Studie der EU-Kommission: Leistungsschutzrecht ist nicht wirksam
Mittels einer Studie wollte die EU-Kommission untersuchen, wie wirksam das Leistungsschutzrecht ist. Das Ergebnis: Entsprechende Gesetze in Deutschland und Spanien haben nichts gebracht. Für Aufsehen sorgt nun allerdings, dass die Studie zwar schon seit einem Jahr vorliegt, aber nicht veröffentlicht wurde.
Von dem Vorfall berichtete zunächst Zeit Online. Demnach war es Julia Reda, Abgeordnete für die Piraten im EU-Parlament, die erst nach mehreren Informationsfreiheitanfragen die Dokumente erhalten hatte. Ihr Vorwurf lautet nun: Die EU-Kommission habe die Studie absichtlich unter Vorschluss gehalten, weil die Ergebnisse „peinlich“ wären. Das gilt insbesondere mit Blick auf die EU-Urheberrechtsreform, bei der das Leistungsschutzrecht zu den umstrittenen Punkten zählt.
Leistungsschutzrecht bringt den Verlagen nichts
Das Ziel des Leistungsschutzrechts ist grundsätzlich, dass Presseverlage Gebühren von Suchmaschinenbetreibern wie Google erhalten, weil diese Anreißertexte (sogenannte „Snippets“) von Artikeln der Verlage in den Suchergebnissen anzeigen. Inwieweit das klappt, sollte die Gemeinsame Forschungsstelle (Joint Research Centre, JRC) als wissenschaftlicher Dienst der EU-Kommission untersuchen. Die Ergebnisse der Studie (PDF) entsprechen allerdings dem, was Kritiker schon seit Jahren bemängeln: Das Leistungsschutzrecht bringt den Verlagen nichts, ökonomisch habe sich das Vorhaben nicht bewährt. Das sei die Lehre aus den Gesetzen in Spanien und Deutschland, die beide als gescheitert gelten.
Zumal es auch nicht so wäre, dass es ausschließlich die Suchmaschinenbetreiber sind, die sich auf Kosten der Verlage bereichern. Vielmehr wäre das Gegenteil der Fall. Konkret heißt es in der Studie: „Die vorliegenden empirischen Daten zeigen, dass Zeitungen tatsächlich von News-Aggregatoren profitieren, indem die Webseiten der Zeitungen mehr Besucher erhalten und damit die Werbeeinnahmen steigen.“
Es gebe zwar auch negative Seiten bei den News-Aggregatoren, die betreffen aber eher die grundsätzlichen Probleme mit Suchmaschinen: Nutzer klicken in erster Linie auf die Top-Resultate. Das könne dann zu einem „Superstar“-Effekt führen, der zulasten der Medienvielfalt geht.
Wirtschaftlich bringe das Leistungsschutzrecht den Verlagen aber nichts. Was die Autoren stattdessen empfehlen, sind Kooperationen. Würden die Verlage enger mit den Suchmaschinenbetreibern zusammenarbeiten, ließen sich mehr Daten auswerten und auf diese Weise womöglich neue Geschäftsmodelle entwickeln. „Das könnte sich als erfolgreiche Strategie für alle Beteiligten in der Debatte erweisen“, so das Fazit.
Klar ist also: Für Befürworter des Leistungsschutzrechts bietet die Studie nur wenig Grund zur Freude. Für die Piraten-Abgeordnete Reda ist es daher „kein Wunder“, dass die EU-Kommission „die Veröffentlichung am liebsten bis nach Abschluss der Verhandlungen über die Urheberrechtsreform hinauszögern wollte“. Denn den Ergebnissen zufolge helfen Suchmaschinen und soziale Medien den Verlagen. Widerlegt wäre damit die „Behauptung der Kommission, das Leistungsschutzrecht würde der Medienvielfalt dienen“.
Die EU-Kommission bezeichnet das Zurückhalten der Studie derweil als normalen Vorgang, obwohl die aktuelle Fassung offenbar schon seit Oktober 2016 vorlag. „Laut den wie üblich konsultierten Diensten der Kommission muss die Studie noch überarbeitet werden, bevor eine Entscheidung über die Veröffentlichung getroffen wird“, sagte ein Sprecher auf Anfrage von Zeit Online.
Entscheidung über EU-Leistungsschutzrecht im Januar
Ob ein Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene kommt, ist einer der Streitpunkte der EU-Urheberrechtsreform, bei der die Verhandlungen im Januar in die heiße Phase gehen. Die EU-Kommission hatte im Jahr 2016 – damals noch unter dem Kommissar Günther Oettinger – eine entsprechende Klausel in den Entwurf geschrieben. Die Verleger-Lobby fordert vehement das Leistungsschutzrecht. Vor zwei Wochen sagte Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner im Spiegel, benötigt würde ein „durchsetzbares Leistungsschutzrecht, am besten auf europäischer Ebene, damit jeder, der unsere Inhalte für kommerzielle Zwecke nutzen will, den Verlag fragen und bezahlen muss“.
An der Durchsetzbarkeit ist das Leistungsschutzrecht aber in Deutschland gescheitert. So weigerte sich Google hartnäckig, für die Anreißertexte zu bezahlen. Die Verlage klagten zwar, doch sowohl Gerichte als auch das Kartellamt bewerteten das Vorgehen von Google bislang als rechtmäßig.