LG V30 im Test: Top-Eckdaten und alte Software für 900 Euro
2/3Veraltete Software mit flottem SoC
Über das Betriebssystem stülpt LG seine eigene Oberfläche, die ab Werk durch die bunte Gestaltung der Icons und die Deaktivierung des App-Drawers auffällt. Beide Merkmale lassen sich auf Wunsch aber den eigenen Vorstellungen anpassen. In der alltäglichen Anwendung ist LGs Oberfläche einfach zu bedienen, insbesondere die Einstellungen sind aber unübersichtlich und über mehrere Ebenen verteilt, das kann verwirren.
Individualisierung wird bei LG groß geschrieben, so können Effekte beim Homescreen-Wechsel, mitlaufendes Hintergrundbild, Anordnung und Umfang der Software-Tasten oder etwa Skalierung angepasst werden. Positiv ist der Verzicht auf reihenweise Drittanbieter-Apps, der Anwendungsumfang ab Werk ist überschaubar und besteht zum Großteil aus kleinen Dienstprogrammen von LG und den Google-Play-Apps.
Viel Individualisierung, wenig Bloatware
Über eine sogenannte Floating Bar lassen sich Schnellzugriffe als Overlay einbringen, die praktisch von überall abrufbereit sind. Die Floating Bar ersetzt das zweite Ticker-Display des Vorgängers, erinnert an die Edge-Funktionen von Samsung und bietet etwa Schnellzugriffe auf Notizen, Kontakte, eine Auswahl von 5 Apps, die Steuerung des Musikplayers (was aber auch über die Benachrichtigungsleiste geht), das Erstellen eines schnellen Screenshots inklusive Notizen oder Bearbeitung oder dem Erstellen einer GIF von der Handlung auf dem Bildschirm. Signalisiert wird die Floating Bar durch einen kleinen Pfeil, der sich überall am linken oder rechten Rand unterbringen lässt.
Auf der Rückseite des V30 sitzt der Fingerabdrucksensor, der gleichzeitig als Einschalter fungiert. Im Alltag reagierte der Fingerabdrucksensor schnell und zuverlässig, auch die Einrichtung gelingt gewohnt leicht. Über weitere Gesten wie etwa Smartphones von Huawei oder die Pixel verfügt das Modell allerdings nicht. Wie von LG bekannt lässt sich das Smartphone per Doppeltipp auf das Display sperren und aus dem Standby aufwecken, mit KnockOn steht auch die Möglichkeiten ein bestimmtes Tippmuster als Ersatz für PIN oder Passwort zu hinterlegen.
Software hoffnungslos veraltet
Trotz des späten Marktstarts im Dezember und der hohen UVP von 899 Euro liefert LG sein Topmodell aber noch mit der über ein Jahr alten Android-Version Nougat, genauer gesagt 7.1.2, aus. Die aktuelle Variante 8.0 Oreo (Test) soll im ersten Quartal 2018 folgen. Noch schlimmer: der Sicherheitspatch-Level ist mit September 2017 veraltet und noch ohne Fix für die KRACK-Schwachstelle. Einem Topmodell für 900 Euro, zum dem eben auch die Software gehört, steht das überhaupt nicht.
In Korea hat der Rollout von Android 8.0 immerhin kurz vor Veröffentlichung des Tests begonnen, wann genau das Update in Europa verteilt wird, ist noch nicht sicher.
Hohe Leistung ohne Makel
Die Leistung des V30 ist dank des Snapdragon 835 in Kombination mit dem ausreichend schnellen internen Speicher nach UFS 2.0 sehr hoch. Das System-on-a-Chip setzt auf acht Kryo-280-Kerne, die in zwei Clustern zu vier Kernen aufgeteilt sind. Die Performance-Kerne takten mit maximal 2,45, das stromsparende Cluster mit maximal 1,9 GHz. Dank der Fertigung in 10 nm ist die Snapdragon 835 Mobile Platform, so der offizielle Name, zudem bei hoher Leistung effizienter im Stromverbrauch als noch der Vorgänger. Auch die GPU vom Typ Adreno 540 ist eine der leistungsstärksten auf dem Markt.
