Digitaler Lauschangriff: Aktivisten und Wirt­schafts­verbände bleiben skeptisch

Andreas Frischholz
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Digitaler Lauschangriff: Aktivisten und Wirt­schafts­verbände bleiben skeptisch
Bild: Ford

Die Pläne des Innenministeriums für den digitalen Lauschangriff bleiben umstritten. Erst gestern erklärte zwar ein Sprecher des Ministeriums, es gehe ausschließlich um Sicherheitssysteme von Wohnungen und Autos. Doch selbst das bewerten Netzaktivisten und Wirtschaftsverbände schon als zu großes Risiko.

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kritisiert etwa Markus Beckedahl, Chefredakteur von Netzpolitik.org, dass es grundsätzlich fraglich ist, wenn Hersteller die Behörden über Schwachstellen in ihren Produkten informieren sollen. Das gelte auch bei den Sicherheitssystemen von Autos, da es nicht im Interesse der Käufer sei, wenn Diebe die Schlösser über die Software knacken können. Im Kern ist es also dasselbe Dilemma, das auch bei Hintertüren in Verschlüsselungen und beim Umgang mit Sicherheitslücken für den Staatstrojaner besteht.

Misstrauen wecken auch weiterhin die vagen Aussagen. Was Beckedahl besonders stört, ist die „technikoffene“ Formulierung in der Beschlussvorlage. „Heute diskutieren wir über Autos, aber morgen möchte dann tatsächlich eine Sicherheitsbehörde die Kontrolle über digitale Assistenten wie Alexa übernehmen“, so der Netzpolitik.org-Gründer.

Wirtschaftsverbände warnen vor Vertrauensverlust

Nun sind es nicht nur Netzaktivisten, die den Vorstoß des Innenministeriums kritisieren. Auch Wirtschaftsverbände üben scharfe Kritik. Norbert Pohlmann, Vorstand beim Internetwirtschaftsverband Eco, erklärt in einer Stellungnahme: „Wir fordern die Minister dringend auf, Abstand von unverhältnismäßigen Gesetzesvorhaben zu nehmen, die darauf ausgelegt sind, IT-Systeme – ganz gleich in welcher Form – zu schwächen und die die Industrie mit Auskunfts- und Mitteilungsverpflichtung belasten wollen.“ Staatliche Überwachung müsse auf das Notwendige beschränkt bleiben.

Entscheidend für den digitalen Wandel wäre das Vertrauen der Nutzer in die Technologie. Doch das würde allein schon durch die Debatten über neue Überwachungspläne geschwächt, was letztlich der deutschen Internetwirtschaft schade, so Pohlmann.

Ähnlich fällt die Einschätzung vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). In einer Stellungnahme erklärt BVDW-Vizepräsident Stephan Noller: „Solch halbgare Schnellschüsse führen nur dazu, dass Verbraucher das Vertrauen in technische Systeme verlieren – und in diesem Fall wäre das leider sogar angebracht.

Innenministerium dementierte umfassende Überwachungspläne

Bei dem Vorhaben des Innenministeriums geht es um eine Beschlussvorlage für die Innenministerkonferenz der Länder. Das Ziel des Innenministeriums ist, die Rechtsgrundlage für den sogenannten Lauschangriff zu überarbeiten. Das Gesetz regelt unter anderem die akustische Überwachung von Verdächtigen in deren Wohnung oder Auto. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das als erstes über den Beschluss berichtete, interpretierte ihn aufgrund der vage formulierten Passagen über den „Einsatz technischer Mittel gegen Einzelne“ allerdings dahingehend, dass auch private Computer, Tablets oder Geräte aus dem Bereich des Internets der Dinge betroffen sein können.

Das hat das Innenministerium mittlerweile dementiert. Anfang der Woche erklärte ein Sprecher, es gehe nicht um informationstechnische Systeme – Tablets, Smart-TVs oder smarte Lautsprecher wie Echo sollen also nicht als Wanze missbraucht werden. Stattdessen verfolge das Innenministerium mit dem Beschluss nur das Ziel, dass die Polizei die rechtlichen Befugnisse beim Lauschangriff auch umsetzen könne. Aufgrund der modernen Alarmsysteme in Wohnungen und Autos wäre das nicht mehr ohne weiteres möglich. „Hier möchte man zukünftig, dass die Hersteller der Polizei helfen“, so der Sprecher des Innenministeriums.