Rimowa Electronic Tag im Test: Das vollständig papierlose Reisen ist zum Greifen nahe
tl;dr: Der Kofferhersteller Rimowa hat mit dem Electronic Tag das Bag2Go-Konzept zur Serienreife gebracht. Statt ein Bag Tag aus Papier zu verwenden, übertragen Reisende per App ihr Bag Tag auf das E-Ink-Display des Koffers. ComputerBase hat das Rimowa Electronic Tag erfolgreich auf einer Lufthansa-Reise in die USA getestet.
Rimowa im Test: Das Reisen ist schon lange digital
Das elektronische Flugticket wurde bereits in den 1990er-Jahren entwickelt, für Airlines vorgeschrieben ist es seit bald zehn Jahren. Das ermöglicht Reisenden, Tickets nach dem selbst durchgeführten Check-in auszudrucken und die Wartezeit am Flughafen zu reduzieren. Mit den später für Plattformen wie Android und iOS eingeführten Apps der Airlines und Sammelstellen für digitale Tickets wie der Apple Wallet (früher Passbook) ist seit mehreren Jahren auch das Ausdrucken obsolet. Das E-Ticket muss am Flughafen nur noch gescannt werden und schon ist der Einstieg ins Flugzeug möglich.
Das Bag Tag als analoges Relikt
Was für den Reisenden selbst seit Jahren möglich ist und Papier spart, ist für sein Gepäck bisher aber noch nicht möglich gewesen. Das sogenannte Bag Tag für den Koffer, also die Papierschlaufe mit Fluggast- und Reiseinformationen, ist für Reisende neben dem Reisepass eines der letzten Überbleibsel der analogen Luftfahrt.
Das Bag Tag wird am Flughafen entweder vom Airline-Personal ausgedruckt und am Koffer angebracht, oder der Reisende übernimmt diesen Vorgang an automatisierten Gepäckabgabestationen selbst. Was auf dem Bag Tag in welchem Format aufgedruckt wird, ist von der International Air Transport Association (IATA) klar vorgegeben.
Aufdruck des Bag Tags erklärt
Ein Bag Tag muss für Maschinen und Menschen lesbar sein. Zwei Barcodes, einer vertikal, der andere horizontal aufgedruckt, sind für die Lesesysteme der Gepäckleitsysteme der Flughäfen vorgesehen. Dieser maschinenlesbare Teil des Bag Tags enthält alle relevanten Informationen, um das Gepäckstück sicher von A nach B und weiter zu bringen. Welche Informationen genau sich hinter dem Barcode verbergen, macht der für Menschen lesbare Teil sichtbar. Auf dem Bag Tag stehen eine einmal vergebene Tag-Nummer, die Boarding-Nummer, Geschlecht, Vorname und Nachname des Fluggastes, Anzahl der Gepäckstücke, der dreistellige IATA-Code des Zielflughafens, der zweistellige IATA-Code der Airline sowie die Flugnummer, das Druckdatum des Bag Tags, die Nummer des Abgabeschalters und zum Schluss eine Wiederholung der wichtigsten Bag-Tag-Informationen in Kurzform. Optional gibt es auch noch Felder für Zwischenstopps oder die Check-in-Nummer des Reisenden.
Als Nachweis für den Reisenden, dass dieser sein Gepäckstück auch tatsächlich abgegeben hat, dient ein kleiner Gepäckbeleg mit den wichtigsten Eckdaten.
Lufthansa HomeTag
Im Frühjahr 2014 begann die Lufthansa schließlich damit, den Ausdruck des Bag Tags und die Registrierung des Gepäckstücks vom Flughafen nach Hause zum Reisenden zu verlegen. Das sogenannte HomeTag kann der Reisende nach dem Online-Check-in selbst ausdrucken und in einem speziellen HomeTag-Halter der Lufthansa am Gepäck anbringen. Das Papier wird der Reisende damit aber noch nicht los.
