Im Test vor 15 Jahren: Mausgraue Netzteile am Widerstand im Eisbad
tl;dr: Vor 15 Jahren waren viele Netzteile noch mausgrau, hatten wenig Schutzschaltungen, kleine Lüfter ohne semi-passiven Betrieb und keine Möglichkeit der digitalen Überwachung und Steuerung. Was es aber auch damals schon gab, waren Netzteile, die Versprechen nicht einhielten. Und ComputerBase war auf der Suche danach.
Netzteile im Wandel der Zeit
Das Netzteil ist als Komponente in den letzten 15 Jahren massiv aufgewertet worden. Aktuelle Modelle verfügen über zahlreiche Schutz- und Energiesparmechanismen, deutlich höhere Effizienzwerte in verschiedenen Belastungsszenarien und ausgeklügelte Kühlsysteme. Im ersten Test von Netzteilen auf ComputerBase überhaupt sah das vor 15 Jahren noch anders aus. Heute noch bekannte Marken waren allerdings schon dabei.
Mittelklasse ab 49 Euro mit 300 Watt
Die von ComputerBase acht getesteten Modelle zu Preisen von 49 bis 110 Euro lagen mit einer Leistung von 300 bis 380 Watt in der Mittelklasse, unnötig starke Netzteile wollte die Redaktion schon damals nur in technisch interessanten Ausnahmefällen unter die Lupe nehmen. Alle getesteten Modelle waren bereits mit einem vierpoligen Anschluss für die Stromversorgung der CPU ausgestattet, die für Intels Pentium 4 gemäß der ATX-Spezifikation notwendig war. Mausgrau waren sieben, nur eines war mit Metallic-Lack lackiert.
Modell | Preis | Leistung |
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Antec SmartPower PP 352 XF | 69 Euro | 350 Watt |
Antec TruePower 380 P | 110 Euro | 380 Watt |
Coba PS-350 S | 56 Euro | 350 Watt |
Enermax EG365 AX-VE | 80 Euro | 353 Watt |
Sirtec HPC 340-201 | 49 Euro | 340 Watt |
SILENTstar 340W US12 | 75 Euro | 340 Watt |
Topower Top-320 P4 | 56 Euro | 320 Watt |
Zalman ZM 300 A-APF | 88 Euro | 300 Watt |
Vier Netzteile hatten noch zwei Lüfter
Im Vergleich zu heutigen Netzteilen war das Testfeld noch recht karg ausgestattet. Das Antec SmartPower PP 352 XF verfügte beispielsweise nicht einmal über einen Netzschalter um das Gerät abzuschalten. Die verbauten Kühllösungen setzten in der Regel auf einen 80-mm-Lüfter, der nicht immer einen leisen Betrieb gewährleisten konnte. Die niedrige Effizienz spielte hier eine nicht zu verachtende Rolle. Die Hälfte der getesteten Netzteile verfügten sogar über einen zweiten Lüfter, der die erwärmte angesaugte Luft aus dem Computer beförderte. Das Topower Top-320 P4 bot mit einem eigenen Netzausgang, an den beispielsweise ein Monitor angeschlossen werden konnte, ein interessantes Alleinstellungsmerkmal.
Aufwendige Testmethodik Marke Eigenbau
Bereits im Jahr 2002 versuchte ComputerBase mit einer aufwendigen Testmethodik, die Netzteile an ihre Belastungsgrenzen zu bringen und dabei möglichst genaue Messdaten zu sammeln – die Beurteilung anhand der in Windows ausgegebenen Spannungen kam nicht in Betracht.
Hochleistungswiderstände im Eisbad
Stattdessen wurden sieben Hochlastwiderstände zwischen 0,22 und 0,68 Ohm verwendet. Diese wurden an zwei Aluminium-Kühlkörpern befestigt und alles zusammen in einem Eisbad versenkt, um eine adäquate Kühlung zu gewährleisten. Durch die hohen Temperaturen, die bei der Belastung der Netzteile an den Widerständen entstanden, begann das die Kühlkörper umgebende Wasser zu kochen. Über Schalter und ein Potentiometer mit 10 Ohm konnte die Belastung variiert werden. Die Signalqualität der Testkandidaten wurde mit einem Oszilloskop gemessen.
Für die Messungen der Geräuschkulisse wurden alle Netzteile für zehn Minuten in einen Ofen mit 42,3 °C gesteckt und dort betrieben. Anschließend wurde mit einem Mikrofon samt Vorverstärker die Lautstärke gemessen.
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bis unter 300 Watt
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300 bis unter 450 Watt
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450 bis unter 550 Watt
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550 bis unter 750 Watt
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750 bis unter 1.000 Watt
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1.000 Watt und mehr
Die Mogelei mit den Leistungswerten
Die Messung der Leistungswerte basierte auf der gültigen ATX-Spezifikation. Diese erlaubt damals eine fünfprozentige Abweichung der Spannungen von 3,3, 5,0 respektive 12,0 Volt. ComputerBase ermittelte also den Strom, der nötig war, damit die Spannung unter die erlaubten Minimalwerte (3,14, 4,75 und 11,4 Volt) fällt. Das sollte innerhalb der vom Hersteller angegebenen Nennleistung eigentlich nicht passieren. Tat es aber reihenweise.
Für die Messungen der Leistung auf der 3,3-Volt-Schiene wurde zunächst die 5-Volt-Schiene mit 10,2 Ampere belastet, da die Leistung einiger Netzteile ohne Belastung auf der 5-Volt-Schiene aufgrund der gemeinsamen Leitung zusammenbrach. Anschließend wurde der Strom gemessen, der nötig ist, damit die Spannung auf der 3,3-Volt-Schiene aus dem Toleranzbereich fällt. Nur das Netzteil von Zalman erreichte hier mehr Leistung, als es der Hersteller angegeben hatte.