Im Alltag kommt es erwartungsgemäß zu keinen Aussetzern oder Rucklern, die Ladezeiten von Apps und Webseiten sind sehr kurz. Auch der Wechsel zwischen mehreren Anwendungen oder die Nutzung der Splitscreen-Funktion von Android ist reibungslos möglich. Die hohe Leistung bestätigt das V30 auch in synthetischen Messungen, kann interessanterweise aber nicht in jedem Benchmark an die namhafte Konkurrenz herankommen, teilweise kann es nicht mal das mit Snapdragon 821 ausgestattete Modell G6 überholen. Ein Muster für die teils abfallenden Testergebnisse ließ sich im Test nicht herausfinden.
Gewohnt stark ist das V30 vor allem bei der Grafik- und Mehr-Kern-Leistung, in der Single-Thread-Performance kann sich der Snapdragon 835 aber wenig überraschend auch diesmal nicht gegen den A11 Bionic von Apple durchsetzen. Der interne Speicher des Topmodells ist schnell, wird aber etwa von Huawei Mate 10 Pro oder Galaxy S8 (+) abgehängt.
Dual-Kamera mit Weitwinkel
Die Kamera ist auch beim V30 wieder eines der Alleinstellungsmerkmale. Wie beim G5 erstmals eingesetzt, stattet LG sein Top-Smartphone mit einer Dual-Kamera aus. Anders als beispielsweise das Huawei Mate 10 Pro (Test) oder das Samsung Galaxy Note 8 (Test) nutzt LG die zweite Kamera aber nicht für künstliches Bokeh, sondern für eine Weitwinkel-Kamera. Beide Kameras sind mit großen Blendenöffnungen ausgestattet, die 16-Megapixel-Hauptkamera bietet f/1.6, die 13-Megapixel-Weitwinkelkamera f/1.9. Hinzu kommt ein optischer Bildstabilisator für die Hauptkamera. Die Pixelgröße beider Kameras liegt bei 1 μm. Das Objektive ist anstatt aus Kunststoff aus Glas gefertigt, wodurch die „Crystal Clear Lens“ Licht und Farben besser einfangen soll. Insgesamt bewirbt LG die Kamera des V30 auch im Vergleich zur Konkurrenz mit besonderer Qualität.
Scharfe Fotos mit vielen Details
Im trüben Winterwetter im Ruhrgebiet musste das V30 zum Fototest antreten. Grundsätzlich überzeugen die aufgenommenen Fotos durch viele Details und viel Schärfe bis zum Rand hin. Ähnlich trüb wie das Wetter fallen je nach Lichteinfall aber auch die Farben aus, die so etwas matt und grau wirken. Die Farbdarstellung ist ausgewogen und nicht zu kräftig. Das Rauschen hält sich im Automatikmodus auch bei schlechterem Licht gut zurück, auch wenn es in der 100-Prozent-Ansicht durchaus auszumachen ist.
Für mehr Dynamik kann beim V30 auch dauerhaft HDR hinzugeschaltet werden, was vor allem sattere Farben, ein insgesamt helleres Bild und zum Teil dadurch auch mehr Details mitbringt. Die Fotos wirken lebendiger und stimmiger, Schriften kommen teilweise schärfer heraus, die Bilder leiden aber zum Teil unter sichtbar mehr Rauschen bereits bei nah gelegenen Objekten und leichter Vergrößerung in der Ansicht. Je nach Lichtbedingung empfiehlt sich also auch ein Verzicht auf HDR, grundsätzlich erzeugt die Aktivierung aber stimmigere und lebendigere Bilder. Bei besseren Lichtbedingungen dürfte sich der HDR-Effekt zudem zusätzlich verbessern, da aufgrund des Mehr an Lichts auch das Rauschen generell weniger wird.
