Bundesgerichtshof: Google profitiert vom Suchmaschinenprivileg
Solange ein Suchmaschinenbetreiber wie Google nicht weiß, dass Fotos in der Bildersuche urheberrechtlich geschützt und eigentlich nicht dargestellt werden dürfen, haftet er auch nicht. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Den Ursprung hat der Fall im Jahr 2009. Geklagt hatte ein Erotik-Portal, das Bilder in einem passwortgeschützten Bereich anbietet, auf den nur registrierte Kunden zugreifen können. Dort ist es auch möglich, die Bilder herunterzuladen. Über Umwege sind die urheberrechtlich geschützten Bilder dann auf frei zugänglichen Webseiten aufgetaucht, sodass der Google-Crawler sie abgreifen konnte.
Das Privileg der Suchmaschinenbetreiber
Dass die Bilder nun in der Bildersuche als Thumbnail auftauchten, war der Anlass für die Klage. Der Betreiber des Erotik-Portals argumentiert, die exklusiven Nutzungsrechte an den Fotos zu besitzen. Aufgrund der verletzten Urheberrechte forderte er daher Unterlassung sowie Auskunftserteilung und Schadensersatz.
In den ersten Instanzen wurde die Klage bereits zurückgewiesen, nun bestätigte der Bundesgerichtshof die Urteile (Az. I ZR 11/16). Die Richter berufen sich dabei auf die europäische Rechtsprechung. Sie besagt vereinfacht formuliert: Webseiten-Anbieter haften nur für Links auf Webseiten, die illegal urheberrechtlich geschützte Werke anbieten, wenn sie von der Rechtswidrigkeiten wussten oder es offensichtlich ist.
Es gibt zwar noch verschärfte Vorgaben, wenn die Verlinkung mit einer Gewinnabsicht verbunden ist. Doch auch hier gelten Ausnahmen für Suchmaschinen. „Von dem Anbieter einer Suchfunktion kann nicht erwartet werden, dass er überprüft, ob die von der Suchmaschine in einem automatisierten Verfahren aufgefundenen Bilder rechtmäßig ins Internet eingestellt worden sind, bevor er sie auf seiner Internetseite als Vorschaubilder wiedergibt“, heißt es in der Mitteilung des Bundesgerichtshofs.
Das bedeutet: Solange Suchmaschinenbetreiber wie Google die Vorschaubilder auf frei zugänglichen Seiten einsammeln, haften sie nicht für Urheberrechtsverletzungen. Dasselbe gilt für Anbieter, die auf Suchergebnisse verlinken. Reagieren müssen die Suchmaschinenbetreiber allerdings, wenn sie von den Rechteinhabern informiert werden.
Google als „too big to fail“
Begründet wird das Urteil mit der wichtigen Rolle von Links, die entscheidend für das Funktionieren des Internets sowie den Meinungs- und Informationsaustausch sind. Doch die Ausnahme, die Suchmaschinenbetreiber – und damit insbesondere Google – genießen, sorgt auch für Kritik. Leonhard Dobusch, Professor an der Universität Innsbruck, schreibt in einem Kommentar für Netzpolitik.org, der Graben zwischen dem „Urheberrecht und ‚Google-Recht‘“ werde mit dem Urteil tiefer.
Mit dem Verweis auf die Bedeutung der Suchmaschinen würde der Bundesgerichtshof „Google quasi offiziell für ‚systemrelevant‘“ erklären, sodass für den Konzern andere Regeln gelten als für praktisch alle anderen Anbieter. Von diesem Suchmaschinenprivileg könnten gewerbliche Anbieter nur profitieren, wenn sie selbst auf Google-Ergebnisse verlinken. Was Dobusch daher fordert, ist ein modernisiertes Urheberrecht. Sowohl kleine und mittlere als auch große Plattformen müssten denselben Rechten unterliegen.
Ebenso spricht der Kölner Medienanwalt Christian Solmecke von einem „Freifahrtschein“ für Google. Obwohl der Europäische Gerichtshof im letzten Jahr noch entschieden hatte, dass zumindest gewerbliche Internetangebote wissen können, ob ein Inhalt rechtswidrig ist, soll „dies nun nicht für den größten Suchmaschinenbetreiber der Welt gelten“. Juristisch nachvollziehbar wäre das laut Solmecke nicht. Deswegen fordert er ebenfalls überarbeitete Gesetze, die klare Regeln schaffen.
Weitere Fragen angesichts Googles überarbeiteter Bildersuche
Entscheidend an dem aktuellen Urteil ist zudem noch, dass es sich auf Googles alte Thumbnail-Bildersuche bezog. Weitere Fragen stellen sich durch die überarbeite Bildersuche, die Google Anfang des Jahres auch in Deutschland freigeschaltet hat. Die zeigt nicht mehr nur Vorschaubilder („Thumbnails“), sondern eine verkleinerte Version der Bilder. Ein Klick reicht dann aus, um das Bild in Originalgröße zu bekommen. Inwieweit diese Vorgehensweise mit dem deutschen und europäischen Recht vereinbar ist, müssen Gerichte noch klären.