AV1 1.0: Der neue Video-Codec für das Internet ist fertig
Der aus der Verschmelzung von Googles VP10, Mozillas Daala und Ciscos Thor entstandene AV1-Codec soll nicht nur deutlich besser komprimieren als alle bisherigen Codecs, sondern auch lizenzkostenfrei von jedermann genutzt werden können. Erste Inhalte gibt es in Kürze auf YouTube, Hardware aber nicht vor 2020.
Die Vormachtstellung von MPEG soll fallen
Lange Zeit waren die Videocodecs der MPEG-Familie der Quasi-Standard für hoch-komprimierte Videodateien. Zu der Familie gehören neben MPEG1 und MPEG2 auch die verschiedenen MPEG4-Varianten: ASP (DivX/XviD), AVC (H.264) und HEVC (H.265). Bei optischen Video-Datenträgern wie VCDs, DVDs und Blu-rays sind sie genauso Standard wie beim digitalen Fernsehen (DVB). Auch im Internet waren sie lange Zeit fast konkurrenzlos. Konkurrenten hatten es sowohl aus technischer, aber vor allem auch aus rechtlicher Sicht schwer, da viele Algorithmen patentrechtlich geschützt sind.
Während die Nutzung von AVC für kommerzielle Nutzer allerdings noch recht einfach war, wird es bei HEVC komplizierter und teurer, da nicht nur eine Lizenz von der MPEG notwendig ist, sondern zusätzlich noch Vereinbarungen mit mindestens einem weiteren Lizenzpool und einigen einzelnen Patentinhabern getroffen werden müssen.
AV1 als Alternative aus dem Internet
Um diese Schwierigkeiten und Kosten zu umgehen, haben sich die Internet-Größen Google, Mozilla und Cisco zusammengeschlossen, nachdem sie zunächst getrennt an eigenen Videocodecs gearbeitet hatten. Zusammen mit weiteren Firmen und Organisationen aus den Bereichen Hardware (AMD, Apple, ARM, Intel, Nvidia etc. pp.), Software (Microsoft, Adobe, Ateme, VideoLAN etc. pp.) und Inhalte (Amazon, Netflix, Hulu, etc. pp.) wurde die Alliance for Open Media gegründet und der AV1-Codec entwickelt. Gemeinsam haben diese Firmen nicht nur die notwendigen Entwickler-Ressourcen um Alternativen für patentierte Algorithmen zu entwickeln, sondern auch genügend eigene Patente und Marktmacht, um sich erfolgreich gegen Patentklagen zur Wehr setzen zu können.
AV1 wird als Internet Video Codec (NetVC) standardisiert
Die Internet Engineering Task Force (IETF) hat AV1 ausgewählt um ihn unter dem Namen NetVC zu standardisieren. Da sowohl Mozillas Daala, als auch Ciscos Thor zuvor Kandidaten dafür waren, verwundert die Wahl nicht, zumal die MPEG-Varianten auf Grund ihrer Lizenzkosten die gestellten Kriterien nicht erfüllen.
Hohe Qualität, aber (noch) extrem langsam
Ein erster unabhängiger Test von AV1 im Rahmen eines Codec-Vergleichs der Moscow State University (PDF) ergaben eine Bitraten-Reduzierung von 45 Prozent gegenüber AVC. HEVC erreicht beim gleichen Test 25 bis 33 Prozent Vorteil. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht der nun veröffentlichte finale Referenzencoder zum Einsatz kam, sondern noch eine frühe Vorabversion. Auch bei der Geschwindigkeit des Encoders besteht deshalb womöglich noch Optimierungspotential: Die Vorabversion erreichte zwar eine deutlich niedrigere effektive Bitrate als die Konkurrenz, war dafür aber auch signifikant langsamer. Auch der jetzt erschienene finale Referenzencoder enthält allerdings noch kaum Optimierungen und eignet sich schon allein deshalb noch nicht für den Praxiseinsatz.
Erste Inhalte in ein paar Wochen, Hardware ab 2020
Auf YouTube sollen innerhalb der nächsten Wochen einige Videos im AV1-Format verfügbar sein. Die dafür nötige Codec-Unterstützung ist im Nightly-Build des Firefox-Browsers seit November 2017 enthalten. Nach der Finalisierung der Spezifikation dürften aber auch Google und Microsoft bald mit ihren Browsern nachziehen. Die Umsetzung des neuen Codecs in Hardware wird allerdings noch eine Weile auf sich warten lassen und kaum vor 2020 ihren Weg in Geräte für Endkunden finden.