Windows Mixed Reality im Test: Schärfer, bequemer, einfacher und manchmal zitterig

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Jan-Frederik Timm
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Deutlich mehr Pixel als Rift und Vive

Die beiden quadratischen Displays in den Headsets setzen auf jeweils 1.440 × 1.440 Pixel und spannen damit eine Bühne mit 2.880 × 1.440 Pixeln auf. Rift und Vive bieten 2.160 × 1.200 Pixel mit zwei Displays im Format 1.080 × 1.200 Pixel. Das bedeutet 60 Prozent mehr Pixel mit dem Headset von Acer.

Ein weiterer Unterschied: Microsofts Partner setzen auf IPS, Vive und Rift noch auf OLED. IPS hat allerdings deutliche Fortschritte gemacht, das haben zuletzt nicht nur Valve und Oculus erkannt. Die Darstellung ist mit dem Headset von Acer in der Tat schlierenfrei, die pulsierende Hintergrundbeleuchtung erfüllt zusammen mit den beiden LCDs hier offensichtlich ihren Zweck. Nur in dunklen Szenen oder auf Ladebildschirmen konnte zudem leichtes Lensflare in Form von zwei senkrechten Streifen an den beiden Rändern beobachtet werden – vorausgesetzt, kein Licht fiel von hinten ein.

Zwei Mal 1.440 x 1.440 Pixel hinter Fresnel-Linsen
Zwei Mal 1.440 x 1.440 Pixel hinter Fresnel-Linsen

Kleineres Blickfeld ohne gravierende Auswirkungen

Offiziell fällt das Blickfeld mit horizontal 105 zu 110 Grad etwas kleiner aus. Auch beim schnellen Wechsel der Systeme muss allerdings auf Referenzpunkte in der Darstellung geachtet werden, damit das auffällt. Wer im Menü von Space Pirate Trainer mit dem rechten Ende des Sichtfeldes die Raumstation am rechten Bildrand noch gerade so einfängt, der sieht am linken Rand des Sichtfeldes mit der Vive noch „irate“ aus „Pirate“ im zentral positionierten Menü – mit dem Headset von Acer fallen „i“ und „r“ raus. Per Screenshot festhalten ließ sich das nicht.

In Sachen Auflösung und Fliegengitter ist das Headset von Acer den Modellen von Oculus und HTC mit mehr Pixeln und geringerem Sichtfeld am Ende wiederum sichtbar überlegen. Pixel bleiben zwar auch mit 60 Prozent mehr Bildpunkten sichtbar, aber das Gitter zwischen den einzelnen Bildpunkten verblasst. Texte zu lesen fällt damit wesentlich leichter. Auch Effekte wie Spiegelungen auf der Metalloberfläche der Raumschiffe im Space Pirate Trainer stechen trotz vermeintlich unterlegener LCD-Technik klarer hervor als je zuvor.

Das Tracking fasziniert trotz Fehlern

Die interessanteste Neuerung der Mixed-Reality-Headsets gegenüber den bekannten PC-Systemen HTC Vive (Test) und Oculus Rift (Test) ist aber nicht die höhere Auflösung, sondern das Tracking.

Während Vive und Oculus auf externe Hilfsmittel setzen, um Bewegungen in sechs Freiheitsgraden zu erkennen, können die VR-Brillen der Microsoft-Plattform ihre Lage im Raum durch die Kombination bekannter Beschleunigungs- sowie Lagesensoren mit den zwei integrierten Kameras autark bestimmen. Und zwar genauso frei wie Rift und Vive inklusive Vor/Zurück, Links/Rechts, Aufwärts/Abwärts und nicht nur Rollen, Drehen, Neigen wie bei Gear VR (Test) oder Google DayDream View (Test). Das nennt sich 6DoF.

Die Controller werden vom Headset verfolgt

Für die beiden Controller gilt prinzipiell dasselbe. Wobei deren absolute Lage im Raum sowohl anhand von integrierten Sensoren als auch mit Hilfe der Kameras im Headset bestimmt wird, über eigene Kameras verfügen sie nicht. Sind die Controller für die Kamera im Headset also nicht sichtbar, wird ihre Position anhand der weiterhin vorhandenen Sensordaten und dem Wissen über die Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Arms weiterverfolgt. Oculus war dieser Ansatz vor einer Woche nur ein müdes Lächeln wert, denn Santa Cruz soll Controller mit vier statt zwei Kameras rund um den Spieler erfassen.

Im Gegensatz zu Rift und Vive ist das Tracking nicht fehlerfrei

Und in der Tat: Fehlerfrei funktioniert der Ansatz nicht. Krasse Ausreißer, also die Darstellung der Controller in VR am absolut falschen Ort, sind zwar im nicht provozierten Alltag die Ausnahme, aber sie kommen vor. Sowohl im Cliff House als auch in Space Pirate Trainer und Arizona Sunshine gab es solche Fälle. Manchmal erfolgt die Korrektur sofort, manchmal konnte man seiner Hand aber auch noch Sekunden am falschen Ort zusehen. Rift und insbesondere Vive kennen diese Aussetzer nicht.