Weitwinkelkamera für kreative Aufnahmen mit Einschränkungen
Die Weitwinkelkamera erlaubt es gerade von Landschaften oder Orten kreative und umfangreiche Aufnahmen anzufertigen, kommt im Vergleich zur Hauptkamera aber mit ein paar Einschränkungen. Die Auflösung der Kamera ist mit 13 im Vergleich zu den 16 Megapixeln der Standardlinse geringer, auch die Blende ist mit f/1.9 zu f/1.6 weniger empfänglich für Licht. Ein weiteres Manko ist der Wegfall des optischen Bildstabilistators, wodurch die Weitwinkelkamera bei schlechtem Licht zu verwackelten Aufnahmen besonders am Rand neigt, sofern das Smartphone nicht besonders still gehalten wird. Aufgrund des weiten Winkels fallen auch naheliegende Linien nicht immer gerade aus, im Vergleich zum G5, das erstmals auf eine Weitwinkelkamera setzte, kann LG das im V30 aber deutlich besser ausgleichen.
Nachtaufnahme mit vielen Details in Kameranähe
Bei Nacht sinkt der Detailgrad der Fotos erwartungsgemäß, doch Objekte, die in der Nähe einer Lichtquelle (etwa einer Laterne) platziert sind, können auch bei Finsternis mit ausreichend Schärfe und Details eingefangen werden, die Hinzunahme der LED ist dabei nicht nötig. Sichtbar werden das höhere Rauschen und der Detailverlust insbesondere bei großflächigen Aufnahmen von weiter entfernten Objekten, hier wird das Rauschen in den nicht beleuchteten Stellen deutlich sichtbarer. Auch die Kontraste in solchen Momente verschwimmen, zudem ist die Leuchtstärke der LED ausbaufähig. Insgesamt ist die Kameraleistung bei Nacht im gewohnten Rahmen: Bei Hintergrundbeleuchtung, etwa von Laternen oder Leuchttafeln, fallen nahe gelegene Objekte trotzdem detailliert und klar aus, bei Nutzung des Blitzes zudem – zumindest direkt beim Objekt – mit kräftigen Farben.
Bei großflächigen Aufnahmen zeigen sich aber von allen Smartphones gewohnte Schwächen mit mehr Rauschen und weniger Details, sodass entsprechende Fotos unansehnlicher werden. Erfahrene Nutzer können über den Profi-Modus an einzelnen Parametern selbst Hand anlegen. Im Zusammenspiel mit einer stillen Hand oder einem Stativ können so auch bei Nacht noch bessere Fotos entstehen. Im für die meisten Nutzer relevanten Automatikmodus können Nachtaufnahmen nicht immer überzeugen und auch die Offenblende von f/1.6 ist kein Freifahrtsschein für durchweg hohe Qualität.
Videos mit Zoom
Weitere Besonderheiten der Kamera sind auch in Videoaufnahmen zu finden. Die maximale Auflösung beträgt UHD mit 30 oder Full HD mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde. Im sogenannten „Cine Mode“ bietet LG die Möglichkeit, die Videoaufzeichnungen mit verschiedenen Filtern zu versehen, die im Effekt eingestellt werden können. Hinzu kommt ein sogenannter Punktzoom, der ein manuell ausgewähltes Objekt fokussiert und dann nahtlos vergrößert und auch wieder verkleinert, während die Aufnahme regulär weiterläuft. Auch die hochwertige Audio-Aufnahme bei Videos hebt LG hervor.
Die Endergebnisse weisen leichte Probleme bei wechselnder Belichtung auf, der Punktzoom erweist sich allerdings als nützlich und kreativ, geht auf der höchsten Zoomstufe aber mit sichtbaren Qualitätseinbußen in Form von erhöhtem Rauschen und weniger Details einher. Farben und Details werden zufriedenstellend aufgenommen, durch die hohe Auflösung kommen auch entfernte Details wie Schriften besser zur Geltung, zudem ist auch der Kontrast der Videos gut.