Star Wars Battlefront 2 im Test: Im Würgegriff der Mikrotransaktionen
tl;dr: Bei EA können Spieler endlich erfahren, wie ein Handyspiel mit aggressiven In-App-Käufen auf dem PC aussieht – und das für schlappe 60 Euro und selbst nachdem Kaufoptionen vorübergehend deaktiviert worden sind. Star Wars Battlefront 2? More like Cash Wars Payfront 2.
Cash und Spaß
EA hatte mit Star Wars Battlefront 2 ein ganz heißes Eisen im Feuer: Endlich wieder Einzelspieler im Star-Wars-Universum, ein wenig mehr Tiefgang als im Vorgänger und eine Grafikqualität, die begeistern kann, sind eine Mischung, mit denen zumindest einigen Stunden spaßiger Unterhaltung nichts im Wege stehen könnte.
Dem gegenüber steht allerdings ein Monetarisierungs- und Gameplaykonzept, das darauf ausgelegt ist, spielerische Vorteile gegen echte Euro zu tauschen. Diesen natürlichen Widerspruch irgendwie zu einem immer noch unterhaltsamen Ergebnis zusammenzuführen muss zwingend Scheitern, weil er sich nicht überbrücken lässt. Das investorenfreundliche Vorhaben stürzt damit einen eigentlich guten Shooter in den Abgrund.
Systemanforderungen
Technisch begeistert Battlefront 2 ohne Wenn und Aber. DICE und EA zaubern prächtige Grafik-Feuerwerke auf den Bildschirm ohne dabei höhere Anforderungen an die Hardware zu stellen. Gemessen am Gesamteindruck ist die gewünschte Rechenleistung sogar fast schon lachhaft niedrig. Im Technik-Test zu Battlefront 2 erweisen sich ab Radeon RX 470 und GeForce GTX 970 als schnell genug für Full-HD-Auflösung und volle Detaileinstellungen.
Battlefront 2 ist aktuell das schönste Spiel im Handel. Und das will etwas heißen, denn erst vor wenigen Wochen erschienen die grafisch herausragenden Spiele Assassin's Creed Origins, Destiny 2 und Wolfenstein 2.
Minimum | Empfohlen | |
---|---|---|
Betriebssystem | Windows 7 oder neuer (64 Bit) | |
Prozessor | Intel i5 6600K AMD FX-6350 |
Intel Core i7-6700 AMD FX-8350 |
Arbeitsspeicher | 8 GB RAM | 16 GB RAM |
Grafikkarte | AMD Radeon HD 7850 (2 GB) Nvidia GeForce GTX 660 |
AMD RX 480 Nvidia GeForce GTX 1060 (3 GB) |
HDD | 60 GB |
Mikrotransaktionen
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat EA Kaufoptionen in Star Wars Battlefront 2 vollständig, wenngleich nur vorübergehend deaktiviert, Echtgeld kann derzeit nicht länger für In-App-Käufe ausgegeben werden. Das wird allerdings nicht dauerhaft so bleiben. Zu den weiteren Plänen hat sich EA zwar noch nicht geäußert, dennoch lässt sich anhand bisheriger Änderungen und dem Design des Spiels ein wahrscheinliches Szenario abstecken.
Da bislang nur Feinheiten geändert wurden und das grundsätzliche Design des Spiels auf die Beförderung von Mikrotransaktionen angelegt ist, sind Änderungen nicht zu erwarten. Denn dazu müsste entweder das Spiel selbst umgekrempelt oder das Preisgefüge der In-App-Käufe komplett unterlaufen werden, was den Pay-to-Win-Gedanken offensichtlich machen würde.
Realistisch betrachtet wird EA lediglich auf Basis der bisherigen Reaktionen erneut ausloten, wie viel „Pay to Win“ und Kaufanreize ohne größeren Schluckauf zu verkaufen sind und weitere kleinere Änderungen als Community-freundliche Aktion präsentieren. Dies wird aber erst dann geschehen, nachdem eine Spielerbasis geschaffen wurde, die ihre 60-Euro-Investition nicht in den Wind schreiben will und das öffentliche Interesse wieder gesunken ist.
Was bisher geschah
Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll überhaupt noch einmal festzuhalten, was EA im Sinn hat beziehungsweise hatte: In Battlefront 2 sollen zusätzliche Kaufanreize für Beuteboxen geschaffen werden, indem deren Inhalte um Fähigkeiten für Soldaten, Fahrzeuge und Helden ergänzt wurden. Progression funktioniert dadurch weitgehend nach dem Zufallsprinzip, weil sich nicht gezielt auf einzelne Unlocks hinspielen lässt. Fähigkeiten haben zudem vier Stufen, deren zusätzliche Boni spürbare Auswirkungen haben. Das Crafting-System, das diese Möglichkeit bietet, wird durch ein sehr geringes Einkommen gehemmt.