Qantas Q Bag Tag
Die australische Airline Qantas bietet mit dem Q Bag Tag ein papierloses Bag Tag an, das ausschließlich auf inländischen Flügen innerhalb von Australien mit Qantas verwendet werden kann. In dem Q Bag Tag ist ein RFID-Chip verbaut, der das Gepäckstück mit dem E-Ticket des Passagiers verknüpft. Das Gepäckstück kann damit ausgestattet nach erfolgreicher Registrierung einfach an einem Gepäckschalter abgegeben werden. Ein einzelnes Q Bag Tag kostet etwa 21,50 Euro, beim Kauf von gleich zwei Stück sinkt der Preis auf je 18 Euro.
Rimowa Electronic Tag
Mit dem Electronic Tag bietet der deutsche Kofferhersteller Rimowa nun ein System an, das kein Papier mehr benötigt, sich komfortabel bedienen lässt und in der Theorie weltweit eingesetzt werden kann. Das Electronic Tag ist vereinfacht ausgedrückt ein E-Ink-Display am Koffer, das das analoge Bag Tag aus Papier ersetzt. Es zeigt die gleichen Informationen wie ein Bag Tag an und hält sich an die Richtlinien der IATA.
Bag2Go konnte noch mehr
Erste Bestrebungen für die Abschaffung des analogen Bag Tags gab es seitens Rimowa schon vor vier Jahren. Unter dem Projektnamen Bag2Go hatten Airbus, Rimowa und T-Systems das Konzept für einen intelligenten Koffer entwickelt. Ein Bestandteil dieses Konzepts war das Electronic Tag. Bag2Go war ursprünglich aber für noch mehr Funktionen ausgelegt: Die Koffer sollten anfänglich einmal mit Mobilfunk, GPS-Modul für genaue Statuschecks und integrierter Waage ausgerüstet werden. Geplant war außerdem ein Datenaustausch mit Paketdienstleistern wie DHL oder UPS, um den Koffer ohne eigenes Tragen vom Start- bis zum Zielort transportieren zu lassen.
Insbesondere das Tracking des Koffers per Mobilfunk und GPS hat sich aber schließlich als viel zu großer Aufwand für eine Weiterentwicklung zur Serienreife herausgestellt, wie Rimowa auf seiner Webseite in der FAQ zum Electronic Tag offen eingesteht:
Warum kann ich meinen Koffer nicht tracken?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Vor allem die Sicherheit und die Kosten sprechen dagegen. Nach heutigen Anforderungen müssen zum Beispiel alle aktiv funkenden Geräte nach Schließen der Cargo-Tür verlässlich und automatisch ausgeschaltet werden, um die Avionik-Systeme nicht zu stören. Nach unseren Untersuchungen gab es dafür keine Lösung, die sowohl zu 100 % sicher als auch finanzierbar wäre. Außerdem dürfen im Cargo-Bereich keine wiederaufladbaren Batterien verwendet werden. Und die Akkuleistung bei Alkaline-Batterien beträgt in diesem Fall nur 48 bis maximal 52 Stunden. Konsequenz: ein viel zu großer Aufwand.
Wieso lässt sich ein Tracking-System nicht im Koffer einbauen?
Das war bisher technisch nicht möglich. Unsere Untersuchungen mit dem Flugzeughersteller Airbus und dem Telekommunikationsanbieter T-Systems haben ergeben, dass alle im Koffer eingebauten Tracking-Lösungen entweder aus Sicherheitsgründen problematisch, zu ungenau oder leider insgesamt zu teuer sind.
Wie genau wäre ein Tracking des Koffers?
Ein Tracking würde – wie beim Telefon – über eine SIM-Karte funktionieren. Die einzige praktikable Technik, die ohne zu hohe Roaming-Gebühren auskommt, erlaubt allerdings nur eine ungenaue Ortung. Das heißt: Man könnte nur feststellen, ob der Koffer in Frankfurt oder Los Angeles ist. Und das noch nicht mal mit einer 100%igen Sicherheit.
