EA: Viscerals Star-Wars-Projekt aus vielen Gründen beendet
Mit der Schließung von Visceral Games hat EA auch das dort entwickelte Star-Wars-Spiel eingestellt. Dessen reines Einzelspieler-Konzept war aber nicht der Grund für das Ende von Projekt und Entwickler – oder zumindest nicht der einzige.
Einzelspieler-Fokus unschuldig am Ende
Während die Formulierungen des Publishers annehmen ließen, dass ein linearer Singleplayer-Titel schlicht nicht genügend Möglichkeiten für In-Game-Käufe bietet, ergo nicht profitabel genug ist, lagen die Probleme tatsächlich an anderen Stellen. Dies geht aus einem lesenswerten Bericht des gut vernetzten Jason Schreier für Kotaku hervor, der auf Basis von Gesprächen mit mehreren ehemaligen Visceral-Mitarbeitern das Scheitern des Spiels nachzeichnet.
Patrick Söderlund von EA verneint, dass die Einstellung mit dem vermuteten „Tod von Einzelspieler-Titeln“ zusammenhängt. Auch der Bedarf an einer bestimmten Art von Monetarisierung habe nichts mit der Einstellung des Spiels zu tun gehabt. Beides nannte Söderlund „wichtige Themen“, um die es aber bei dem Star-Wars-Titel nicht gegangen sei: „Wir haben nur gedacht, dass wir es nicht richtig hinbekommen“. Diese Aussagen decken sich mit denen von Visceral-Mitarbeitern, die gegenüber der Seite von einem „Gnadenschuss“ sprachen, die Ausrichtung selbst, so die vorherrschende Meinung, sei nicht der Schuldige gewesen.
Spannend und ambitioniert
Tatsächlich hat sich das Spiel laut Informationen von Kotaku seit mehreren Jahren aus verschiedenen Gründen in Schwierigkeiten befunden. Das lag unter anderem an den Ambitionen der Entwickler, die ein überaus ambitioniertes „Uncharted Star Wars“ erschaffen wollten. Darin hätten Spieler zwischen den Geschehnissen des ersten und zweiten Kinofilms gleich eine ganze Gruppe Weltraum-Gangster gespielt, deren Anführer ein Zerrbild von Han Solo werden sollte.
Visceral wollte dabei ohne bekannte Figuren und Lichtschwerter auskommen und, so der Bericht, die Auswirkungen der Zerstörung des Planeten Alderaan thematisieren – während gleichzeitig eine düstere Geschichte um Mob-Familien, Schurken und große Überfälle erzählt wurde. Diese Story-Idee wurde von Mitarbeitern als tatsächliches Highlight beschrieben und sollte mit neuen, ambitionierten Gameplay-Elementen gemischt werden: Spieler hätten laut Konzept gleich mehrere Figuren des Teams abwechselnd spielen dürfen, während die übrigen Figuren dank KI-Programmierung je nach ihrem geplanten Charakter automatisch agiert hätten. Zudem sollten Spieler zur Beeinflussung von Gegnern auf umfangreiche Sabotagemöglichkeiten per Umgebungsmanipulation zurückgreifen.
Viele Gründe für Misserfolg
Die Realisierung dieser anspruchsvollen Pläne scheiterte aus vielen Gründen. Darunter waren die hohen Lebenshaltungskosten und damit Gehälter in San Francisco, die zu geringer Personaldecke vor Ort führten, aber auch notwendige Umbauten an der Frostbite-Engine, um das technische Gerüst für ein Actionspiel aus der Dritten Person zu schaffen. Darüber hinaus musste Visceral parallel zum Star-Wars-Spiel an DLCs für Battlefield Hardline arbeiten.
Auch der Umbau auf flache hierarchische Strukturen habe aufgrund einer Umgewöhnugsphase zu Spannungen im Team geführt, geringe Fortschritte und wiederkehrende Unsicherheit über die Zukunft des Projekts zu einem zwischenzeitlich schwierigen Arbeitsklima. Die von Naughty Dog zu Visceral gestoßene Game Directorin Amy Hennig habe sich darüber hinaus um zu viele Aspekte gekümmert; weitere Spannungen seien durch die Gewöhnung an größere eigenverantwortliche Spielräume und schließlich den Einsatz von weiteren Mitarbietern von EA Vancouver mit anderer Arbeitsphilopsophie entstanden. Sogar die Star-Wars-Lizenz habe zu den Schwierigkeiten beigetragen, weil Designschritte durch die Rechteinhaber abgesegnet werden mussten.
Spannungen mit EA
Nicht zuletzt aber gab es Spannungen zwischen EA und Visceral. Der Publisher habe erwartet, dass das neue Spiel aus dem Stand heraus mit Uncharted 4 konkurrieren und mindestens 90 Punkte im Wertungsschnitt auf Metacritic erreichen könne. Visceral hatte indes weniger Budget und Erfahrung als Naughty Dog und selbst nur im Blick, mit dem Debüt-Titel wie bei anderen großen Serien zunächst eine Grundlage zu schaffen, die mit weiteren Spielern hätte verfeinert werden können.
Zudem habe sich der Publisher wenig mit dem düsteren Setting und Thema anfreunden können und auf Marktforschung verwiesen, laut der Star Wars mit Lichtschwerten und Jedi in Verbindung gebracht werde. Auch habe der Publisher die Entwicklung eines Mehrspieler-Modus gefordert, der begonnen und schließlich mangels Ressourcen und aufgrund von Zeitdruck verworfen wurde.
Zu groß und teuer
Obwohl das Projekt schließlich in einer reduzierten Form Fortschritte gemacht hätte, hätten in einer Meilenstein-Demo für den Publisher zu große Übereinstimmungen mit Uncharted bestanden; einzigartige Features und Unterscheidungsmerkmale hätten gefehlt. Schließlich, so Kotaku, sei das Star-Wars-Spiel gescheitert, weil es zu groß, zu teuer und zu riskant gewesen sei: Bis zur Fertigstellung wären laut Schätzungen insgesamt 100 Millionen US-Dollar an Kosten aufgelaufen. Das habe für ein Einzelspieler-Konzept, das diese Summe praktisch nicht einspielen könne, keinen beziehungsweise laut Visceral-Mitarbeitern eigentlich zu keinem Zeitpunkt Sinn ergeben.