Zu den beschriebenen Fehlern kann es einerseits kommen, wenn der Spieler den Blick abgewendet und den Controller damit aus dem Sichtfeld der Kameras gedreht hat, oder die Controller außerhalb des Sichtfeldes bewegt werden. Insbesondere beim Wiedereintritt von oben sind dann Korrekturen notwendig. Grund ist, dass die Kameras, dem typischen Anwendungsfall mit weiter unten positionierten Controllern angemessen, leicht nach unten zeigen und der tote Winkel über dem Kopf des Spielers damit größer ist. Dem nachfolgenden Video ist dieses Verhalten ebenso wie ein weiteres Problem zu entnehmen.

Denn selbst wenn die Position stimmt, zuckelt und ruckelt die Darstellung der Controller immer wieder. In Space Pirate Trainer war das kein Thema, in Arizona Sunshine beim Zielen über Kimme und Korn hingegen schon. Das Tracking der Brille hat hingegen nach dem kurzen Test zur IFA auch in der vergangenen Woche abermals überzeugt.

Controller im Schatten von Oculus Touch

Die Controller positionieren sich bei Größe und Gewicht zwischen denen für die Rift und die Vive. Das Design ist von dem großen LED-Ring am Kopf geprägt, über den die Kameras im Headset die Lage im Raum bestimmen. Sie bieten wie beide Konkurrenten einen Abzug, eine seitliche Taste zum Greifen sowie einen Knopf zum Aufrufen des Startmenüs (hier Windows-Taste) und übernehmen vom Controller der Vive das Touchpad sowie vom Controller der Rift den Analogstick. Touch wie ausgewählte Zonen bei Oculus Touch und damit rudimentäre Gesten bieten sie nicht.

Auch längere Partien lassen sich mit den Controllern gut bewerkstelligen, so intuitiv zu erreichen wie bei Oculus Touch sind die Bedienelemente sowohl in Bezug auf den Analogstick als auch den Griff-Button jedoch nicht. Nach längerer Eingewöhnungszeit ist das aber kein Problem mehr.

Hoher Stromverbrauch im Test

Erschreckend hoch war im Test der Stromverbrauch trotz automatischen Abschaltens bei Inaktivität: Jeder Controller musste schon nach wenigen Stunden mit einem Satz neuer AA-Batterien ausgerüstet werden, integrierte Akkus wie die Controller der HTC Vive bieten die Modelle von Microsoft nämlich nicht. Oculus Touch setzt sogar nur auf eine Batterie je Touch, zeigte im Test aber deutlich längere Akkulaufzeiten. Praktisch: Wer die Controller auf den Rücken dreht, sieht in VR deren Ladezustand.

Gewicht der Controller mit Batterien im Vergleich
Acer Mixed Reality Oculus Rift HTC Vive
Gewicht 183 g 159 g 203 g
Stromversorgung je 2 × AA-Batterie je 1 × AA-Batterie integrierter Akku

Interessant ist, dass die Controller von Acer das Logo des Herstellers bieten und von ihm selbst gefertigt wurden, obwohl es sich um die auch bei Asus, Dell, HP und Lenovo eingesetzte Referenzversion handelt. Ob Acer auch für die anderen Hersteller die Controller im Auftrag von Microsoft fertigt, ist der Redaktion aktuell noch nicht bekannt.

60 Prozent mehr Pixel verlangen nach schnellen GPUs

Microsoft teilt die offiziellen Systemanforderungen für Windows Mixed Realiy auf: Windows Mixed Reality mit auf 60 FPS reduziertem Betrieb sollen so auch Systeme mit iGPU schaffen, Windows Mixed Reality Ultra mit 90 FPS hingegen nur Rechner mit halbwegs aktueller GPU.

Die offiziellen Systemanforderungen für Windows 10 Mixed Reality
Die offiziellen Systemanforderungen für Windows 10 Mixed Reality (Bild: Microsoft)

ComputerBase hat Windows Mixed Reality hauptsächlich am Notebook Acer Aspire 7 mit Intel Core i7-7700HQ, mobiler GeForce GTX 1060 und 16 GB RAM getestet, das die Mindestanforderungen für Windows Mixed Reality Ultra mit 90 FPS übertrifft. Im Hauptmenü und Space Pirate Trainer reichte dessen Leistung auch für hohe Qualität aus, in Arizona Sunshine hingegen ruckelten insbesondere die Controller deutlich. Auf einem Core i7-4770K mit GeForce GTX 1080 Ti lief es allerdings rund. Den Mindestanforderungen von Microsoft sollten insbesondere Spieler also nicht trauen, konkreter Auskunft geben im Windows Store ausführliche Anforderungen der Publisher.

Detailliertere Tests zu den Anforderungen folgen

Tiefgreifende Analysen zur Anforderung der Plattform stehen aktuell allerdings noch aus, die Zeit war dafür zu knapp, das Testmuster nach einer Woche bereits auf dem Weg zur Redaktion von Golem.de. Inwiefern die höhere Auflösung von Microsofts Lösung gegenüber Oculus oder SteamVR höhere Ansprüche an die Hardware stellt, bleibt damit ebenfalls noch offen. ComputerBase wird sich des Themas in Kürze aber erneut annehmen. Optimalerweise dann, wenn auch SteamVR-Titel über Windows Mixed Reality verfügbar sind, um einen direkten Vergleich der Plattformen zu ziehen.