Rimowa-FAQ zum Thema Electronic Tag
Doch auch ohne das aufwendige Tracking über in den Koffer verbauter Technik können sich Nutzer der Lufthansa-App derzeit Statusmeldungen einzelner Stationen des Koffers einholen. Die App zeigt zum Beispiel an, wo der Koffer das letzte Mal vom Gepäckleitsystem des Flughafens gescannt wurde. Auch die Nummer des Gepäckbandes sollen Reisende in Zukunft direkt in der App einsehen können.
Das kann das Electronic Tag
Von Bag2Go übrig geblieben ist im Endeffekt nur das E-Ink-Display für die Darstellung des digitalen Bag Tags. Das Display zeigt sich im Test mit 750 × 200 Bildpunkten fein genug aufgelöst, damit sich Pixelabstufungen erst bei genauer Betrachtung erkennen lassen.
Die beiden Barcodes werden aufgrund ihres geradlinigen Aufbaus perfekt dargestellt. Über dem E-Ink-Display verbaut Rimowa eine Schicht Gorilla Glass von Corning, das „extrem stoßsicher und widerstandsfähig“ sein soll. Nach einer Reise von Leipzig über Frankfurt und San Francisco nach San Diego sowie dem Rückweg hat der Koffer im Test einige Kratzer abbekommen, das Display respektive Glas aber blieb kratzerfrei.
Rimowa-Koffer mit Electronic Tag
Rimowa bietet das Electronic Tag erstmals seit Frühjahr des letzten Jahres in der Serienproduktion an. Mittlerweile sind viele Modelle aus mehreren Serien des Herstellers nur noch mit Electronic Tag erhältlich, ob benötigt oder nicht. Natürlich können auch an diesen Koffern nach wie vor klassische Bag Tags angebracht werden.
Rimowa unterscheidet zwischen Koffern aus Aluminium und solchen aus Polycarbonat. Bei den Aluminium-Serien Topas, Topas Stealth und Topas Titanium ist das Electronic Tag ab einer Koffergröße von 63,5 Litern serienmäßig verbaut. Bei den Polycarbonat-Koffern wird das Electronic Tag für die Serien Salsa, Salsa Deluxe, Limbo und Bossa Nova ab Größen von im Schnitt 60 Litern und größer angeboten.
Kofferserien mit Electronic Tag von Rimowa (Stand 04/2017)
- Topas, ab 63,5 L, ab 799 Euro
- Topas Stealth, ab 63,5 L, ab 989 Euro
- Topas Titanium, ab 63,5 L, ab 989 Euro
- Salsa, ab 62,5 L, ab 529 Euro
- Salsa Deluxe, ab 62,5 L, ab 599 Euro
- Limbo, ab 59,5 L, ab 699 Euro
- Bossa Nova, ab 61,5 L, ab 1.059 Euro
Topas Stealth im Detail
Der von Rimowa für einige Wochen ausgeliehene Testkoffer stammt aus der Serie Topas Stealth in der Ausstattungsvariante mit Multiwheel und Electronic Tag. Er wird bei Rimowa unter der Artikelnummer 924.73.01.5 geführt und hat eine unverbindliche Preisempfehlung von 1.039 Euro. Der Koffer hat eine Herstellergarantie von fünf Jahren. Die Abmessungen liegen bei 79 × 51 × 27,5 Zentimeter (H×B×T), das Gewicht bei 7,6 kg. Da das Koffergewicht in der Economy-Klasse vieler Airlines 23 kg nicht übersteigen darf, liegt die Nutzlast bei 15,4 kg. Das Fassungsvolumen beträgt 82,0 Liter.
