Überwachung: Staatstrojaner bislang noch nicht im Einsatz
Seit der Reform im Sommer gibt es nun deutlich mehr Delikte, bei denen Sicherheitsbehörden auf den Staatstrojaner zurückgreifen dürfen – zumindest in der Theorie. In der Praxis wurde die aktuelle Version der Überwachungsoftware noch nicht einmal eingesetzt, berichtet die Welt.
Das Problem der Sicherheitsbehörden ist, dass das Einsatzgebiet der aktuellen Staatstrojaner-Version äußerst begrenzt ist. Offiziell läuft die Überwachungssoftware unter dem Namen Remote Control Interception Software (RCIS). In Version 1.0 lassen sich damit aber nur Skype-Gespräche abhören, wenn das VoIP-Programm auf einem Desktop-Rechner mit Windows läuft. Mobile Betriebssysteme bleiben ebenso wie andere Messenger-Dienste außen vor.
Und für die Kombination aus Windows-Desktop-Rechner und Skype gab es offenbar bislang keinen Fall, bei dem der Einsatz erforderlich wäre, obwohl der Staatstrojaner RCIS 1.0 bereits im Februar 2016 freigegeben wurde. Rund sechs Millionen Euro hat die Entwicklung insgesamt gekostet, hinzu kamen nochmals 190.000 Euro, die für eine TÜV-Prüfung erforderlich waren.
Neuer Trojaner für mobile Betriebssysteme noch für dieses Jahr geplant
Seit geraumer Zeit arbeitet das Bundeskriminalamt schon an einer überarbeiteten Version des Staatstrojaners. RCIS 2.0 soll sich dann auch in mobile Betriebssysteme wie Android, BlackBerry und iOS einschleusen lassen, um mobile Messenger-Dienste wie WhatsApp abhören zu können. Wie Netzpolitik.org im Juli berichtete, soll die Freigabe noch in diesem Jahr erfolgen.
Davon abgesehen will das BKA noch die kommerzielle Überwachungssoftware „FinSpy“ nutzen. Die ist allerdings nur als Ersatz vorgesehen.
Fragen nach der richtigen Strategie
Wenn ein Staatstrojaner trotz Millionen-Kosten für die Entwicklung nicht zum Einsatz kommt, bestehen insbesondere auf politischer Ebene einige Fragen. Bisherige Projekte müssten „kritisch begutachtet“ werden, bevor man weitere Trojaner programmiere oder einkaufe, erklärte etwa der SPD-Netzpolitiker Lars Klingbeil gegenüber der Welt.
Ebenso sagte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz, Sicherheitsbehörden würden für die digitale Welt zwar moderne Instrumente benötigen. Aktuell würden aber Millionen von Euro in „die Entwicklung von Software und deren Überprüfung versenkt, die, noch bevor sie zum Einsatz kommen, einer neuen Version bedürfen“.
Bei der Entwicklung von neuen Technologien für Polizei und Geheimdienste hat die letzte Bundesregierung ohnehin schon neue Wege eingeschlagen. Künftig ist das die Aufgabe von Zitis, allerdings hatte die Behörde erst vor wenigen Tagen den offiziellen Einstand. Und es gibt noch einige Baustellen. Noch mangelt es etwa an Mitarbeitern, von den derzeit geplanten 120 Stellen sind aktuell nur rund 20 besetzt. Dazu ist auch noch auf technischer Ebene einiges offen, dazu zählt etwa der Umgang mit Sicherheitslücken.