Studie: Deutsche Fehler beim Glasfaserausbau
Während andere Länder beim Glasfaserausbau seit langem systematisch vorgehen, hinkt Deutschland hinterher. So lautet das Fazit einer Studie, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) für die Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Und Gründe für das Scheitern sowie alternative Wege beschreibt.
Wie rückständig Deutschland beim Ausbau der direkten Glasfaseranschlüsse (FTTB/H) ist, zeigt der internationale Vergleich. Unter den OECD-Staaten reicht es lediglich für Platz 28 von 32, andere Länder sind deutlich weiter. Laut der Studie können in Estland 73 Prozent der Haushalte einen direkten Glasfaseranschluss buchen, in Schweden sind es 56 Prozent, in Spanien 53 Prozent und in der Schweiz immerhin 27 Prozent. Deutschland kommt hingegen nur auf 6,6 Prozent, wobei es in ländlichen Regionen sogar nur 1,4 Prozent sind.
Status Quo: Es fehlt der Mut und eine vernünftige Strategie
Verantwortlich für die Lage ist dem ISI-Institut zufolge eine fehlgeleitete Politik. Die Gründe sind demnach: Zu niedrig gesteckte Ziele, keine einheitliche Strategie sowie unkoordinierte Förderprogramme. Was ebenso fehle, sei der Mut, konsequent auf Glasfaseranschlüsse zu setzen. An denen führe aber kein Weg vorbei. Nur so lassen sich „langfristig alle Anforderungen an Bandbreite, Stabilität und Qualität der Verbindungen erfüllen“.
Zwar habe es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben, die betreffen aber in erster Linie den mittleren Bandbreitenbereich. Erklären lässt sich das mit der Breitbandstrategie der Bundesregierung: Während etwa die EU-Kommission mit einem 100-Mbit/s-Ziel bis 2020 kokettiert, beschränken sich die Vorgaben der Bundesregierung auf Anschlüsse mit 50 Mbit/s, die bis 2018 flächendeckend verfügbar sein sollen.
Die Folgen im Alltag: Netzbetreiber müssen „nicht vorrangig in Glasfasernetze investieren“. Stattdessen reichen Technologien wie Vectoring aus, um die geforderten Download-Raten zu erreichen. Ob es sich beim Vectoring nun um eine Brücken- oder Sackgassen-Technologie handelt, will die Studie zwar nicht grundsätzlich bewerten. „Im Ergebnis führt die Genehmigung der Vectoring-Strategie aber zu einem deutschen Sonderweg und verhindert einen konsequenten Glasfaser-Ausbau“, so Kirsten Witte von der Bertelsmann Stiftung.
Alternativen: Open Access und bessere Koordination
Für Alternativen zum Status Quo empfiehlt das ISI-Institut daher einen Blick ins Ausland. Estland und Schweden setzen auf kommunale Versorger, in der Schweiz wurden runde Tische eingerichtet, damit alle Beteiligten den Glasfaserausbau unter staatlicher Aufsicht gemeinsam koordinieren. Was sich ebenfalls bewährt habe, wäre ein Open-Access-Ansatz: Der Staat baut die Netze aus, private Anbieter können diese dann mieten. „Weil so kein Druck aufkommt, kurzfristigen Profit zu erwirtschaften“, entstehe ein Wettbewerb auf der Dienste-Ebene. Auf der Infrastrukturebene könne der Staat hingegen langfristig planen.
All das sind Maßnahmen, an denen sich die Bundesregierung nach Ansicht der Forscher orientieren sollte. Nötig wären sowohl ambitioniertere Ziele als auch eine bessere Koordination zwischen Staat und Netzbetreibern. Verhindert werden müsse zudem eine Doppelverlegung und insbesondere bei den Förderprogrammen sollten sich Kommunen und Ländern besser absprechen. Außerdem könnten städtische Versorgungsbetriebe den Ausbau der Netze selbst vorantreiben. Denn das Ziel müsse letztlich sein, dass sämtliche Regionen – also auch die ländlichen – einen schnellen Internetzugang erhalten.
Was taugt die Theorie für die Praxis?
Die Frage ist nun, inwieweit sich die Vorschläge in der Praxis umsetzen lassen. Für ein koordiniertes Vorgehen der Netzbetreiber unter Aufsicht der Bundesregierung existiert bereits die Netzallianz, die Ergebnisse waren laut den Erkenntnissen der ISI-Studie aber noch nicht allzu berauschend. Auch ambitionierte Ziele wurden bereits formuliert, beim letzten Treffen der Netzallianz verständigten sich die Beteiligten zum Beispiel auf den Ausbau von Gigabit-Netzen bis zum Jahr 2025.
Teile der Vorschläge sind also schon politischer Alltag, nur an der Umsetzung hapert es offenkundig noch. Offen bleibt daher, wie es weitergeht. Wirklich wegweisende Entscheidungen sind vermutlich erst nach der Bundestagswahl im Herbst zu erwarten.