Ausgezeichnetes Rollverhalten
Unter dem Begriff Multiwheel versteht Rimowa sein Rollensystem aus vier Doppelrollen, die nach innen gerichtet in jeder Ecke des Koffers montiert und vollständig drehbar sind. Das Rollverhalten des Koffers ist ausgezeichnet, er lässt sich ohne viel Kraftaufwand nebenher schieben oder um die Y-Achse drehen. Der Testkoffer war zwar bereits im Vorfeld des Tests von anderen Personen gebraucht worden, dennoch ist das gute Rollverhalten sicherlich auch dem noch relativ neuwertigen Zustand des Koffers zuzurechnen. Mehr als eine Reise wurde mit dem Koffer nicht für den Test durchgeführt, Langzeiterfahrung zum Abnutzungsgrad der Rollen liegt deshalb nicht vor.
Zur weiteren Ausstattung des Koffers zählen zwei TSA-Zahlenschlösser, die von der US-amerikanischen Transportation Security Administration auch im abgeschlossenen Zustand per Generalschlüssel entsperrt werden können, ein Kofferanhänger, zwei Schuhbeutel, ein Wäschebeutel, ein Add-a-Bag-Holder, das Flex-Divider-System für die Unterteilung des Koffers in mehrere Bereiche sowie ein Kleidersack.
Die Außenschale des Koffers ist aus schwarz eloxiertem Aluminium gefertigt und mit der für Rimowa typischen Riffeloptik versehen, die für mehr Stabilität sorgt. Einzelne Bauteile wie die Verstärkungen der Ecken und der Verschalungen rund um die Griffe oder auch die Schlösser sind aus Kunststoff gefertigt. Die Verarbeitung erfolgt sehr genau, und der Gesamteindruck des Koffers ist qualitativ sehr hochwertig und stabil.
Erste Kratzer schon beim Verladen ins Flugzeug
Einen großen Nachteil haben die Koffer von Rimowa aber: Sie sehen fast zu gut aus, um sie auf Reisen zu schicken. Denn vor allem die eloxierten Modelle sehen nur bis zur ersten Reise wirklich gut aus. Der Testkoffer hat bereits einige Macken und Kratzer in seiner Aluhülle, die silberne Variante ist davon nicht so stark betroffen. Im Gegensatz zu den Koffern aus Polycarbonat kann sich Aluminium potenziell auch irreparabel verbiegen. Ein Ausbeulen ist zwar prinzipiell möglich, aber nicht zum Originalzustand.
Bei Rissen oder Beulen sollen Reisende laut Rimowa umgehend den Schaden bei der Reisegesellschaft oder dem Transporteur (Airline/Bahn) melden. Diese Art von Beschädigungen wird nicht über die Garantie abgegolten. Ohnehin sollte die eigentlich gut klingende fünfjährige Garantie von Rimowa mit Sorgfalt gelesen werden.
Denn wie es in den Garantiebedingungen von Rimowa (PDF) heißt, gilt die Garantie, wenn die Brauchbarkeit des Produkts aufgrund eines bei Übergabe bereits vorhandenen Material- oder Fertigungsfehlers erheblich beeinträchtigt wird (Mangel). „Diese Garantie gilt dagegen nicht, wenn die Brauchbarkeit durch Abnutzung, unsachgemäßen Gebrauch, Bedienungsfehler, von außen einwirkende Kräfte (insbesondere durch Flug- und Transportschaden wie z. B. Deformierung, Risse, Schalenbrüche, Kratzer, Abrieb etc.) oder durch Flüssigkeiten eingeschränkt wird.“
Speziell für Rimowa-Koffer mit Electronic Tag gelten zudem weitere wichtige Punkte: „Der Ausfall oder die Störung von Servern zur Speicherung und Übertragung von Daten oder Fehler im Zusammenhang mit der Verwendung von Apps (Fluglinie oder RIMOWA) gelten bei der Nutzung des RIMOWA Electronic Tag nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Brauchbarkeit und unterfallen nicht dieser Garantie.“