und das baumartige Wesen Groot – klar, dass der Spieler auch bei diesem Telltale-Titel immer wieder in Dialogen Entscheidungen treffen muss, die die Beziehung zu den Charakteren und zugleich den Spielverlauf beeinflussen.

Drei Gameplay-Ebenen

Bumm, da war der Bösewicht Geschichte
Bumm, da war der Bösewicht Geschichte

Damit wäre der erste, wichtigste Teil des Gameplays angesprochen. Auch in dieser Telltale-Adaption verbringen wir viel Zeit damit, in Dialogen mehr über unsere Gruppe und die Zusammenhänge der Story zu erfahren. Ein Bruchteil dieser Gespräche beeinflusst, wie sich die Erzählung entwickelt: Gestehen wir der Gruppe zu, an der Vernichtung des großen Tyrannen mitgewirkt zu haben? Oder bestehen wir darauf, dass der Ruhm uns gebührt? Zusätzlich zu solchen Details müssen auch größere Entscheidungen getroffen werden, die die wirklich wichtigen Weggabelungen darstellen.

Dieser Teil der Spielmechanik funktioniert dank durchdachter Dialoge grundsätzlich gut. Garniert mit einem Humor, der zumindest ab und an einen Treffer landet, folgt man den Gesprächen der fünf Helden gerne. Die wenigen wichtigen Entscheidungen fallen in der ersten Episode aber viel zu lasch aus. Welchen Charakter nehmen wir auf eine Verfolgungsmission mit? Und trauen wir eher einem mutmaßlichen Kriminellen oder der Weltraumpolizei? Wir haben in diesen Situationen trotz Zeitdrucks intuitiv und entspannt gewählt. Dabei ist es doch eigentlich gerade die Stärke von Telltale-Titeln, dass der Spieler in solchen Momenten durch wirklich harte Optionen ins Schwitzen gerät.

Der zweite Gameplay-Teil besteht aus den typischen Telltale-Action-Elementen. In diesen immer wieder eingestreuten Abschnitten weichen wir mit einem Tastendruck zur rechten Zeit Attacken aus und führen selbst Angriffe aus. Gefühlt ist diese ohnehin angestaubte Mechanik in Marvel's Guardians of the Galaxy zudem noch einmal großzügiger gestaltet worden, sodass selbst schlechtes Timing kaum bestraft wird. Ursächlich dafür dürfte sein, dass die Entwickler auf keinen Fall den Spielfluss stören möchten. Das ist verständlich, schließlich verstehen sich Telltale-Titel als interaktive Filme. Ein wenig fordernder sollten Kampfabschnitte aber schon ausfallen.

Langweilige Action in Guardians
Langweilige Action in Guardians

Gleiches gilt leider auch für den dritten Teil: die Rätselei. In dieser Hinsicht können wir Telltale immerhin zugutehalten, dass kleine neue Funktionen Einzug halten. So lassen sich Abschnitte dank Düsenstiefeln nun auch vertikal durchsuchen. Auch können Abläufe aus der Vergangenheit nachgestellt werden, um etwa versteckte Gegenstände zu finden. Letztlich aber laufen die Puzzles immer darauf hinaus, dass wir eines der auch dieses Mal wieder sehr engen Areale auf Gegenstände absuchen, mit denen interagiert werden kann. Da diese zudem immer sehr leicht zu finden sind, kommt auch aus dieser Perspektive nicht so recht Stimmung auf. Das ist eigentlich unverständlich, weil zumindest Batman in dieser Hinsicht bereits etwas mehr Innovation geboten hat.

Angestaubte Technik

Technisch präsentiert sich die Adaption von Marvel's Guardians of the Galaxy auf einem für Telltale-Verhältnisse leicht verbesserten Niveau. Optisch bewegt sich der Titel aber dennoch im unteren Drittel dessen, was gegenwärtig aktuell ist.

Dieser Aspekt ist allerdings kein echter Grund zur Klage, da Telltale-Titel schon immer vom Inhalt und nur wenig von der Grafik lebten. Ärgerlich ist aber, dass die technische Umsetzung auch sonst nicht so recht überzeugt. So ist es wegen einer hakeligen Steuerung immer wieder ein Graus, wenn man den Star-Lord mit WASD durch die Umgebungen bewegen muss. Auch fällt es in den wenigen freien Abschnitten wegen einer starren Kameraführung schwer, den Überblick zu behalten.

Kleiner Lichtblick: Düsenstiefel
Kleiner Lichtblick: Düsenstiefel

Immerhin: Die Sprachausgabe ist dank sehr guter englischer Sprecher mal wieder hervorragend geglückt. Gleiches gilt für den Soundtrack, der mit einer Mischung aus Scifi und 1970er-Jahren gefällt. Auf eine deutsche Synchronisation muss allerdings verzichtet werden.

Kopier- & Jugendschutz

„Marvel's Guardians of the Galaxy: The Telltale Series“ funktioniert über Steam, sodass der Key über die Valve-Plattform aktiviert werden muss. Dazu ist einmalig eine Internetverbindung nötig; ein Wiederverkauf ist durch die Bindung an das Konto nicht möglich. Alternativ steht auch eine GOG.com-Version bereit.

Jugendschutz: Die USK hat den Titel ab 12 Jahren freigegeben.

Fazit

So richtig überzeugend ist Telltale der Einstieg in Marvel's Guardians of the Galaxy nicht geglückt. Die Story ist so lala, die Entscheidungen fallen viel zu lasch aus und der Humor und die Dialoge reißen es nur bedingt raus. Weitaus gravierender ist aber, dass diese Problemzonen den Blick für eine grundsätzlichere Schwierigkeit öffnen: Das Prinzip Telltale müsste mal dringend überarbeitet werden!

Diese Forderung gilt konkret für die erweiterte Technik. Zum einen ist die Steuerung zumindest mit Maus und Tastatur unverschämt unintuitiv und unübersichtlich. Vor allem aber fehlt es an innovativem Gameplay. Zwar weisen Gimmicks wie die Düsenstiefel in die richtige Richtung, doch braucht es mehr – klügere Rätsel, forderndere Action –, um die dieses Mal nicht so richtig packenden Inhalte zu kompensieren.

Telltale braucht einen neuen Ansatz
Telltale braucht einen neuen Ansatz

Lahme Kämpfe und Rätsel: Natürlich handelt es sich hierbei um eine Kritik, die latent schon immer gegen Telltale-Titel vorgebracht wird. In Fällen wie The Walking Dead oder Game of Thrones wurden diese Defizite aber von einer spannenden Story und glaubwürdigen Charakteren überdeckt.

Da Telltale für die kommenden Episoden von Marvel's Guardians of the Galaxy wahrscheinlich nicht an den Grundlagen rütteln wird, bleibt nur zu hoffen, dass sich wenigstens bei den Inhalten mehr tut. Gegen Ende der durchwachsenen ersten Episode erhält der Spieler immerhin eine Idee, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln könnte. Hoffentlich wird dieses Potenzial in den kommenden Folgen ausgeschöpft. Für den Moment ist das Angebot allenfalls für echte Fans der Marvel-Reihe ein Muss.

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