Grafikkarten für VR: Synthetische FPS machen Mittelklasse-GPUs Beine
tl;dr: Anderthalb Jahre sind die VR-Systeme von Oculus und HTC auf dem Markt, dank cleverer Technologien in den SDKs wurden die Systemanforderungen seitdem deutlich gesenkt. Die von Oculus empfohlenen Mittelklasse-GPUs GeForce GTX 1060 und Radeon RX 580 schlagen sich im Test dank „Schummel-Frames“ dann auch erstaunlich gut.
Mittelklasse-Hardware vs. Virtual Reality
Oculus Rift (Test) und HTC Vive sind mittlerweile seit anderthalb Jahren erhältlich, und seit Oktober gibt es PC-VR-Headsets in Form von Windows Mixed Reality (Test) auch nativ für Windows 10. Und die von Partnern wie Acer, Asus, Dell, HP und Lenovo angebotenen Headsets kosten inklusive zwei Controllern mit 450 Euro auch nicht mehr so viel wie HTC Vive und Oculus Rift zum Start – Oculus selbst bietet Rift und Touch mittlerweile zum selben Preispunkt an. Für viele Interessenten rückt die Anschaffung näher. Aber wie sieht es mit den Anforderungen an den Rechner aus?
Hilfsmittel dämpfen sehr hohe Anforderungen
Richtig ist, dass sie für Virtual Reality deutlich höher ausfallen können, als für klassische Software. Richtig ist aber auch, dass einem im Headset das letzte Schattendetail nicht mehr so wichtig ist, wenn einem ein mannsgroßer Roboter mit Schrotflinte gegenübersteht oder man vor dem Überholmanöver noch einen kurzen Blick über die Schulter wirft. Ferner ist falsch, dass es immer 90 FPS bedarf, um Spaß in VR zu haben, denn dank cleverer Software-Tricks reichen oft schon 45 FPS aus.
Die Empfehlungen der in diesem Test exemplarisch verwendeten Plattform von Oculus nennen dann auch nur Mittelklasse-GPUs der Typen GeForce GTX 1060 und Radeon RX 480. Aber reichen die wirklich auch für fordernde Spiele aus?
Komponente | Herstellerempfehlung (Minimum ) | Herstellerempfehlung (Empfohlen) |
---|---|---|
Grafikkarte | Nvidia GTX 1050 Ti AMD RX 470 |
Nvidia GTX 1060 AMD RX 480 |
Prozessor | Intel i3-6100 AMD FX-4350 |
Intel i5-4590 AMD Ryzen 5 1500X |
Arbeitsspeicher | 8 GByte | |
Schnittstelle (Output) | HDMI 1.3 | |
Schnittstelle (Input) | 1 x USB 3.0 plus 2 x USB 2.0 | 3 x USB 3.0 plus 1 x USB 2.0 |
Betriebssystem | Windows 8 | Windows 7 SP1 64 Bit |
Was sie in aktuellen Titeln zu leisten imstande sind, hat ComputerBase anhand der abseits des PCBs baugleichen Varianten der GeForce GTX 1060 und Radeon RX 580 von MSI nachfolgend analysiert.
VR-Benchmarks sind anders zu bewerten
Doch bevor es an die Benchmarks geht, gilt es in VR einige Besonderheiten zu beachten: Nicht nur die Anforderungen an den eigenen Rechner sind in VR andere, auch im Benchmark müssen Abweichungen zum üblichen Vorgehen am Bildschirm bedacht werden. Klassische FPS-Counter wie Fraps sind hier außen vor, weil es neben den wirklich neu berechneten Bildern auch lediglich leicht angepasste alte Bilder geben kann – und sie zu unterscheiden, ist durchaus von Relevanz.
ComputerBase hat zu diesem Zweck Nvidias FCAT VR genutzt, das seit dem Frühjahr jedermann kostenlos zur Verfügung steht und im Gegensatz zum bisher bekannten klassischen Pendant keinen High-End-Rechner mit RAM-Disk braucht.
Echte neue vs. synthetische (alte) Frames
Die Diagramme in diesem Test zeigen auf dieser Basis nur die wirklich komplett neu berechneten FPS an, während separate Darstellungen auch die synthetischen FPS, also die leicht angepassten zwischengeschobenen ausweisen. Um den Zusammenhang zu verstehen, muss verstanden werden, wie das Bild eigentlich ins Headset kommt und wo die Messung stattfindet.
Grundsätzlich gibt es dabei erst einmal keinen Unterschied zur Ausgabe am Bildschirm. Vereinfacht ausgedrückt liefert die CPU die Daten, und die Grafikkarte macht daraus ein Bild (Frame). Für VR reicht das aber nicht. Je nach Headset und Situation muss das Bild weiter angepasst werden, bevor es angezeigt werden kann. Typische Aufgaben sind Farbanpassungen und linsenspezifische Korrekturen (Warp). Für beides bleiben dem System zusammen jeweils 11 ms Zeit, um die vom Headset erwünschten 90 FPS pro Sekunde liefern zu können. Mit FCAT VR von Nvidia ist es möglich auszulesen, wie lange die Grafikkarte für jeden einzelnen Frame gebraucht hat und auf dieser Basis zu berechnen, wie viele Bilder theoretisch möglich gewesen wären.
Interessanter wird es, wenn die Grafikkarte nicht schnell genug ist, also kein neues Bild in 11,11 ms fertigstellt. In einem klassischen PC-Spiel für den Bildschirm würde dann Folgendes passieren: Das alte Bild wird erneut angezeigt, und der Nutzer sieht einen kurzen Ruckler. Das stört, fest verankert in der Realität wird dem Anwender davon aber nicht schlecht. In Virtual Reality passt das unveränderte Bild wiederum nicht mehr zu den Bewegungen des Nutzers, und das Gehirn merkt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Dem Anwender wird unwohl bis schlecht („Motion Sickness“).
Aber sowohl Oculus als auch Valve bieten in ihren SDKs mittlerweile Software-Tricks an, die dieses Problem umgehen. Hier kommen die synthetischen Zwischenbilder wieder ins Spiel, die keine neuen Informationen aus dem Spiel, wohl aber neue Positionsdaten des Spielers enthalten. Bei Oculus heißt das Asynchronous Timewarp (Erklärungen im Developer-Blog), SteamVR bietet eine ähnliche Technologie.
Ist die Grafikkarte deutlich zu langsam, gibt es in der Regel keine Probleme, wohl aber im Grenzbereich. Dann fällt zu spät auf, dass eigentlich ein synthetisches Zwischenbild nötig wäre, und es kommt zu einem Framedrop. FCAT VR kann auch diesen Sachverhalt messen und darstellen.
Abseits dieser technischen Aspekte unterscheidet sich die Bewertung der Eignung einer Grafikkarte auch noch insofern von den klassischen FPS- oder Frametime-Bemessungsgrundlagen, als dass der Kopf des Spielers entscheidet, ob die erzielte Leistung Unwohlsein hervorruft oder nicht. Letztendlich ist das wie bei den niedrigsten FPS, die Spieler fordern, damit ein Bildschirmspiel Spaß macht – nur dass es in dem Fall sogar zu Unwohlsein kommen kann.