EA wollte also offenkundig das Lied vom geringen Verdienst und vielen Anreizen spielen, um Echtgeld-Käufe lohnenswert erscheinen zu lassen. Laut Schätzungen sind 4.528 Stunden oder 2.100 US-Dollar nötig, um wirklich alles, allerdings inklusive kosmetischer Gegenstände, freizuschalten. Anfängliche Einmal-Boni, die das Einkommen in den ersten Stunden künstlich anheben, werden in der Rechnung aber nicht berücksichtigt. Selbst nur Helden und Fähigkeiten auf höchster Stufe freizuschalten dauert praktisch mehrere hundert Stunden. Ein solcher Zeitrahmen liegt außerhalb der Reichweite üblicher Spieler, die vielleicht 50 oder 100 Stunden mit einem Titel zubringen und neben dem Kaufpreis nicht noch weitere Euros ausgeben wollen. Praktisch wird der Inhalt damit beschnitten.
Dass EA Änderungen an der Preisgestaltung der Helden vorgenommen und Waffen aus den Kisten entfernt hat, ändert am Grundproblem nichts. Zahlende Spieler erhalten eine erheblich höhere Anzahl Kisten und damit mehr und gleichzeitig bessere Fertigkeiten – also handfeste spielerische Vorteile.
Multiplayer ruiniert
Warum man so lange auf Systemen herumreiten muss, die aktuell gar nicht mehr nutzbar sind? Weil das gesamte Spiel darauf ausgelegt wurde. Das Gameplay wird wesentlich von den Mikrotransaktionen bestimmt. Battlefront 2 ist und bleibt eine Dauerwerbesendung für Beuteboxen.
Gameplay made by Mikrotransaktionen
Das Spiel kann so als Anschauungsbeispiel für die destruktive Wirkung dieser Systeme dienen, schließlich wird ein Videospiel mit solcher Monetarisierung im Hinterkopf nicht mehr ausschließlich für größtmöglichen Spielspaß entworfen. Dadurch wird das eigentliche Anliegen, das Kaufargument eines Unterhaltungsproduktes parasitär zersetzt. Deshalb kann nicht verwundern, dass Battlefront 2 auch während der vorübergehenden Deaktivierung von Echtgeld-Käufen wenig Spaß macht: Die Grundstruktur, die das Ausgeben weiterer Euros größtmöglich befördern soll, bleibt an Ort und Stelle.
Grind als zentrales Spielelement bestimmt folglich noch immer den Alltag im Multiplayer-Modus. Nach der jüngsten Änderung leiden aber nun alle Spieler in Gleichheit und Brüderlichkeit unter geringem Einkommen und einer Vielzahl mühselig freizuschaltender Elemente des Spiels, die bei klassischem Gamedesign und Balancing keinen Sinn ergeben. Ein Schlaglicht wird durch die Änderungen in besonderem Maße auf Spieler geworfen, die bereits gezahlt haben, weil ihre Vorteile quasi konserviert wurden. Dass Spieler mit besserer Ausrüstung herumlaufen, wird nach jedem Tod angezeigt: Art und Seltenheit der Karten blendet das Spiel selbstverständlich gut sichtbar im Sinne bester Werbung ein.
Frust- statt Erfolgsgefühle
Die Behauptung der Entwickler, lange Freischaltzeiten würden Erfolgsgefühle generieren, ist nicht mehr als das erwartete Luftschloss. Es erzeugt kein Gefühl von Erfolg, wenn dieser sich einfach kaufen lässt und Niederlagen von nagenden Fragen begleitet werden. Durch ein Pay-to-Win-Design kann nicht vorausgesetzt werden, dass der Erfolg eines anderen Spielers einfach in besseren Fertigkeiten oder in einer besseren taktischen Situation begründet ist.
Nunmehr kann er einfach mehr gespielt oder – zumindest im geplanten System – mehr gezahlt haben könnte. Statt Erfolgs- entstehen so Frustgefühle durch die Verteilung ungleicher Voraussetzungen, die nicht in Können begründet liegen. Selbst wenn Vorteile nur minimal ausfallen würden, entsteht eine grundsätzliche Unsicherheit und Unzufriedenheit, ein nagender Zweifel, der Spaß hintertreibt. Solche Ungleichheit mag in manchen Genres, etwa MMORPGs akzeptabel sein oder gar zum Grundkonzept gehören, in Shootern ist es das aber definitiv nicht.
Gutes Konzept schurkisch exekutiert
Das ist umso tragischer, als dass die meisten Änderungen von DICE ins Schwarze treffen. Das Gameplay wird ein wenig komplexer, ist aber noch immer schnell, der neue 40-Spieler-Modus, der wie in Battlefield auf großen Karten in verschiedenen Abschnitten kämpfen lässt, eine echte Bereicherung. Raumschlachten bleiben zwar ein trivialer Zwischenhappen und Teamplay spielt praktisch keine Rolle, an sich aber entsteht vor beeindruckenden Kulissen ein dichtes Star-Wars-Gefühl.
Fahrzeuge und Helden nun nicht als Spawnpunkt, sondern durch das Gameplay-Punkte kaufbar zu machen, erzeugt ebenfalls mehr taktische Vielfalt, weil gezielte Offensiven mit temporärer Übermacht möglich werden und Spieler selbst entscheiden können, wie und wo sie ein Patt aufbrechen wollen. Hierüber und darüber ließe sich im Detail sprechen. Sinn hat das allerdings nicht, weil das unterhaltende Potential durch die Integration von Mikrotransaktionen erstickt wird. Am Ende schafft gerade diese Erkenntnis weitere Star-Wars-Atmosphäre: Das gute Spiel wird hingerichtet wie Obi-Wan-Kenobi durch Darth Vader.