Bei der 5-Volt-Schiene, bis einschließlich Pentium III und Athlon XP noch die wesentliche Spannung im PC, zeigten sich zwischen den Netzteilen noch deutlichere Unterschiede. Und nur das Antec TruePower 380 P lieferte mit 100 Prozent mehr Leistung als das schwächste Netzteil im Vergleich mehr ab, als der Hersteller versprach. Der Grund für die hohe Leistung: Beim TruePower 380 P waren die Stromleitungen der 3,3- und der 5-Volt-Schiene unabhängig voneinander. Bei der 12-Volt-Schiene schafften es immerhin fünf der acht Netzteile, die Herstellerangaben zu übertreffen. Heute halten wenigstens Markennetzteile in aller Regel die versprochenen Werte auch ein.
Dass sich Netzteile auch abseits ihres primären Einsatzzweckes qualitativ unterscheiden konnten, zeigten die Messungen der Geräuschpegel. Das lauteste Netzteil im Test, das Enermax EG365 AX-VE, erreichte relativ gesehen zum leisesten einen Unterschied von 18 dB(A) bei Raumtemperatur. Wurde das Enermax-Netzteil auf 42,3 °C aufgeheizt, erhöhte sich der Geräuschpegel um weitere 6 dB(A). An flüsterleise Netzteile war damals noch nicht zu denken. Auch weil die Abwärme durch die zu geringe Effizienz im Netzteil noch viel zu hoch war. Ermitteln konnte ComputerBase diese Kenngröße damals allerdings noch nicht.
Alles in allem fiel das Fazit am Endes des Vergleichs damit ernüchternd aus. Natürlich entsprachen die Testmethoden nicht dem Alltagsnutzen der meisten Käufer, doch nur so konnten die vom Hersteller angegebenen Leistungswerte auch tatsächlich überprüft werden. Wie viel Netzteile im Test am Ende nicht in der Lage waren, die aufgedruckten Eckdaten auch zu liefern, war erschreckend.
So testet ComputerBase heute
In den letzten 15 Jahren haben sich nicht nur der Markt, sondern auch die ComputerBase-Testmethodik und das -Equipment weiterentwickelt. Das Ziel ist dasselbe: Verlässliche und für den Leser relevante Messergebnisse zu produzieren.
Für die Belastung der Netzteile wird eine Chroma 8000 ATS verwendet, die über einen Computer angesteuert wird und vorher eingestellte Testverfahren für jedes Netzteil abarbeitet. Die verwendete Teststation kann eine Leistung von maximal 3.000 Watt abrufen und damit sämtliche am Markt erhältlichen Computer-Netzteile voll belasten.
Zahlreiche Module ergänzen die Chroma 8000 ATS, so wird beispielsweise kein externes Oszilloskop benötigt, da der Chroma Timing/Noise Analyzer 5011 diese Aufgabe übernimmt. Die Chroma Programmable AC Source 61605 wird als Spannungsquelle genutzt, um die Schwankungen des öffentlichen Stromnetzes auszugleichen; zudem kann so das nordamerikanische 115-Volt-Netz simuliert werden.
Die Teststation ist kein Eigentum von ComputerBase. Die etwa 110.000 Euro teure Chroma 8000 steht bei Listan (be quiet!) in Hamburg. Dazu gibt es Folgendes anzumerken:
- ComputerBase reist mit eigenen Testexemplaren an und führt alle Tests vor Ort selber durch.
- Dank der Unterstützung des deutschen Partners von Chroma, der Firma PCE Power Control, und einer Lizenz des „Chroma 8000 Software Editor Kits“ kann die Redaktion Testszenarien in Eigenregie vorbereiten, anpassen und bearbeiten. Die fertigen Programme können dann vor Ort bequem per USB-Stick auf den Steuerungscomputer der Chroma importiert werden.
- Der Testablauf selbst erfolgt vollautomatisch. Die Testprotokolle werden vom Redakteur vor Ort in die Redaktion gesendet. Ein Eingreifen durch Dritte kann ausgeschlossen werden.
- ComputerBase testet bei jedem Termin grundsätzlich mehrere Netzteile. Eine systematische Fehlfunktion der Testausrüstung würde somit alle an diesem Termin getesteten Netzteile in gleicher Weise betreffen.
Die Lautstärkemessungen werden in einem Akustiklabor des Lehrstuhls für Prozessmaschinen und Anlagentechnik an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg vorgenommen, in dem über zwölf Freifeldmikrofone der Schalldruckpegel gemessen und anschließend gemittelt wird.
Auswertung der letzten Umfrage
Letzte Woche hatte ComputerBase nach der im Jahr 2002 verwendeten Prozessor-Plattform gefragt. Das Ergebnis ist eindeutig: 74 Prozent der Leser hatten damals ausschließlich den AMDs Athlon XP im Einsatz, 14 Prozent setzten ausschließlich auf den Pentium 4. Sechs Prozent hatten beide Systeme zuhause. Nur sechs Prozent nutzen (ältere) Alternativen.
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Athlon XP
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Pentium 4
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Beide Plattformen
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Keine der beiden Plattformen
Weitere Tests von vor 15 Jahren
In der Kategorie „Im Test vor 15 Jahren“ wirft die Redaktion seit Juli 2017 jeden Samstag einen Blick in das Test-Archiv. Bisher in dieser Reihe erschienen sind:
- Athlon XP 2600+ und 2400+ in 130 nm mit Thoroughbred B
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